Ein Blick auf die Releaselisten offenbart nicht erst seit ein paar Monaten nur noch wenige neue Namen: ‚Age of Empires 3‘, ‚Dead or Alive 4‘, ‚Mario Party 7‘. Stattdessen häufen sich altbekante Titel, deren einzige Veränderung die immer höher werdende Numerierung ist – oder alternativ der Untertitel, damit man das Alter der Reihe nicht direkt erkennt. Machen es sich die Entwickler zu einfach? Wieviele Sequels verträgt ein Spiel, bevor es ausgelutscht ist? Oder bringt der Fortsetzungswahn dem gelangweilten Spieler sogar ungeahnte Vorteile?
Die Erschaffung einer Marke
Immer mehr Publisher setzen auf Sequels gut laufender Spiele. Die Versuchung ist groß, schließlich hat das viele Vorteile: Das Spielprinzip ist bereits festgelegt, die Story muss lediglich vorangetrieben werden und die Grafik bekommt ein paar frische Akzente. Und das Beste: Eine große Fangemeinde potentieller Käufer ist durch den Vorgänger schon vorhanden. Spätestens nach der zweiten erfolgreichen Fortsetzung ist eine Marke erschaffen, deren Erfolg so gut wie gesichert ist.
Titel wie ‚Need for Speed‘ oder ‚Splinter Cell‘ sind fast jedem Spieler ein Begriff. Wer sich ein Spiel mit dem Titel ‚Need for Speed‘ kauft, möchte erstklassige Rennen fahren, sein Tuning-Können unter Beweis stellen und den Geschwindigkeitsrausch der Vorgänger wiedererleben. Wer sich an ‚Splinter Cell‘ wagt, will nichts anderes vorfinden, als die schemenhafte Gestalt Sam Fishers, die auf dem Weg zum perfekten Schuss in einer dunklen Ecke hängt oder sich geschmeidig wie eine Schlange durch hinterlistige Laserschranken windet. Das Risiko, einen Flopp zu landen, ist bei solchen Marken also wesentlich niedriger als bei einem völlig neuen Spiel, das noch niemand kennt.
Das Risiko des Neuen
Doch obwohl den Sequels der Ruf als Erfolgsgarant zugeschrieben wird, kann eine solche Investition auch schnell nach hinten losgehen. Beispiele wie ‚Hitman: Contracts‘ oder ‚Baphomet’s Fluch 3‘ zeigen, wie schmal der Grat zwischen guter Fortsetzung und verprellten Fans ist. Zum einen verlangt die Spielerschaft zahlreiche Neuerungen, damit sich der Kauf des Sequels auch wirklich lohnt, denn keiner möchte über 50 Euro ausgeben und dafür nichts Neues geboten bekommen. Zum anderen aber wollen die Fans die Atmosphäre des vorangegangenen Teils vorfinden und erneut das spüren, was sie zuvor schon so daran gefesselt hat.
Geradezu ein Aufschrei ging durch die Community des Rollenspiels ‚Gothic‘, als Gerüchte über gleich fünf neue Titel der Serie die Runde machten, die Publisher JoWooD auf die Liste seiner guten Vorsätze für die nahe Zukunft gesetzt hat. Die Fans fürchteten zu Recht eine Ausschlachtung des Titels, die wohl unweigerlich auf Kosten des Inhalts gehen würde. Gleichzeitig jedoch war auch eine gewisse Neugier vorhanden. Die Aussicht auf mehr ist doch sehr verlockend.
Alles für den Mainstream
Nur wenn Publisher und Entwickler alles richtig machen, kann ein Sequel also durchaus positiv zu einer Serie beitragen. Und auch wenn immer mehr Spiele den Anschein erwecken, nur schnell den Erfolg des Vorgängers weiterzuführen, bestätigen die Verkaufszahlen die Strategie der Publisher. Schon Monate vorher wird ‚Need for Speed: Most Wanted‘ von eifrigen Nachwuchsrasern in den Läden und Online-Shops vorbestellt, um das heißersehnte Sequel gleich am Erscheinungstag in Händen halten zu können. Und so wird ein Spiel auch gerne mal auf Kosten des Vorgängers dem allgemeinen Trend angepasst. Bereits wenige Wochen nach dem Release hatte sich das Actionspiel ‚Prince of Persia: Warrior Within‘ über 1,8 Millionen Mal verkauft und damit den Erfolg des Vorgängers weit übertroffen. Dass ‚Warrior Within‘ mit dem Vorgänger nur noch wenig gemein hatte, störte zwar die wenigen Fans, Publisher Ubisoft und die Mehrzahl der Kunden aber offenbar nicht.
Auf der anderen Seite schaffen millionenfach verkaufte Reihen aber natürlich auch den Raum für Neues: Ein gutes Beispiel hierfür ist vielleicht ‚Spore‘. Das innovative Strategiespiel von ‚Sims‘-Erfinder Will Wright soll den Spieler an der Evolution hautnah teilhaben lassen; von dem Kampf einer Amöbe bis hin zur Beherrschung einer ganzen Galaxie.
Ein derartig mutiges Vorhaben würde Publisher Electronic Arts wohl nicht unterstützen, wenn er nicht verkauftsstarke Serien wie ‚Need for Speed‘ oder ‚FIFA‘ im Rücken hätte – und wenn Will Wright nicht schon mit dem ebenfalls mutigen ‚Die Sims‘ seine Genialität unter Beweis gestellt hätte.
Selbst wenn ‚Spore‘ bei den Spielern nicht ankommen sollte, hat EA genug andere Stützen um den Verlust aufzufangen. Für viele kleinere Publisher könnte ein Flopp dieser Dimensionen das Aus bedeuten, weshalb das Risiko den meisten zu groß ist und sie die Unterstützung neuer Spielversuche gar nicht erst in Betracht ziehen. Majesco, die in Nordamerika „etwas andere“ Titel wie ‚Psychonauts‘ und ‚Advent Rising‘ veröffentlichten, mussten das vor kurzem erst am eigenen Leibe erfahren.
Die Macht der Spieler
Es liegt an den Spielern, etwas zu ändern, wenn sie mit der Situation unzufrieden sind. Ihre Kaufentscheidung bestimmt, ob auch mal anderen Titeln eine Chance gegeben wird oder ob wir auch in den nächsten Jahren nur Spiele mit Zahlen in den Verkaufscharts sehen. So lange sich Sequels so gut verkaufen lassen, wird es immer wieder Neuauflagen verkaufsstarker Spiele geben. Das mag ein paar Mal gut gehen, doch irgendwann ist auch die beste Story zu Ende erzählt. Und wie heißt es so schön? Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.