Ich darf mich nun seit über 20 Jahren Computerspieler schimpfen. Und trotz ungezählter Stunden Spielzeit kann ich behaupten, dass mich nur eine handvoll Spiele überrascht haben — positiv wohl gemerkt. Das liegt nicht an der fehlenden Qualität, eher daran, dass ich mich bereits in jungen Jahren vorab ausgiebig informiert und getestet habe. Damit blieben mir viele Enttäuschungen erspart, auch wenn es leider noch genug davon gab.
Eine dieser Enttäuschungen war für mich Two Worlds, will sagen der Vorgänger des heutigen Testopfers. Obwohl öfters positiv beschrieben, oh Schreck oh Graus welch Überraschung, war es meinem Empfinden nach eine Katastrophe. Verbugt, lahm, schiach (unschön). Entsprechend ignoriert habe ich auch die Ankündigung des Nachfolgers. Nachdem es aber derart viele wohlwollende, ja teils euphorische, Berichte zum zweiten Teil der zwei Welten Saga gab, wollte ich mir doch selbst meine Meinung bilden. Und, oh Schreck oh Graus welch Überraschung… alles ist Gut. Seit langem also endlich wieder einmal eine positive Überraschung in meiner kleinen Spielewelt.
In der Vorbereitung zu diesem Bericht dachte ich oft an Gothic. Der Vergleich drängt sich auf: Two Worlds 2 ist ein klassisches, westliches Rollenspiel mit allen Vor- und Nachteilen. Und es ist ebenso ein klassisches, westliches Fantasyspiel mit allen erdenklichen Stereotypen. Je länger ich aber in der Welt von Antaloor verbringe — ich bin bei weitem noch nicht durch — desto unwohler wird mir mit dem Vergleich. Two Worlds 2 hat es schlichtweg nicht verdient mit Gothic verglichen zu werden, zumindest nicht mit den jüngsten Auswüchsen dessen. Stattdessen werde ich es adeln mit dem Vergleich zu meinem Genreprimus Dragon Age: Origins. Womit ich schon früh offenbare was ich von Two Worlds 2 halte. Der Lauser hat sich getraut am Thron eines übermächtigen Gegners zu kratzen und ihm dabei sogar die Krone etwas verbogen. Wer nicht viel Zeit hat, kann hier mit dem Lesen aufhören, und das Teil kaufen eilen… wehe dem! Ich verspreche ich halte mich kurz, was angesichts des Spielumfangs schwierig ist.
Wie die Großen?
Wer mich kennt weiß, ich liebe es zu sudern, entsprechend halte ich mich an meinen, mir eigenen Stil und Schimpf bevor ich Hätschel. Wobei es tatsächlich wenig gibt zu tadeln gibt. Technisch gesehen braucht es keinen Vergleich mit Kombattanten höheren Budgets zu scheuen, im Gegenteil! So komplex ein Rollenspiel noch dazu im Open-World Stil auch ist, so beinahe fehlerfrei war es bisher, zumindest in spielerischer Hinsicht. Auch kommt es öfter vor, dass die Überreste gefallener Gegner in den umliegenden Modellen verschwinden, alles nicht allzu tragisch.
Lediglich zwei Dinge sind mir bisher wirklich unangenehm aufgefallen. Zum einen wären da die Ladezeiten. Technisch aktuell wird meist im Hintergrund geladen, lediglich bei schneller Reise per Pferd oder Sprint erscheint das Ladesymbol und es hakelt kurz. Doch wechselt man von Dungeons oder Häusern zurück in die Welt oder benutzt einen der Teleporter sieht man doch einen Ladebildschirm. Der nimmt sich an sich zwar sehr unwichtig und verschwindet auch schnell wieder aus dem Bild, allerdings kommt es oft vor, dass dabei Arbeit liegenbleibt. Anders kann ich mir nicht erklären, dass noch nach dem Ladebildschirm Spielmodelle materialisieren, Effekte aufpoppen und die Steuerung nicht reagiert. Das dauert nur einige Sekunden, die allerdings würden subjektiv weniger stören wäre der Ladeschirm noch im Dienst.
Zum anderen wären da Framedumps, also nicht Einbrüche in der Framerate sondern gleich Verwerfungen eben dieser. Das geschieht wieder beim Sprinten und Pferderlreiten, hängt meiner unqualifizierten Meinung nach also wohl mit dem Hintergrundladen zusammen. Wiederum nicht wirklich tragisch jedoch sehr störend.
Ein Punkt der mich jetzt nicht trifft, *zwinker*, bezieht sich auf die oben erwähnten Stereotypen. Na, wer errät es? Two Worlds 2 ist ein Spiel für Männer… oder Nerds. Eine jede Frauenbeauftragte würde dieses Spiel auf den Index setzen lassen und militante Feministinnen stapeln wohl schon die Holzscheite für ein zünftiges Feuerchen. Während die Testosteron-Fraktion im Spiel sich durchwegs martialisch durchs Leben schnetzelt, verbringt die bessere Hälfte der digitalen Weltbevölkerung die Zeit mit Haushalt. Natürlich spärlich bekleidet, minimum Cup C und generellen Supermodellmaßen. Zudem legen die Damen einen Hüftschwung auf’s staubige Parkett, welcher eher einer Tanne bei Windstärke 9 auf der Beaufortskala als einem anatomisch korrekten Ablauf entspricht. Wohl als Gegengewicht haben die Animateure die laufenden Männer zu X-beinigen Enten gemacht.
Ein Ring sie zu…
…falscher Film! Aber gute Überleitung zum nächsten Thema und damit zum Lobhudeln. Mag man zu Beginn noch denken, dass für die Story einfach rundum bei bekannten Vorlagen wie z.B. Herr der Ringe geklaut wurde, spürt man nach und nach, dass das nicht ganz stimmt. Mal ehrlich, es gibt kaum noch echte Neuheiten im Fantasy Sektor und da erinnert einen schnell etwas an die Größen wie Herr der Ringe. Der Punkt bei Two Worlds 2 ist, dass mit etwas Witz und Ironie von den anderen gespikt wird. Beispiel: gleich im „Tutorial“ finden man das Tagebuch eines Architekten der für den Bau eines Turms „beauftragt“ wurde. Die ersten Skizzen ähneln prompt einem gewissen Turm mit flammendem Auge ob drauf. Die gefallen dem Oberbösewicht allerdings nicht – der Turm sei zu gewöhnlich.
Hervorheben will ich auch die exzellente deutsche Synchronisation. Soweit ich es beurteilen kann, sollte auf meiner Disc auch die englische Sprachausgabe vorhanden sein, allerdings habe ich es mit den üblichen Mitteln noch nicht geschafft, in den Genuss dieser zu kommen. Sollte also jemand von euch das ganze schon in Englisch genossen haben, würde ich mich über ein Kommentar dazu freuen.
Einer der wichtigsten Punkte bei Rollenspielen nach der Story ist wohl das Itemmanagement und der Sammelfaktor. Auch hier gibt es wenig zu bekriteln. Man merkt zwar die direkte Umsetzung vom PC, trotzdem ist das Inventar gut zu steuern. Sehr gut gefallen hat mir das „Schmieden“ und modifizieren der Ausrüstungsgegenstände — so wird selbst aus dem rostigsten Degen ein mächtiger Schaschlikspieß. Veganer aufgepasst, ihr werdet von der Möglichkeit des Tränkebrauens nicht begeistert sein. Jedes erlegte Tierchen hält nämlich auch als Aphotheke auf Beinen her und gemeinsam mit der Flora kann schöne Medizin gebraut werden — Obelix würds freuen. Ein Tip: die Nützlichkeit dessen habe ich selbst erst spät gelernt, also gleich von Anfang an brauen und pantschen!
Zuletzt noch ein Wort zur Schwierigkeit. Glaubt man zu Beginn man kann Conan like quer durch die Savanne hirschen und alles Platt machen, was so kreucht und fleucht, wird man schnell vom nächsten Rhino platt gemacht. Allerdings ist das wirklich nur zu Beginn der Fall. Schnell levelt man hoch und dank fehlender — und das bitte im positiven Sinn betrachtet — Levelanpassung der Feinde wird man Conan auch bald gerecht. Hängt man wo, einfach einen oder zwei Aufträge annehmen und schon wird die lästige Mumienplage zu Mullbinden verarbeitet. Trotzdem wird es nie zu einfach oder gar fad. Zudem gibt es jede Menge Minispielchen mit guten Ideen. Stehlen ist nicht einfach anschleichen und Knopferl drücken, sonder ähnlich dem Schlossknacken muss etwas getüftelt werden. Guitar Hero Fans kommen beim musizieren mit Trommel, Flöte oder Banjo auf ihre Kosten.
Bald fertig?
Sorry für die Länge des Berichts, aber ich hätte gut und gerne noch 1000 Wörter tippen können. Two Worlds 2 begeistert mich wirklich. Es ist bei weitem kein perfektes Spiel, aber es ist bei weitem eines der besten Rollenspiele derzeit. Zudem ist bereits für Dezember ein ausführlicher Patch in Arbeit der die Benutzeroberfläche verbessert und Fehler beseitigt — ich werde berichten.
Und so lange dieser Artikel ist, so lange ist auch die Spielzeit. Ich glaube zwar nicht ganz an die kolportierten 100+ Stunden, aber will man alles entdecken und sämtliche Aufträge über die Bühne bringen, werdens schon 60+ sein. Und hier liegt wohl leider auch der Knackpunkt des Spiels. Wenige werden die Zeit aufbringen, wirklich alles zu erforschen und die Minispielchen ausgieben nutzen. Wem also Fallout oder Fable zu lange war, wird hier nicht glücklich werden.
Gäbe es einen Rebell.at Award dann würde ich hier einen verteilen – gleich den Goldenen bitte. So bleibt mir nur die Kaufempfehlung.
Nachwort: wiederum gibt es einen Multiplayer, den ich nicht angesprochen habe, da nicht wirklich genutzt. Wer Erfahrungen damit hat, bitte gerne kommentieren. Allerdings finde ich die Mehrspielermodi sehr einfallsreich, vielleicht schaffe ich doch noch die ein oder andere Stunde damit.