Moneten, Hypes und Konsolen

Sie ist der Hype des Jahres. Die Xbox 360. Der weiße Plastikklotz aus dem Hause Microsoft erscheint dieser Tage, und passend dazu brennt Redmond ein Marketingfeuerwerk ab, wie ich es selten erlebt habe. Und alle Welt springt darauf an. Erst vorgestern hab ich auf einer Spieleseite nicht weniger als drei Meldungen zur Konsole innerhalb von wenigen Minuten erblicken müssen. Bei aller Begeisterung, die ich den Fans gern lassen will, ein kleiner Blick hinter den Hype schadet nicht.

Hobbits oder: Im Westen nichts Neues

Es war der 12. Mai (hierzulande zeitversetzt der 13. Mai) zur Hauptsendezeit, als Microsoft auf MTV 30 Minuten Sendezeit bekam, um die Xbox 360 vorzustellen. 30 Minuten Werbung, der die Spielewelt gebannt folgte. 30 Minuten, in denen wir Elijah Wood aus allen Perspektiven zu sehen bekamen, in denen 8 Minuten ‚The Killers‚ vor einem Live-Publikum spielten, 30 Minuten die von etwa 9 weiteren Minuten herkömmlicher Werbung unterbrochen wurden. Im Endeffekt waren das 30 Minuten in denen man vielleicht "next to nothing", auf jeden Fall aber zu wenig von "Next Generation" zu sehen bekam. Eine teure Werbesendung – nicht sehr informativ aber für manche von uns wenigstens unterhaltsam.

Es folgte die E3. Und mit ihr die Hardwarespezifikationen. Das bis dahin als Systemseller antizipierte Perfekt Dark Zero (Rare) war nicht einmal spielbar. Ebensowenig die anderen Spiele. <a href="http://xbox.ign.com/articles/619/619471p2.html" target="_blank">Die Fachpresse schimpfte</a>. Ein Hobbit durfte bereits spielen, die Profis aber nicht. Eine E3 war sechs Monate vor dem Launch einer Konsole vorbei, und tatsächlich wusste man mehr über Gimmicks, Hardware und Microsoft’s Ambitionen, aber nur so wenig über das Wesentliche: die Spiele.

Mächtiger Start ohne Kraft?

Das änderte sich in den Folgemonaten und beim Release werden sich in Deutschland 14 Spiele in die Regale drängen. In den USA sind es 15. Condemned, einen blutigen Shooter von SEGA, will Microsoft <a href="http://www.golem.de/0511/41433.html" target="_blank">hier nicht haben</a>, da die USK ihm eine Jugendfreigabe verwehrte. Microsoft will wohl einen Imageverlust in unserem "gewaltverpönenden" Nachbarland verhindern. Erwachsene Spieler werden das wohl eher mit Unmut aufnehmen.

Die restlichen Spiele sind durchwegs gut, der wahre Hit fehlt aber. "Das mächtigste Lineup der Spielegeschichte" wird versprochen, in Wahrheit sind viele Betrachter enttäuscht. Sechs Spiele erscheinen auch auf anderen Plattformen (Tony Hawks, Call of Duty 2, GUN, King Kong, Quake 4, NfS: Most Wanted,) von den acht exklusiven Titeln sind nur wenige wirklich interessant, geschweige denn speziell. Sportspiele (Tiger Woods 2006, Madden NFL 06, NBA Live 06, FIFA 06: Road to FIFA WC, Amped 3) und Rennspiele (Project Gotham Racing 3) beherrschend das Geschehen. Diese Spiele mögen gut sein, jede andere Plattform bietet ähnliche aber auch an, teilweise sogar in spielerisch besserer Qualität.

Was schlussendlich an tatsächlich interessantem Material übrig bleibt ist – in einem Wort – "Rare". Der vor 3 Jahren "eingekaufte" Entwickler stellt mit Kameo (durchschnittliche Wertung laut Gamestats.com: 76/100) und Perfekt Dark Zero (88/100) die Rettung dar. Mächtig ist für mich etwas anderes.

Marketinggags und Kaufhaus-Schlägereien

Vorrangig raufen Rennspiele und Sporttitel von EA sich also um das verdammt kleine Startpublikum. 3 Millionen Stück werden weltweit am ersten Verkaufstag bereit stehen, so die Versprechungen. In der Tat bedeutet das, dass im 83 Millionen Einwohner-Staat Deutschland schlussendlich bei großzügigen Schätzungen von nur 75.000 bis 100.000 Stück gesprochen wird. Wie realistisch das ist, kann man sich ausmalen, wenn man bedenkt, dass ganz Europa 300.000 Einheiten bekommt, Großbritannien der wichtigste Konsolenmarkt ist und Deutschland nicht so deutlich vor anderen Absatzregionen liegt, dass dort wirklich etwa ein Drittel der europäischen Exemplare hingeliefert werden würden. Skeptiker wie ich vermuten hinter den kleinen Zahlen nicht etwa Produktionsengpässe, sondern pure Kalkulation. Es ist wohl ein alter Marketingtrick, den zuletzt auch Sony bei der PSP-Einführung verwendet hat. Das Angebot wird kleiner als die Nachfrage gehalten, ein medienwirksames Gerangel um die verfügbaren Exemplare ist so vorprogrammiert.

Besonders hart trifft die Stückzahl kleine Spielehändler, die mit winzigsten Mengen abgespeißt werden. Die meisten Exemplare gehen an die großen Ketten wie Media Markt und Saturn, aber auch die können die Nachfrage kaum erfüllen. Da viele Märkte keine Vorbestellungen annehmen, wird man sich wohl sputen müssen, um am Releasetage an ein Gerät zu kommen. In den USA führte das zu Überfällen und einer kleinen Hysterie. Hierzulande zu besorgten potentiellen Erstkäufern.

Wer unbedingt ab 2. Dezember in der Liga der neuen Konsolengeneration mitspielen will, muss ganz schön tief in die Tasche greifen. Eine Ausgabe der Xbox 360 kostet 400€ (ohne dringend ratsame 20 GB Festplatte 300€). Wer auf die Festplatte verzichtet braucht Memory Cards. Eine mit 64 Megabyte kostet 35€. Wer volle Qualität haben will, braucht einen HD-fähigen Fernseher. Einen solchen habe ich in brauchbarer Form bisher noch nicht unter 1000€ erblickt. Das Kabel, mit dem man die Xbox 360 (Core Version) dann auch an den HDTV anschließen kann, kostet 30€, Spiele gibt es um 60€, jeder zusätzliche Controller geht für 45€ über den Ladentisch.

Keine billige Angelegenheit, aber das sind wir Spieler ja mittlerweile gewohnt. Paris Hilton kann sich das natürlich leisten und hat sich auf einer Hollywood-Launch Party auch medienwirksam eine Konsole geholt. Dass die Ärmste vielleicht gar nicht so freiwillig kommt, <a href="http://www.chicagoredstreak.com/entertainment/mid-news-midparty21.html" target="_blank">sondern für 20-minütige Promo-Auftritte runde 200.000 Dollar bekommt</a>, hat dazu aber niemand gesagt. Hauptsache, wir können mit dem selben Gerät spielen wie die hippen Promis, oder?

Wie PGR3 aussieht, wenn man "arm" ist

Zurück zur Technik: Wer keinen HDTV hat, muss möglicherweise auch ganz schnell wieder von der grandiosen Optik, die er von offiziellen Screenshots und Videos kennt, Abschied nehmen. Erschreckende Bilder von Project Gotham Racing 3, bei denen man sich fragt, wann das Spiel denn für die Dreamcast erschienen ist, findet man <a href="http://www.jeux-france.com/news13305_project-gotham-racing-3-en-images.html" target="_blank">hier</a> (und einen unten rechts). Wie der Unterschied bei anderen Spielen ausfällt, ist mangels zuverlässiger Quellen momentan nicht abzuschätzen. Im Großen und Ganzen sollte er dann aber doch (hoffentlich) geringer sein. Solche Bilder verbreitet der Hersteller natürlich trotzdem eher selten (sprich: gar nicht). Schließlich hat doch eh jeder Spieler ein tausende Euro teures Fernsehsystem daheim, oder?

Völlig versagt hat in diesem Punkt die Presse: Seit einer Woche ist die Xbox 360 in den USA auf dem Markt. Bilder von Spielen ohne die teuren HD-Geräte findet man im Netz abgesehen von den oben verlinkten aber keine. Microsoft’s Marketingstrategie wird auf diese Weise "widerstandslos" mitgetragen. Nicht wenige Käufer dürften beim ersten Anspielen auf einem stinknormalen Fernseher blöd in die Röhre gucken.

Fazit eines Außenstehenden

Man kann Microsoft nicht übel nehmen, dass sie es geschafft haben einen massiven Hype rund um die Xbox 360 zu produzieren. Im Gegenteil. Man muss dem Branchenriesen sogar gratulieren. Dieser Bericht ist auch nicht so zu verstehen, dass ich ein feindlich gesinnter Schreiber des Geräts bin. Meine Güte! Ich bin seit über 15 Jahren Computerspieler… Natürlich hätte ich gern eine solche Grafikschleuder! Tatsache ist aber auch, dass nicht alles Gold ist, was glänzt. Kurz vor dem Release, musste ich einige Punkte einfach nochmal in Erinnerung rufen, denn die derzeitige übertriebene Aufregung ist einfach unerträglich.
<ul><li><a href="http://forum.rebell.at/viewtopic.php?t=3653" target="_blank">Dem Autor gehört die Fresse poliert? Oder hat er Recht? Im Forum wartet das Rebell-Team auf euer Feedback (keine Registrierung erforderlich).</a></li></ul>

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