Alle Beiträge von Georg Pichler

Darkwood: Überdosis Angst in 2D

Darkwood beweist: Es braucht keine drei Dimensionen, damit einem das Herz in die Hose rutscht.
Darkwood beweist: Es braucht keine drei Dimensionen, damit einem das Herz in die Hose rutscht.

Horror-/Survivalspiele haben sich in den letzten Jahren schon fast als eigenes Genre etabliert. Als Kulmination aller Gänsehaut-Epen gilt aktuell „Amnesia – The Dark Descent“. Entwickler Frictional Games (unter anderem „Penumbra“) arbeitet auch schon am Nachfolger mit dem Untertitel „A Machine for Pigs“, der heuer erscheinen soll. Nicht zu verachten ist auch der Erfolg des Indie-Freewarespiels „Slender“, das mit „Slender – The Arrival“bald  eine „professionelle“ Umsetzung spendiert bekommt.

Man möchte meinen, gruseln geht nur,  wenn man den Spieler in allen drei Dimensionen zu atmosphärischen Schauplätzen verfrachtet. Aber weit gefehlt. In Ansätzen konnte schon der Shooter „Shadowgrounds“ beweisen, dass man den Spieler auch in Draufsicht ordentlich Erschrecken und mit Adrenalin vollpumpen kann. In der Tat ist es aber in der Quasi-2D-Abteilung etwas still geworden.

Abhilfe verspricht nun „Darkwood“ von Acid Wizard Studio. Auch hier muss der Spieler vor einer übermächtigen Gefahr fliehen, Rätsel lösen und schlichtweg überleben. Die drei polnischen Entwickler versprechen RPG-Elemente, Permadeath, Crafting und, nach dem guten alten Roguelike-Prinzip, bei jedem Versuch ein Abenteuer in einer frisch generierten Welt.

Das Spiel befindet sich zwar erst in der Pre-Alpha-Phase, der Trailer verfehlt – wie man das als braver Horrorfreund macht –  in einem dunklen Zimme bei, aufgedrehten Lautsprechern in Vollbild und HD nicht. Dieser Titel wird definitiv nicht für die Lulus unter euch entwickelt ;)

„Darkwood“ soll auch auf Steam erscheinen, bei Greenlight könnt ihr eure Stimme dafür abgeben.

The Walking Dead: Survival Instinct – ein klassisches Beispiel für „Speed Kills“

Der skeptische Blick des Zombies mit dem eckigen Schatten ist leider mehr als berechtigt
Der skeptische Blick des Zombies mit dem eckigen Schatten ist leider mehr als berechtigt (Foto: Activision)

Nach Comicheft-Ablagen und TV-Bildschirmen hat die Zombie-Apokalypse aus der Feder von Robert Kirkman – das Werk nennt sich „The Walking Dead“ – auch die Herzen vieler Spieler erobert. Es war Telltale Games, die mit ihrer Interpretation und einer sich kaum mit Comic oder Serie überschneidenden Produktion einen Adventure-Meilenstein erschaffen und völlig zurecht zahlreiche „Game of the Year“-Preise eingefahren haben. Das Schicksal des verurteilten Mörders Lee Everett und der kleinen Clementine ging vielen Spielern an die Nieren und vermochte zu Tränen zu rühren. Mit „The Walking Dead: Survival Instinct“ probiert sich nun das Studio Terminal Reality („Bloodrayne“) an einem Shooter. Wir haben reingespielt.

Aus dem Nichts

Wie der Name es erahnen lässt, wird „Survival Instinct“ als Survival-Shooter verkauft. Das Spiel lehnt sich stark an der TV-Serie an und erzählt die Vorgeschichte der Brüder Daryl und Merle Dixon – beide wurden für die TV-Produktion erfunden und tauchen ursprünglich nicht im Comic auf – auf ihrem Weg durch Georgia zur Hauptstadt Atlanta. Dementsprechend richtet sich das Game natürlich an jene, die das Schicksal der Überlebendengruppe rund um Ex-Sherrif Rick Grimes Woche für Woche mitverfolgen. So wie der Autor dieser Zeilen.

Es gibt bei der Produktion von „TWD: Survival Instinct“ einige Merkwürdigkeiten. Quasi aus dem Nichts wurde der Titel vor rund einem Dreivierteljahr angekündigt und steht heute schon in den Läden. Wer weiß, wie Spiele produziert werden, dem wird diese Zeitspanne verdächtig kurz vorkommen.  Die wenig Vorfreude erweckenden Trailer, mit welchen die Öffentlichkeit im Vorfeld beglückt wurde, und noch mehr das Endprodukt, geben – soviel sei bereits verraten – den Unkenrufern leider Recht.

Schießen und Managen

Die Idee ansich wäre nicht schlecht. Man absolviert verschiedene Missionen, auf welchen es gleichzeitig gilt, Nahrung, Benzin und Munition für die weitere Reise zu ergattern. Erledigen können das auch andere Überlebende, auf die man im Laufe des Abenteuers stößt und – je nach Platz im fahrbaren Untersatz – in die unterschiedlich große Gruppe an Mitstreitern integrieren kann. Während diese also im Hintergrund auf Ressourcenfahndung geschickt werden können, was mit einigem Risiko behaftet sein kann, folgt man in der Haut von Daryl Dixon – in der Serie bekannt für seinen Southerner-Akzent, Poncho und Armbrust sowie die Darstellung eines „harte Schale, weicher Kern“-Archetypen – unterschiedlichen Zielen. Etwa der Beschaffung eines neuen Autos, wenn die aktuelle Klapperkiste den Dienst zu versagen droht.

Ist das geschafft, kümmert man sich ums Team, verwaltet das rudimentäre Gruppeninventar, wählt das nächste Reiseziel (Abzweigungen sind allerdings selten) und sucht aus, ob man über Trampelpfade, Landstraßen oder Highways fährt. Erstere bringen einen nur langsam voran, erhöhen den Benzinverbrauch, aber auch die Chance, unterwegs nützliche Dinge aufzugabeln, bei letzteren verhält es sich umgekehrt, während Landstraßen die Kompromisslösung darstellen. „TWD: Survival Instinct“ könnte eigentlich eine gute Mischung aus Action und Überlebensmanagement sein. Wenn da nicht die zahlreichen Mankos wären.

Postapokalyptisches Grafikdesaster

Die Grafik ist, das muss für ein modernes Actionspiel unter der Schirmherrschaft eines großen Publishers gesagt werden, schlichtweg grottenhässlich. Nicht selten liegt der Detailgrad unter dem Telltale-Werk, das jedoch komplett andere Ansprüche bedient und absichtlich auf einen eher „flacheren“ Look setzt. Dass die grobpixeligen Schatten selbst auf offiziellen Screenshots zu sehen sind, ist wahrlich kein Ruhmesblatt.

Fallweise gelingt es Terminal Reality zwar, an dem einen oder anderen Ort so etwas wie Atmosphäre aufkommen zu lassen. Bis die ersten Grafikfehler auftauchen. Hier berichten verschiedene Spieler über unterschiedliche Erlebnisse. Bei manchen läuft das Game fast ohne irgendwelcher Grafikmacken, andere wiederum kämpfen mit überall durchscheinenden Gras-Sprites oder durch Wände durchscheinende Gegenstände. Immerhin, einen Großteil dieser Probleme scheinen die Entwickler mittlerweile behoben zu haben.

Von erwartbar dämlichen Zombies…

Hat man sich dazu durchgerungen, dem Spiel diese optische Beleidigung zu verzeihen, darf man sich mit Steuerung und Gegnern auseinandersetzen. Aus nicht nachvollziehbaren Gründen scheint die Mausbeschleunigung permanent aktiviert zu sein und lässt sich auch nicht abschalten. Vernünftiges Zielen wird damit wesentlich schwerer. Solange man nicht zuviel Lärm veranstaltet, ist das aber kein Erfolgshindernis, denn die untoten Gegner sind einzeln gar nicht und in der Gruppe erst dann fordernd, wenn man sich selbst in die Bredouille gebracht hat.

Das Spiel bietet die Möglichkeit, sich hinterrücks anzuschleichen und einen Zombie mit einem einzigen Messerstich in den Kopf zu erledigen.Das geht die meiste Zeit auch gut, denn gesehen wird man erst auf relativ kurze Distanz und auch die Nasen der Wiederauferstandenen benötigen ihre Zeit, um den Spieler zu identifizieren. Seltsames Detail am Rande: Ein sitzender Zombie, der sich erhebt, ist nach einem Messerschwung besiegt. Sobald er steht, benötigt es vier davon.

…und wirklich bemerkenswerten Umständen

Stehen doch einmal zu viele „Walker“ herum, hilft es, Einzelne herauszulocken und zu eliminieren, durchzuspringen (oder zu schleichen) und erst am Rückweg zu den Schießeisen zu greifen. Denn: Deren Lärm lockt weitere Zombies an, die teilweise in unendlicher Menge aus irgendwelchen Gängen herausgetaumelt kommen. Lärm und Lichtreize können auch zur Ablenkung der Feinde verwendet werden. Wirft man etwa eine Flasche, torkeln die umstehenden Zombies nach deren Zerbersten eine Weile in die Einschlagsrichtung. Auch dem grellen Schein einer Magnesiumfackel folgen sie. Mit anderen Gegenständen darf jedoch kein Lärm gemacht werden, obwohl meist genug Zeug herumliegt. Auch wenn man in unmittelbarer Nähe eines Untoten eine Mülltonne laut krachend über den Haufen läuft, lässt sich dieser davon nicht stören.

Für Schreckmomente sollen Skriptsequenzen sorgen, deren Glaubwürdigkeit mitunter aber stark in Frage steht. Wenn man etwa aus einem Raum in einen Gang tritt, den man vor wenigen Sekunden erst von allen Untoten „gesäubert“ hat, nur um plötzlich auf magische Weise wieder einen Zombie am Hals zu haben, ist man in der Tat Mal überrascht, aber nicht im positiven Sinne.

Schlauchig

Für ein Survival-Game ebenfalls unüblich ist der absolut „schlauchige“ Aufbau der Level. Abzweigungen gibt es nur sehr beschränkt (oft nur für optionale Sidequests), alternative Wege gar nicht. Das geht soweit, dass einen das Spiel an der Kreuzung zweier Zäune nur in einer Richtung drüberspringen lässt, um zu verhindern, dass man auf dem (geraden und gegnerfreien) Wege zurück zum Auto gelangt, auf dem man gekommen ist. An anderer Stelle wird man von einem einzelnen umgekippten Einkaufswagen am Betreten einer Stiege gehindert. Auch einfache, halbhohe Holzzäune lassen sich nicht überspringen. Die Liste lässt sich fortsetzen.

Zwei gute, viele schlechte Sprecher

In Sachen Musik liefert das Spiel solide Kost, nicht jedoch beim Sounddesign. Hier wurde offenbar an Samples gespart, denn ob man nun mit seinem Messer an eine Fensterscheibe, eine Wand oder das Blech eines Autos klopft, macht erstaunlicherweise keinen Unterschied. Irritierend ist auch, dass bei Gegnergeräuschen nicht zuverlässig feststellbar ist, woher diese kommen. Über jeden Zweifel erhaben sind dafür die Sprecher der beiden Hauptprotagonisten. Dafür konnte Activision die Darsteller aus der Serie gewinnen, Norman Reedus (Daryl) und Michael Rooker (Merle). Die Vertonung der anderen Charaktere schwankt zwischen „ganz annehmbar“ und „fürchterlich“.

Ganz selten, ja wirklich, hat das Spiel trotzdem seine Momente. Etwa wenn das Haus des Sheriffs nach Entdeckung der Autoschlüssel plötzlich von Zombies gestürmt wird. Oder wenn man sich beim Versuch, vorbeizuschleichen, einkesseln lässt. Doch auch diese Momente vermag „Survival Instinct“ leider zu trüben. Steht ein Auto in der Nähe, reicht das, um erst einmal in Sicherheit zu sein und sich in Ruhe einen Fluchtplan ausdenken zu können (der meist aus einem flotten Sprung über die Gegner, gefolgt von einer Sprinteinlage besteht). Klettern können die wandelnden Leichen nämlich nicht.

In aller Eile versemmelt

„The Walking Dead: Survival Instinct“ merkt man eines von vorne bis hinten an: Fehlende Zeit. Neun Monate dauerte es von Ankündigung bis Release, die tatsächliche Entwicklungszeit dürfte nicht wesentlich länger gewesen sein. Mit Terminal Reality war zudem ein Studio am Werk, das längst nicht nur Hits produziert hat. Mit „Star Wars: Kinect“ legte man vergangenes Jahr sogar eine veritable Bruchlandung hin. Manche Titel der Vergangenheit zeigen aber, dass man auch gute Arbeit leisten kann.

Aber nicht in einem so kurzen Zeitraum. Was vom geplanten Apokalypsen-Spektakel bleibt, sind ein paar im Grunde sehr gute Ideen, die in einer desaströsen Umsetzung versenkt wurden. Ein ordentliches Spiel dieser Klasse und dieses Umfangs ist so schnell einfach nicht zu machen – und schon gar nicht gut. „Survival Instinct“ ist für Neulinge und Freunde der Serie eine absolute Enttäuschung. Über den Hintergrund der Hast kann nur gerätselt werden. Wahrscheinlich ist, dass die aktuell laufende Staffel am Ostersonntag endet, der Hype über den Sommer etwas abflauen wird, und ein Release im Herbst oder Winter auch aus Kostengründen wohl zu spät wäre. Zudem müsste man sich dann die Aufmerksamkeit mit der Fortsetzung des Telltale-Spieles teilen, die ebenfalls heuer kommen soll.

Also hat man die falsche Entscheidung getroffen und damit eine universelle Weisheit im Games-Biz bestätigt: Speed Kills.

„The Walking Dead: Survival Instinct“ ist für Xbox 360, PlayStation 3, Wii U und PC erhältlich.

Loss: Gesundgeschrumpftes Gamedesign

Loss: Weniger ist manchmal mehr
Loss: Weniger ist manchmal mehr

Hat man mal kapiert, wie das mit der Steuerung hinhaut, dürfte der Flash-Plattformer „Loss“ wohl eines der kürzesten Spiele überhaupt sein. Das mag auch an der Entwicklungszeit von weniger als einem Tag liegen. Die Spielzeit beträgt – optimistisch formuliert – zwei Minuten, der „Verlust“ lädt also zu einem Ausflug in der Mittagspause ein.

Untermalt von leicht melancholischer Musik und in ans Gameboy-Zeitalter erinnernder Optik ist nicht mehr zu tun, als die Spielfigur zu einer Tür zu führen. Und trotzdem ist ein süßer, kleiner philosophischer Kern darin versteckt, der das einleitende Zitat „Deine Hartnäckigkeit beim Erreichen deines Ziels könnte dich Alles kosten“ erklärt.

Nebenbei demonstriert das Spiel auch, wie man durch simple Vereinfachung ein Spiel interessanter machen kann.

Gespielt wird übrigens im Browser, unter diesem Link, der zu GameJolt führt.

Game Over: Spiele und das Tabuthema Sterben

Game Over
Game Over: Auch wir Spieler halten den Controller irgendwann zum letzten Mal in der Hand

Eine Frage, die sich in der Debatte zu Videospielen als Kulturgut immer wieder aufdrängt, ist der Umgang mit Leben und Tod. Gestellt wird sie gerne im „externen“ Bezug, wenn es um die Identifikation von „Gegnern“ geht. Der Begriff „Killerspiel“ hat sich als Unwort unwiderruflich in die Köpfe vieler Gamer im deutschsprachigen Raum eingeprägt. Die Behandlung des Themas lässt einen wichtigen Punkt komplett unbehandelt: Auch Spieler sterben.

„Killerspiele“ und kein Ende

Die Gewalt-Problematik ist lang und breit und trotzdem wohl nicht endgültig durchgekaut. Im Abendprogramm des durchschnittlichen TV-Senders stirbt vermutlich ein Dutzend Menschen, gerichtet vom meist heldenhaften Protagonisten auf seiner guten Mission. In vielen Spielen passiert ähnliches unter der Regie von Maus und Controller der Person vor dem Bildschirm.

Stand der Dinge: Es fehlt an hinreichenden Beweisen, dass das Niederstrecken hunderter Gegner in Egoshootern Menschen dazu bringt, in ihrer Schule wehrlose Schüler und Lehrer hinzurichten, wie gerne auch mal wahlkämpfende Politiker darstellen. Gegner dieser Position machen es sich oft dafür zu leicht damit, sämtliche Zusammenhänge zwischen virtuellen und realen Gewalttaten zu bestreiten.

Auch in Spielen ein Un-Thema

Doch wann beschäftigt sich ein Spieler mit seiner eigenen Endlichkeit. Die einzige definitive Wahrheit über das Leben ist, dass es irgendwann einmal endet. Statistisch gesehen für einen Bewohner des sogenannten Westens nach ungefähr 80 Jahren, für manche viel früher, für manche viel später. Ein Umstand, der in den meisten Spielen ziemlich flach fällt.

Meist mimt man einen Helden oder eine Heldin, der oder die mehr einsteckt, als so mancher Panzer. Geht es dem Ende zu, bleiben die Konsequenzen aus oder beschränken sich auf ein paar audiovisuelle Effekte. Und bevor man das virtuelle Zeitliche segnet, werden in der Regel einfache, schnell wirksame Mechanismen zur Abwendung des „Game Over“ geboten.

Max Payne wirft ein paar Tabletten ein, Rollenspieler greifen zum rot blubbernden Heiltrank, Plattformer-Protagonisten laufen in herumschwebende Symbole mit gesundheitsfördernder Wirkung. Und sinkt die Energieanzeige dann doch einmal auf den Gefrierpunkt, startet man eben mit einem Leben weniger oder per Quickload vom letzten Speicherpunkt.

Untote Tabubrecher

Nur wenige Werke pflegen eine tiefere Auseinandersetzung mit der Endlichkeit und binden diese entsprechend in die Handlung ein. Passenderweise gehören zu den jüngsten Beispielen zwei Produktionen, die als Setting die Zombie-Apokalypse gewählt haben. Nichts symbolisiert die Angst vor der Ungewissheit des Todes besser, als seine wandelnde, röchelnde Personifizierung. Zombies sind ein Tabu auf Beinen.

(Achtung, in den nächsten beiden Absätzen folgt ein Spoiler!)

Und inmitten dieses Horrorszenarios konfrontiert die Serienumsetzung „The Walking Dead“ den Spieler mit dem Thema inmitten der auferstandenen Toten – die damit gar nicht gemeint sind. Es ist die Sorge um das Überleben der kleinen Clementine, die zur treibenden Kraft der Handlung wird. Während ihr Schicksal am Schluss ungewiss bleibt, erlebt man sein virtuelles Alter Ego im letzten Spielabschnitt sterbend. Langsam, aber doch.

Wie ein Pfahl ins Herz bohrt sich der Konflikt, ob man mehr um das absehbare Ende der Hauptfigur trauert, oder um das, was sie zurücklassen muss: Das kleine Mädchen in einer Welt voller Gefahr. Das Zurücklassen des Bestehenden, des durch einen selbst Veränderten ist ein Teil dieser Endlichkeit, vor der man sich im Allgemeinen fürchtet.

Abenteuer Ende

Noch mehr mit dem „Aus“ setzt sich „Project Zomboid“ auseinander. Die Kombination aus Survival-RPG mit „Minecraft“-artigen Bastelelementen eröffnet dem Spieler unzählige Möglichkeiten, sich zu entfalten. Diese sind nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Ausgestaltung eines Weges, an dessen Ende ein wenig friedvoller Tod steht. Ob man seine Spielfigur eine Überdosis Schlafmittel konsumieren, verhungern oder mit Pauken und Trompeten in einem epischen Endkampf gegen die untoten Horden aus dem Leben scheiden lässt, ist immer die letzte Entscheidung die man zu fällen hat. Die Heilung der Zombie-Seuche, das Ausrotten aller wandelnden Leichen oder ein rettender Hubschrauber des Militärs – all diese Happy Ends aus anderen Spielen wurden von den Entwicklern absichtlich ausgespart.

Bis es soweit ist durchsucht man Häuser, baut Barrikaden, tüftelt an Waffen und Fallen, arbeitet mit oder gegen andere Überlebende, schleicht durch die Straßen oder pflastert sie mit Zombies. Kurz: Man prägt die Geschichte des eigenen Untergangs und setzt sich vielleicht ein kleines Denkmal, das man als virtueller Held zurücklassen muss. Als reale Person kann man seine Errungenschaften freilich teilen und bleibende Erinnerungen schaffen.

Denkmalsetzung

Eine solche hat auch das Entwicklerteam von „Creative Assembly“ mit „Total War: Rome 2“ verwirklicht, auf dem umgekehrten Weg. Die Charity-Organisation Willow hat es einem leidenschaftlichen Computer-Strategen namens James ermöglicht, einen Tag bei den Machern des Spieles zu verbringen. Dabei erhielt er Einblicke in die Alphaversion des Titels und konnte sie sogar anspielen. Erfahrungen, die bislang nicht einmal Journalisten machen durften.

Der Hintergrund ist jedoch ein sehr ernster. Willow schafft solche Kooperationen, um terminal Erkrankten einen Tag Pause und Ablenkung vom Alltag zu verschaffen, der sich sonst rund um ihre Krankheit dreht. Der 24-jährige James hatte zum Zeitpunkt seines Besuches den Kampf gegen Krebs bereits verloren. Er verstarb kurz nach dem Stelldichein bei Creative Assembly, lebt aber im Spiel weiter.

Sein Antlitz wird einen römischen Kriegsherren zieren, der eine wichtige Rolle bei der Belagerung von Karthago einnehmen soll. Es ist dies, was James als Spieler in der Sphäre seines Lieblingshobbys hinterlassen konnte.

Kulturerbe

Freilich bietet die Aktion auch Angriffsfläche. Immerhin taugt der Besuch von James durchaus als PR-Maßnahme, mit der das Interesse an „Total War“ sicher gesteigert wird. Sieht man es ganz zynisch, könnte man die Publikwerdung der Besichtigung gar als Ausnutzen eines Sterbenskranken abkanzeln.

Dabei darf man trotzdem nicht vergessen, dass eben jenem Menschen, der unmittelbar mit seinem eigenen Tod konfrontiert war, ein Herzenswunsch erfüllt werden konnte. Dass er in einem Videospiel verewigt ist, das im besten Falle – wie so mancher Klassiker der alten Heimcomputerära – auch in 20 Jahren noch Liebhaber findet, ist wiederum ein starkes Indiz dafür, dass sich Videospiele längst zum ernstzunehmenden Kulturgut gemausert haben.

Und als solches kann tiefgründige Auseinandersetzung mit der eigenen Vergänglichkeit nicht schaden. Seit Jahrtausenden ist das unweigerlich präsente Thema in den Sphären von Religion und Wissenschaft gefangen. Ein Vordringen in die Popkultur gelingt höchst selten, trotz zwischendurch aufflackernder Sterbehilfe-Debatte wagt sich auch die Politik in vielen Ländern kaum heran.

Zeit für talentierte Geschichtenerzähler und Entwickler, die immensen Möglichkeiten des Mediums Videospiel zu nutzen, um die natürliche Konsequenz des Lebens mit Hilfe hochwertiger Umsetzungen endlich zu enttabuisieren.

(Foto: The Protein Kid / CC-BY-NC-ND 2.0)

Hach, Soldat

Soldat
Soldat

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