Schon im Frühling dieses Jahres habe ich über die Modding-Szene geschrieben; was die Entwickler vorantreibt, sie motiviert, was sie zurückwirft, wo Stolperfallen liegen können. Damals sprach ich mit Stephan, Projektleiter der ‚X-Isle‘-Mod für den Ego-Shooter ‚Far Cry‘, der seinerzeit noch guter Dinge war: Er hatte ein starkes Team, bereits eine erste Version der Mod veröffentlicht, die Unterstützung von Seiten der Entwickler war gegeben. Doch heute, rund ein halbes Jahr später, ist ‚X-Isle‘ so gut wie tot: Unter der offiziellen Website verbirgt sich seit Monaten nur noch ein kleines, kaum besuchtes Forum – trotz einiger neuer Screenshots glaubt kaum noch einer, dass aus ‚X-Isle‘ jemals das werden wird, was ursprünglich geplant war. Sofern denn überhaupt noch eine neue Version erscheint.
Untergang der Mods
Doch mit dem Problem stehen die ‚X-Isle‘-Entwickler nicht alleine da: Weltweit und spieleübergreifend gibt es nicht mehr die große Bewegung in der Modding-Szene, welche sie vor allem in der ‚Half-Life‘-Ära auszeichnete. Namen wie ‚Counter-Strike‘, ‚Day of Defeat‘ oder ‚Strike Force‘ sind jedem Spieler ein Begriff – nicht zuletzt, weil sie noch heute ausgiebig gespielt werden. Doch wer kennt schon ‚Fortress Forever‘, ‚Infection‘, ‚SAS‘ oder ‚Classic Doom‘? Selbst über ein Jahr nach dem Release von ‚Half-Life 2‘, ‚Doom 3‘ und ‚Unreal Tournament 2004‘ gibt es kaum Projekte, die das Prädikat „viel versprechend“, „neuartig“ oder „massentauglich“ verdienen würden. Ein paar Modifikationen an ‚Capture the Flag‘ hier, kleine Veränderungen an den Waffen da, bestenfalls ein ‚Counter-Strike‘-Klon: Ist das alles, was man heute noch erwarten kann?
Zu großer Aufwand
Die Modding-Szene tritt auf der Stelle und nicht zuletzt liegt das an den immer komplexer werdenden Spielen: Man vergleiche nur einmal die Grafik von ‚Half-Life‘ mit dem Detailgrad eines ‚Far Cry‘, um zu verstehen, wie sehr sich der Aufwand bei der Entwicklung vergrößert hat. Nicht umsonst arbeiten dutzende oder gar hunderte Entwickler an einem kommerziellen Spiel und greifen auf Millionenbudgets zurück. Wie soll eine kleine Gruppe, die in der Regel überwiegend aus Schülern und Studenten besteht, da noch mithalten können?
UT 2007 will alles besser machen…
Mit Bangen werfen viele Freizeitentwickler allerdings auch einen Blick in die Zukunft: Was bisher von Spielen wie ‚Unreal Tournament 2007‘ gezeigt wurde, lässt erahnen, dass Mods es nie wieder mit „richtigen“ Spielen aufnehmen können werden. Mark Rein, Vizepräsident von Epic Games, sieht das jedoch anders. Von uns auf die Probleme der Mod-Entwickler angesprochen, sagte der maßgeblich für die ‚Unreal‘-Engine verantwortliche Rein: „Ich denke, wir werden die Situation für Mod-Entwickler sogar verbessern. Mit ‚Unreal Tournament 2007‘ liefern wir die ‚Unreal Engine 3 Tools‘, welche die Produktivität gegenüber vergangenen Generationen verbessern werden und Mod-Entwicklern die Möglichkeit einräumen, Dinge zu tun, die die sie niemals zuvor machen konnten.“
…aber wird auch nicht weniger aufwendig sein
Mark zählt uns die Vorzüge der neuen Tools auf, die vor allem für Singleplayer-Mods interessant sind, gesteht dann aber ein: „Ja, die Leute werden mehr Zeit benötigen, um Models zu entwerfen und zu texturieren, die es mit den besten Next-Gen-Spielen aufnehmen können. Aber es gibt viele gute Grafiker, die eine großartige Arbeit machen können, wenn man ihnen deutlich höhere Polygonlimits einräumt.“ Ganz ähnlich hat er vor Jahren auch über die ‚Unreal Engine 2‘ gesprochen.
Bemühungen um Mods
Die Schuld ist allerdings nicht bei den Entwicklern zu suchen: Vor allem Epic Games, Valve und Crytek bemühen sich um die Modding-Community, versuchen mit immer besseren Tools und umfangreichen Hilfestellungen, den Entwicklern unter die Arme zu greifen. Verständlich, sind es doch gerade die Mods, welche ein Spiel über Jahre hinweg am Leben erhalten. Das beste Beispiel dafür ist einmal mehr ‚Half-Life‘, das 1998 erschienen und technisch inzwischen vollkommen veraltet ist – aber dank seiner zahlreichen Mods immer noch mehr gespielt wird als so mancher aktueller Shooter.
Geld statt Ruhm
Der Erfolg von ‚Half-Life‘ und seiner Mods hatte jedoch nicht nur positive Seiten: Der Mod-Boom, um es so zu formulieren, hat die Szene verändert und auch die Intention der Entwickler. Freute man sich früher darüber, überhaupt eine Mod zu entwickeln und später ein wenig im Internet zu verteilen, stecken sich viele in der Modding-Szene heutzutage höhere Ziele. So ein Hit wie ‚Counter-Strike‘ oder zumindest ‚Day of Defeat‘ sollte es schon werden und am besten wäre natürlich auch gleich noch ein Publishing-Deal, um ordentlich Geld in die leeren Kassen zu spülen. Das hat auch Rein erkannt: „Da die digitale Distribution immer praktikabler wird, glaube ich, dass man auch Mods sehen wird, die sich finanziell rentieren.“
Die Stärke von Counter-Strike
Gerade das ist es aber nicht, was den Erfolg von Mods ausmachte: Ein von Beginn an kommerzielles ‚Counter-Strike‘ hätte nie den Erfolg gehabt, von dem es noch heute zehrt. Das Spiel wuchs mit der Community, die Entwickler hörten auf die Verbesserungsvorschläge der Spieler und die regelmäßigen, umfangreichen Updates sorgten dafür, dass der Mod nicht die Luft ausging. Abendfüllend konnte man seinerzeit über neue Waffen, Veränderungen an bestehenden Maps oder sogar neue Spielmodi diskutieren. Das ‚Counter-Strike‘, das Entwickler ‚Cliffe‘ und ‚Gooseman‘, anfangs im Sinn hatten, war ein ganz anderes, als es später durch die Wünsche und Ideen der Spieler wurde. Aber ein Spiel, für das man bezahlt, gestaltet man nicht mit.
Ein Blick in die Kristallkugel
Steht die Modding-Szene also vor dem großen Crash? Nein, denn den hat sie eigentlich schon hinter sich: ‚Half-Life‘, ‚Unreal Tournament‘ und ‚Quake 3 Arena‘ waren der Höhepunkt des kreativen Schaffens, ihre Nachfolger in dieser Hinsicht bislang eine Enttäuschung. Bedeutet das, dass Mods in Zukunft viel simpler gestrickt sein werden? Sofern Epic, id, Valve & Co. nicht noch grandiose Ideen einfallen, wie sie den Mod-Entwicklern Arbeit abnehmen können, dann schon. Vor allem in Sachen Grafik werden Mods höchstens ganz selten mit kommerziellen Entwicklungen mithalten können. Aber wer weiß – vielleicht besinnt sich die Szene ja gerade dann und deshalb wieder ihrer einstigen Stärken.