Um diese Frage adäquat beantworten zu können, haben wir uns Hilfe geholt: Christopher Kellner von dtp beschreibt im Detail, was geschieht, bevor ein Spiel in die Läden kommt – vom ersten Kontakt mit den Entwicklern bis hin zum Release.
Publisher und Entwickler
Entwickler sind Maler, Publisher sind Galeristen. Entwickler sind Schriftsteller, Publisher Verlage. Entwickler sind Regisseure, Publisher Filmproduktionsfirmen – so oder so ähnlich lässt sich das Verhältnis zwischen Entwicklern und Publishern beschreiben. Das Mit- und auch oft Gegeneinander der beiden Gruppen bestimmt die Gamesindustrie – und neue Spiele wären ohne es nicht denkbar. Doch wie funktioniert eigentlich die Zusammenarbeit zwischen Publisher und Entwickler?
Der Kontakt
Der Kontakt zwischen Entwickler und Publisher kommt auf ganz unterschiedliche Weise zustande. Oftmals treten Entwickler mit ihrem Projekt an den Publisher heran und bieten es ihm zur Veröffentlichung an. Sie schicken entweder ein Evaluationskit per Post oder schreiben eine Mail, in der sie sich und das Projekt kurz vorstellen, eventuell ein Designdokument anhängen oder einen Link zu ihrer Homepage liefern, auf der das Spiel dann vorgestellt wird.
Auf Messen wie der GC in Leipzig oder der E3 in Los Angeles treffen sich Entwickler und Publisher zur Kontaktpflege und um neue Produkte vorzustellen. Dort sind auch Scouts der Publisher unterwegs, die auf den Ständen von Entwicklern oder anderen Publishern nach neuen Spielen forschen, die für ihre Firma interessant sein könnten. Findige Entwickler kündigen ihr Projekt mit ersten, gut aussehenden Screenshots in der Presse an und ziehen so die Aufmerksamkeit mehrerer Publisher auf sich – handelt es sich um ein wirklich interessantes Projekt, haben sie bald Mails im Postfach.
Die Evaluation
Ein schwieriges Wort, aber es beschreibt den sehr interessanten und spannenden Prozess beim Publisher, in dem neue Spiele angeschaut und eingeschätzt werden. Wieviel es beim ersten Kontakt von einem Spiel schon zu sehen gibt, ist oft sehr unterschiedlich. Ohne ein stimmiges Designkonzept, in dem alle wichtigen Features, Story und Gameplay aufgezeigt werden, geht aber gar nichts. Ein Entwickler kann also nicht einfach auf einen Publisher zutreten und sagen „Ich plane ein tolles Spiel, finanziert mich“ – er muss im Vorfeld bereits viel Arbeit in ein Exposé stecken. Idealerweise hat er auch schon einen Prototypen des Spiels entwickelt, der einen ersten Eindruck vermittelt oder einen Trailer dabei, der einen guten Blick auf das Spiel bietet. Jedes Projekt bedeutet auch für den Publisher ein Risiko, weshalb diese schon einen möglichst genauen Blick auf das werfen wollen, was sie da unterzeichnen sollen.
Manchmal unterschreiben Publisher auch Spiele, von denen sie ganz genau wissen, dass sie keine guten Wertungen bekommen werden – aber sich vielleicht dennoch gut verkaufen. Denn die Verkaufszahlen hängen nur zu einem Teil von den Wertungen der Fachpresse ab. In einigen Fällen übernehmen Publisher auch aus strategischen Gründen ein Spielprojekt, auch wenn sie wissen, dass sie damit wahrscheinlich kein Geld verdienen werden. Sie wollen sich damit die Zusammenarbeit mit einem vielversprechenden Entwicklerteam oder anderen Publishern sichern.
In die Entscheidung fließen die Erfahrung des Publishers mit eigenen oder Konkurrenzprodukten ein. Haben sich ähnliche Spiele in der Vergangenheit gut verkauft, greift der Publisher eher zu. Aber auch der Zeitpunkt, zu dem das Spiel erscheinen soll, spielt eine Rolle – es macht beispielsweise keinen Sinn, ein noch unbekanntes Projekt im Vorweihnachtsgeschäft zu veröffentlichen, da es zu dieser Zeit meistens mit mehreren großen und bekannten Titeln konkurrieren muss.
Die PR & Marketingabteilung gibt zudem eine Einschätzung, wie viel Presse für dieses Spiel zu bekommen ist und welche Wertungen es wahrscheinlich bekommt. Oft lässt sich das zu einem frühen Zeitpunkt noch nicht sagen – der Grund für Verschiebungen und das totale „Entgleisen“ von vorher viel versprechenden Spielen.
Natürlich kann sich ein Spiel immer zu einem Flopp entwickeln. In den Foren und in der Presse wird oft ein Spiel als „Hit“ bezeichnet, das gute Wertungen bekommen hat. Leider ist es aber nicht so, dass sich gut bewertete Spiele automatisch auch gut verkaufen. Wenn ein Publisher ein Spiel unterschreibt, dann geht er natürlich davon aus, dass es kein Flopp wird – und versucht, dem mit möglichst gutem Marketing, PR, einer exzellenten Betreuung im Produktmanagement und einer starken Vertriebsleistung entgegenzuwirken.
Nach dem Vertragsabschluss
Nach oft langwierigen und zähen Verhandlungen einigen sich Entwickler und Publisher schließlich auf die Konditionen, die in einem Vertrag festgehalten werden. Bei der Bezahlung handelt es sich entweder um einen festen Betrag, mit dem die Entwicklung und das Gehalt der Entwickler finanziert wird, oder eine Lizenzgarantiesumme und Lizenzen.
Nach dem Abschluss machen sich die Entwickler an die Arbeit. Der Publisher hält dabei engen Kontakt zum Team. Vor allem wenn er die Entwicklung komplett finanziert, denn dann hat er auch ein Mitspracherecht bei der Entwicklung und kann das Projekt in die von ihm gewünschten Bahnen lenken.
Die Produkt- und Marketingmanager bei den Publishern haben oft eher ein Gespür für die Anforderungen und Wünsche der Spieler als die Entwickler, da sie vermarktungsorientiert und weniger künstlerisch denken. Darunter leidet mitunter die Innovativität der Spiele, sie werden aber oft komfortabler und „runder“ zu spielen.
Wenn der Publisher nur als Lizenznehmer und relativ spät in das Projekt eingestiegen ist (also nicht als Hauptfinancier auftritt), hat er auch nur wenig Einfluss auf die Entwicklung und muss schlucken, was ihm die Entwickler schicken. Ratschläge kann er natürlich erteilen, es liegt dann aber im Ermessen des Entwicklers, sie zu befolgen.
Die PR & Marketing-Abteilung erhält im Idealfall regelmäßig neues Material, um das Spiel in der Presse anzukündigen und zu promoten. Der Publisher kümmert sich in den meisten Fällen auch um die Sprachausgabe, wählt die Sprecher aus und geht mit ihnen ins Studio. Danach schickt er die Sprachfiles zurück an die Entwickler, die diese ins Spiel einbauen.
Hat der Publisher die weltweiten Rechte an einem Spiel erworben – was der Fall ist, wenn er das Projekt komplett finanziert – wird er es in allen Staaten veröffentlichen, in denen sich das lohnt – beispielsweise gibt es in Afrika aus verständlichen Gründen kaum Märkte für Computerspiele.
Im Falle eines Publisher wie dtp, der keine Filialen in anderen Ländern hat, ist er auf Partner im Ausland angewiesen, die das Produkt von ihm unter Lizenz in ihren Ländern veröffentlichen. Der Publisher kann dadurch einen großen Teil seiner Ausgaben wieder hereinholen und sein eigenes Risiko enorm drücken.
Der Release
Das Geheimnis des Releasedatums ist eigentlich ganz profan: Ein Spiel erscheint meist kurz nachdem es fertiggestellt wurde. Leider nur allzu oft auch schon vorher. Der Grund dafür ist ein ganzer Strauß an Problemen, die beim Releasedatum beachtet werden müssen. Der Zeitpunkt kann eine entscheidende Rolle für den Erfolg oder Misserfolg spielen. Im Weihnachtsgeschäft gehen oft auch gute, aber wenig bekannte Spiele unter und enden als Flopps, während sie in der releasearmen Zeit im Frühjahr durchaus zu ordentlichen Hits hätten werden können.
Auch das Konkurrenzumfeld muss bedacht werden: Erscheint gleichzeitig ein stärkerer Konkurrenztitel, ist es wenig ratsam, ein Spiel zu diesem Zeitpunkt zu veröffentlichen, da nur die wenigsten Käufer es sich leisten können, zwei Spiele fast zum gleichen Zeitpunkt zu kaufen.
Wann ein Spiel veröffentlicht wird, hängt schließlich auch mit den komplizierten finanziellen Gegebenheiten des Publishers zusammen; der Umsatz eines Quartals muss stimmen etc. Wenn bereits teure Werbemaßnahmen für einen bestimmten Zeitpunkt eingestreut wurden, kann eine Verschiebung oft fatal sein – weshalb viele Spiele veröffentlicht werden, ohne dass sie nochmal eingehend geprüft wurden. Wir bei dtp bemühen uns, ein Spiel so gut wie möglich zu testen und fehlerfrei auf den Markt zu bringen.
Entwickler und Publisher – leichte Zusammenarbeit oder zähes Ringen?
Das Klischee vom ausbeuterischen, nur am Profit interessierten Publisher und den armen, in ihrer künstlerischen Kreativität verhinderten Entwicklern ist übertrieben. In den meisten Fällen arbeiten Entwickler und Publisher reibungslos zusammen. Jedes Klischee hat aber seinen Ursprung und auch dieses kommt nicht von ungefähr. Denn tatsächlich regiert in der Computerspielebranche das Geld und nicht die künstlerische Freiheit. Anders als bei einem unbekannten und wenig verkaufsträchtigen Roman verlieren alle Beteiligten bei schlechten Verkaufszahlen sehr viel Geld; Flopps haben schon so manchen Publisher und Entwickler in den Ruin getrieben.
Während viele Entwickler gerne ihre eigenen, mehr oder weniger innovativen Ideen verwirklichen würden, wollen Publisher sichere Einnahmequellen. Da die Computerspieler-Gemeinde zumindest in Deutschland sehr innovationsfeindlich ist, bergen innovative Spiele ein enormes Risiko. Diese harten wirtschaftlichen Realitäten zu akzeptieren, ist für ambitionierte Entwickler oft schwer. Wünschenswert wäre hier sicherlich eine Balance zwischen Innovation und Sicherheit, die aber nur selten erreicht wird.
Sobald in dem komplexen und störungsanfälligen Prozess der Entwicklung eines Spiels etwas schief läuft, versucht jede Seite, möglichst der anderen die Schuld zuzuschieben. Dabei gibt es in beiden Lagern schwarze Schafe – Publisher, die Entwickler nicht bezahlen ebenso wie Entwickler, die das Geld des Publishers irgendwohin investieren, nur nicht in ein gutes Spiel, oder ganz einfach lange Zeit verheimlichen, dass sie sich mit dem Projekt verhoben haben.
Am besten funktioniert die Zusammenarbeit, wenn der Publisher mit dem Entwickler identisch ist, bzw. das Entwicklungsteam ein fester Bestandteil des Publishers. Doch nur wenige Publisher verfügen über die dazu erforderlichen finanziellen Mittel. So bleibt das Miteinander von Publishern und Entwicklern ein Tauziehen, bei dem beide Seiten nicht ohne die andere auskommen. Im Idealfall verdienen beide Geld an der Arbeit des anderen – und können weiter geniale Spiele machen.