Locker bleiben, Zeit nehmen und beobachten

Mittwoch, 22:42 Uhr, ein kurzer Blick auf meine Lieblingswebseite *hust* Rebell.at verrät mir, dass mein lieber <s>Sklaventreiber</s> Chefredakteur seinen kritischen Feldzug gegen den Hype um Microsofts neue „Wunderkonsole“ nun auch auf sein kleines Baby ausweitet. Dabei stellt sich für mich die Frage, was denn besonders „neu“, „auffällig“ oder sogar „nervtötend“ an Microsofts Launch-Prozedere bezüglich deren Xbox 360 ist? Um genau zu sein: nichts.

Vergleichen wir hierfür einfach einmal das Marketingfeuerwerk des japanischen Elektroriesen Sony als diese vor gut fünf Jahren ihre Playstation 2 mit jeder nur erdenklichen Macht in den Markt drücken wollten. Jeder, der nur irgendwie über Videospiele berichtete und sich deshalb damit brüstete eine ganz junge und enorm wichtige Zielgruppe zu bedienen, schrieb damals jeden nur erdenklich Kram über Sonys neue „Wunderkonsole“. Ob man sich nun über den <a href="http://www.spiegel.de/netzwelt/netzkultur/0,1518,104121,00.html" target="_blank">ungewöhnlichen Transport</a> der „neuen Generation der Videospiele“ ausließ oder begeistert feststellte, dass <a href="http://www.sueddeutsche.de/computer/artikel/547/8539/" target="_blank">„selbst feinste Lichtreflexe genau zu erkennen [sind]“</a>, überall war man sich einig, dass mit Sonys neuer Konsole <a href="http://www.sueddeutsche.de/computer/artikel/547/8539/" target="_blank">„nichts mehr so sein [wird] wie es einmal war“</a>.

Damals wie heute taktierte man schon, mehr oder weniger offensichtlich, mit Lieferengpässen. So gab es vom Start weg in Deutschland nur 120.000 Konsolen, davon effektiv zu Kaufen sogar nur 90.000 Stück, denn 30.000 willige Käufer hatten bei Sony bereits direkt vorbestellt. Man sprach bei der Welt in diesem Fall sogar vom <a href="http://www.welt.de/data/2000/11/25/597483.html" target="_blank">„Spiele-Notstand made in Japan“</a>. Sony war damals jedes Mittel recht, um die Stimmung anzuheizen. Da gab es <a href="http://www.welt.de/data/2000/11/23/596951.html" target="_blank">eine glamouröse Eventveranstaltung</a> in Sonys ureigenstem Protztempel, dem Sony Center in Berlin, wo sich willig genauso wie eher unwillige Käufer von den Qualitäten der neuen Konsole überzeugen konnten.

Und was waren das für „Qualitäten“? HDTV, Antialaising? Damals noch unwichtig, heute für Microsoft die Zugpferde im Kampf um neue Kunden. Für die Playstation 2 musste es damals reichen, dass sie neben den eigentlichen Spielen auch DVDs und CDs wiedergeben konnte. Von Sony damals als das omnipotente Argument ins Feld geführt, griff dies jeder potentielle Käufer nur zu gerne auf, um damit den Kauf der rund 869 Mark teuren Konsole zu rechtfertigen. Da vergaßen sogar viele Spieler, dass Sony sein neues Flaggschiff in Übersee für rund 200 Mark weniger <a href="http://www.gaming-age.com/cgi-bin/specials/special.pl?spec=ps2launch4&pagenum=1" target="_blank">zum Preis von 299 USD quasi verramschte. </a>

Wenn es dann mal Kritik hagelte, <a href="http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,104718,00.html" target="_blank">dann höchsten an dem spärlichen Softwareangebot, das Sony am Einführungstag seiner Konsole aufbieten konnte.</a> Trotzdem schienen gerade die <a href="http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/meldung/8391" target="_blank">Ausverkauft-Meldungen aus Japan</a>, wo die Konsole übrigens schon 7 Monate vorher in der Verkaufsregalen stand, den Run auf das „neue Kapitel der Unterhaltungselektronik“ weiter anzufachen.

Aber was gab es damals wirklich zum Launch? Nicht besonders viel, zumindest wenn man das Softwarelager begutachtete. Ridge Racer V, Tekken Tag Tournament sowie das übliche Trio an EA-Sports-Spielen stellten damals noch die interessanteren Titel dar. Selbst Sony konnte bis auf das eher maue Fantavision (Feuerwekssimulation – nein, das ist kein Scherz) weder ein neues Metal Gear Solid noch das Zugpferd überhaupt, einen neuen Teil der Gran-Turismo-Serie, aufweisen. Klar, angekündigt war das alles, aber im Endeffekt gab es zum Tag X bis auf die oben beschriebenen Titel noch ein gutes Dutzend an (Fun-)Sport-/Action- und Racing-Titeln, <a href="http://gameswelt.de/konsolen/specials/ps2_special/page5.php" target="_blank">derer Existenz sich wohl nur die wenigstens unter euch überhaupt noch entsinnen können.</a>

Wen wundert es da noch, dass damals die ersten Käufer von den Launchtiteln enttäuscht waren. So wie Besux meint, dass PGR 3 ohne HDTV optisch nicht besonders wegweisend aussieht, so wurde damals vielen Spielern obgleich der Treppchenbildung von Tekken Tag Tournament und Ridge Racer V kotzübel. <a href="http://gameswelt.de/konsolen/specials/ps2_special/page2.php" target="_blank">Selbst aus dem Entwicklerlager wurde damals Proteste laut, die 4 MB VRAM der Playstation 2 würden nicht mehr zeitgemäß sein.</a> Segas Dreamcast verfügte zum selben Zeitpunkt übrigens schon über 8 MB VRAM und das, obwohl sie sich seit über einem Jahr am Markt platziert war. Trotz all dieser Unkenrufe <a href="http://www.heise.de/newsticker/result.xhtml?url=/newsticker/meldung/66794" target="_blank">verkaufte sich die Playstation 2 prächtig</a>, gerade wegen des enormen Hypes und Marketingdrucks seitens Sony.

Warum sollte man sich also über Microsofts Werbemethoden aufregen? Ohne Hype verkauft sich heutzutage eine Konsole einfach nicht mehr. Das musste Sega damals mit seiner Dreamcast schmerzlich erfahren und ich kann es Microsoft noch nicht einmal übel nehmen, dass sie ihre teuer entwickelte Konsole um jeden Preis am Markt etablieren wollen. Warum auch nicht? Jemand der eine Konsole zum Launchday kauft, dem sollte eh schon von vorneherein klar sein, dass eben noch nicht viel da ist, aber noch vieles kommen dürfte.

Die beste Methode einen Konsolen-Start zu meistern heißt sowieso immer noch „Abwarten und Tee trinken“. Schließlich musste selbst Sony von seinem hohen Ross und dem stolzen Preis von 879 Mark heruntersteigen als sich mit Microsofts Xbox und Nintendos GameCube gewaltige Konkurrenz am Videospielehimmel zusammen braute.

Anm. von Besux: Da ich natürlich nicht noch eine Gegenkolumne zu dieser hier abbrennen werde, nur ein paar kurze Worte:

Was ich nicht unerwähnt lassen kann, ist Folgendes: Ich hätte auch einst zum PS2-Launch mein Maul aufgerissen, aber Rebell.at war damals leider noch nicht online. Vor allem aber ist es meine persönliche Einstellung, dass man auch Dinge kritisieren darf und muss, die längst zur Gewohnheit geworden sind. Man darf <a href="http://www.rebell.at/?site=rfull&cnt=show_k&post_id=521" target="_blank">meine Kolumne vom 30.11.05</a> außerdem nicht als alleinigen Angriff gegen die Xbox 360 oder gegen Microsoft verstehen (was ich auch ausdrücklich erwähnt habe). Vielmehr sollte man zur Kenntnis nehmen, dass ich anhand eines aktuellen Beispiels auch die in der Spielebranche leider übliche Hypekultur angeprangert habe, weil sie hier besonders stark zu sehen war. Ich denke eine Auseinandersetzung mit der Hype-Problematik ist auf der Presseseite aber auch bei den Usern längst überfällig. Die überwiegend positiven Reaktionen auf meine Kolumne zeigen, dass die Leute – auch wenn sie vielleicht zum Teil anderer Meinung sind – doch froh sind, auch die Kehrseite einer Medaille zu kennen. Gerne möchte ich alle dazu einladen, sich in unserem Forum an der Diskussion zu beteiligen.

<ul><li><a href="http://forum.rebell.at/viewtopic.php?t=3653" target="_blank">Hier geht’s ab zur Forumsdiskussion (keine Registrierung erforderlich).</a></li></ul>

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