Alle Beiträge von Natalie Maertens

Zum Weinen diese Lacher

Lachen. Wir alle lachen gerne. Aber jemand anderen zum Lachen zu bringen, ist gar nicht so einfach. Vor allem Spiele tun sich so schwer damit, einfach nur lustig zu sein. Vielleicht, weil Comedy gerade nicht gefragt ist. Oder, weil die langweiligen Charaktere einfach nicht mehr hergeben. Der trockene Humor eins John McLane etwa, würde doch perfekt in ein Spiel wie Splinter Cell passen. Aber wenn Sam Fisher sich mal an einem Witz versucht, endet das meistens ziemlich peinlich; häufig mit dem Durchbrechen der vierten Wand. "Wir sind doch hier nicht in einem Videospiel!" Haha… ha… ha …

Wahrscheinlich ist der einzige Ausweg aus diesem Desaster, auf bekannte Charaktere zurückzugreifen. Auf Figuren, die man kennt, von denen man weiß, dass sie witzig sind. Sam & Max sind solche Charaktere – und bezeichnenderweise hat kein Spieldesigner sie erschaffen, sondern der Comiczeichner Steve Purcell. Dennoch sind sie jedem Adventure-Fan ein Begriff: Zum einen von dem Klassiker <bSam & Max: Hit the Road! aus dem Jahre 1993. Zum anderen von LucasArts Selbstverstümmelung aus dem Jahre 2004. Aber ich will euch nicht mit Historik langweilen, also kommen wir direkt zu Sam & Max: Culture Shock Das ist die erste Episode einer sechsteiligen Staffel von Sam & Max, die Telltale Games in dem nächsten halben Jahr für den PC veröffentlichen will.

Und diese erste Episode ist einfach nur zum Weinen – vor Lachen nämlich. Es gibt kein, ich möchte das betonen, kein Spiel in diesem Jahrtausend, das so unverkrampft lustig ist, einen Gag nach dem anderen zündet, wie Sam & Max: Culture Shock: Die Situationskomik. Die trockenen Sprüche von Sam. Die verrückten Ideen von Max. Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.

Das ist doch Käse!
Vielleicht so, wie auch das Spiel anfängt. Sam & Max bekommen zu Beginn der Folge einen Anruf von ihrem Commissioner, der ihnen einen neuen Fall anvertrauen will. Betonung auf „will“, denn eine Ratte, die es sich im Büro der Freelance Police gemütlich macht, hat das Telefon entführt. Zurückgeben will sie es nur im Tausch gegen Käse. Schweizer Käse wohl bemerkt, schließlich hat auch eine Ratte ihren Stolz. Max ist überzeugt, dass er vor kurzem Käse gekauft hat. Aber wo ist der nur abgeblieben?

Peinlich genau suche ich also den Hintergrund ab. Vielleicht befindet sich der Käse ja in einer Schublade des Schreibtisches oder gar im Mülleimer? Ich suche und suche, finde aber nicht. Bis mir schließlich in den Sinn kommt, die Tür zum Wandschrank zu öffnen – eigentlich viel zu offensichtlich für ein Versteck. Doch dahinter befindet sich tatsächlich der Käse, und zwar ein ganzer Stapel. Fehlen nur noch die Löcher. Aber wozu hat Sam denn seine Pistole? Na, also!

So schwungvoll, so lustig und so verrückt der Auftakt ist, so gestaltet sich auch der Rest des Spiels: Sam & Max müssen drei einstige Kinderstars zur Vernunft bringen, die sich wie Vandalen benehmen – offenbar unter dem Einfluss eines ehemaligen Konkurrenten stehend. Sie besuchen alte Bekannte wie Händler Bosco, treffen aber auch neue Charaktere wie die Psychotherapeutin Sybil. Die unterzieht Sam gleich mal einer kompletten Analyse – das beste, weil anspruchsvollste und abgefahrenste Rätsel des ganzen Spiels.

Kaufen!
Selbstredend strotzt Sam & Max: Culture Shock nur so vor Anspielungen. Auf einem Regal in dem Büro der beiden Detektive steht beispielsweise ein Karton, der das Datum "3. März 2004" trägt. Wenn Ihr den anklickt, sagt Sam so etwas wie: "Das sind abgeschlossene Fälle. Daran möchte ich lieber nicht mehr denken." Kein Wunder, schließlich gab LucasArts an diesem Tag die Einstellung der Arbeiten an Sam & Max: Freelance Police bekannt.

Culture Shock ist verrückt und zugleich so unbeschwert, so frech, so lebendig. Wenn man überhaupt irgendetwas an dieser ersten Episode kritisieren kann, dann ist das höchstens der Schwierigkeitsgrad. Ein bisschen zu einfach sind die Rätsel nämlich schon. Vor allem deshalb, weil es nur fünf, sechs Locations gibt und die Anzahl der Gegenstände dadurch ganz einfach beschränkt ist. Wenn Ihr erst einmal alles aufgesammelt habt, was so herumliegt, dann ergibt sich die Lösung durch einen Blick ins Inventar meist ganz von alleine. Ein bisschen mehr geknobelt hätte ich schon gerne.

Das bedeutet aber nicht, dass Sam & Max: Culture Shock zu kurz wäre: Gut drei Stunden dürften die meisten Spieler mit der ersten Folge verbringen. Rechnen wir das auf die komplette Staffel hoch, kommen wir auf fünfzehn bis zwanzig Stunden – zum Preis von 28 oder 43 Euro (abhängig davon, ob Ihr die ganze Staffel oder alle Episoden einzeln kauft). Für alle Kritiker des Episodenmodells: Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist damit besser als bei fast allen Vollpreisspielen. Da bekommt man für 40 Euro schließlich nur ganz selten mehr als zehn Stunden Spielspaß.

Kurz und gut: Sam & Max: Culture Shock ist ein echtes LucasArts-Adventure, auch wenn es gar nicht von LucasArts entwickelt wurde. Aber es ist ein echtes Sam & Max, ein echter zweiter Teil, nur mit dem Unterschied, dass es eben in 3D statt 2D ist – und unterteilt in sechs Episoden auf den Markt kommt. Aber egal, was ihr von diesem Distributionsmodell haltet: Wenn euch auch nur ein bisschen an Adventures oder an Sam & Max liegt, dann müsst ihr Culture Shock kaufen. Es ist das genau Spiel, auf das ihr vielleicht schon seit über zehn Jahren gewartet habt.

Von Lara Croft bis Julie Strain

Dass weibliche Spieler immer noch eine Minderheit darstellen, sollte kein Geheimnis sein. Wie viele Redakteure, Möchtegern-Frauenversteher und vereinzelte Hardcore-Zockerinnen haben sich schon über dieses Thema ausgelassen, ohne dabei wirklich etwas bewegt zu haben? Das Lebewesen Spielerin ist bis heute eine Rarität. Doch wie sieht es in den Spielen selbst aus? Sind die auch von innen so frauenlos, wie es von außen den Anschein hat?

Schon die griechische Mythologie wußte, was Sache ist: Ein Held wird eboren werden, die Welt bereisen und in tapferen Schlachten die Menschheit vor dem Untergang bewahren. Wenn überhaupt eine Frau mitspielt, dann sorgt sie sich zu Hause um ihren Liebsten oder sitzt in Fesseln an einen Felsen gekettet, um in letzter Sekunde von einem furchtlosen Helden gerettet zu werden. Listige Frauenzimmer wie Medea waren da doch eher die Ausnahme.

Und immer wieder Lara
Doch nun, einige Epochen später, durften wir endlich Hoffnung haben. 1996 schaffte es eine schlanke PC-Gestalt, die Welt von den Vorzügen eines weiblichen Helden zu überzeugen: Toby Gard erschuf Lara Croft. Etwas pixelig zwar noch, aber durchaus eine angemessene Persönlichkeit, die genau jene Eigenschaft besaß, welche so wichtig war: Ihre Weiblichkeit. Gard war sich anfangs sicher selbst nicht bewußt, welchen Stein er da ins Rollen bringen würde. Lara Croft schaffte es durch ‚Tomb Raider‘, als erste weibliche Heldin große Bekanntheit und bald auch so etwas wie einen Kultstatus zu erreichen. Das war nicht einmal Metroids Samus gelungen.

Inzwischen schreiben wir das Jahr 2006 und dürfen auf eine ganze Reihe weiblicher Protagonisten zurückblicken: Von Jill Valentine aus Resident Evil über Cate Archer aus No One Lives Forever bis hin zu einer Yuna aus Final Fantasy.

Doch ist das nun endlich der langersehnte Durchbruch für die Frauenwelt in der Spielebranche? Dürfen wir darauf hoffen, dass mit wachsender Anzahl weiblicher Heldinnen auch ein paar nicht-virtuelle Mädels an die Gamepads gelockt werden? Nicht wirklich. Denn was wir da an Weiblichkeit geboten bekommen, ist alles andere als die Realität:

Haargenau berechnete, symmetrische Gesichtszüge, spindeldürre Taillen, bei denen einem schon beim Hinsehen die Luft weg bleibt, und das Ganze gepackt auf 3-Meter-Stelzen, die jedes Gucci-Model vor Neid vom Laufsteg kippen lassen würden. Identifikation geht von diesen Charakteren nicht aus und der Andrang der weiblichen Fans hält sich entsprechend in Grenzen.

Frauen sabbern nicht
Dafür haben die Entwickler dabei einen anderen hübschen Nebeneffekt für ihre Zwecke entdeckt – nicht umsonst räkeln sich inzwischen auf jeder zweiten Spielepackung halbnackte Strandschönheiten. Mal tragen sie Schwert und Rüstung, bei der sich jeder rationale Betrachter fragen würde, wie diese drei winzigen Metallfetzen überhaupt vor irgendetwas schützen könnten. Ein anderes Mal sind es eher die harmlosen Kulleraugen, die zum Kauf auffordern. Jaja, Sex sells, ich weiß.
Wer möchte schon mit einem kleinen Pummelchen durch die Wälder kraxeln, das an jedem zweiten Baum erst einmal verschnaufen will?

Das beste Beispiel für die fortschreitend reduzierte Weiblichkeit ist Dead or Alive Xtreme. In dem vermeintlichen Beachvolleyball-Spiel machte man im Grunde nichts anderes, als ein paar hübschen Frauen dabei zuzusehen, wie sie im Bikini durch die Luft hüpfen, sich betont lasziv bewegen und bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit auch noch wie ein naives, kleines Hündchen quieken. Anziehen konnte man sie natürlich auch, ganz viele lustige Sachen machen – aber mit Beachvolleyball hatte das nichts mehr zu tun und mit dem originalen ‚Dead or Alive‘ schon gar nicht. Trotzdem kam es bestens an.

Was ich damit sagen will? Ich als Frau will Mädels. Echte Mädels. Heldinnen, die sich nicht hinter einer Wespentaille verstecken müssen und endlich mal ein bisschen Charakter zeigen dürfen. Ob wir das jemals erleben werden? Immerhin darf man ja noch träumen …

Töten, ja, aber bitte nur die Bösen

Knapp fünf Jahre sind seit dem Terroranschlag in den USA am 11. September 2001 inzwischen vergangen, erste Kinofilme beschäftigen sich dieser Tage mit dem Thema und wir fragen uns: Wo bleiben eigentlich die 9/11-Spiele? Rainbow Six: New York City, Grand Terrorist Attack, Command & Conquer: Afghanistan – hm?

Wo ist die Grenze?
Okay, nach diesem provokanten Einstieg rudern wir erst einmal schnell zurück: Natürlich wollen wir keine Spiele, die sich um den sinnlosen Mord an tausenden von Menschen drehen oder um die Folgen dieser Tat. Aber warum nicht? War der 11. September einfach zu grausam? Vielleicht, aber der Zweite Weltkrieg war zweifellos schrecklicher – und da reiht sich inzwischen in den Regalen ein Spiel ans andere. Ist es die Sinnlosigkeit der Anschläge, die uns zurückschrecken lässt? Vielleicht, aber das gilt auch für den Krieg in Vietnam, was die Entwickler nicht davon abgehalten hat, uns mit Titeln wie Vietcong zu beschenken. Ist noch nicht genügend Zeit seit den Anschlägen verstrichen? Vielleicht, aber ein Battlefield 2 hat auch den Krieg im Irak aufgegriffen, in dem noch heute täglich Menschen sterben. Und wer sagt überhaupt, dass es in so einem Spiel um das Töten von Menschen gehen müsste? Wie wäre es denn, wenn man Leben zur Abwechslung mal retten sollte? Sein eigenes zum Beispiel.

Pfui, lebende Menschen!
Ich kann den Aufschrei förmlich hören: "Leben retten? Das ist doch geschmacklos!" So ungefähr schrieb es zum Beispiel GameSpot, als man im Herbst 2004 erstmals von Survivor der deutschen Replay Studios hörte. In dem Spiel werden bekannte Tragödien wie der Untergang der Titanic, das Erdbeben in Mexiko City aus dem Jahre 1985 und eben auch der 11. September 2001 nachgestellt, aus denen der Spieler in einem Stück entkommen muss. "Warum würde jemand diese höllischen Ereignisse nachspielen wollen", kommentierte GameSpot damals. Schon richtig. Aber warum sollte man überhaupt etwas spielen wollen, das sich allein um das Töten dreht? Vielleicht, weil es sonst fast keine Spiele mehr gäbe?

Aufschneiden – find‘ ich gut
Dennoch ist das Retten von Leben unter den Spielern interessanterweise verpönt, während das Töten weitgehend als normal angesehen wird. Als Ende der 90er-Jahre das erste Emergency erschien, beklagte man sich darüber, dass man doch kein Strategiespiel über Unfälle machen könne. Ähnliches gilt für SOS: The Final Escape für die PlayStation 2, in welchem der Spieler einen Weg aus einer von einem Erdbeben zerstörten Stadt finden musste. Und sogar bei dem erst kürzlich erschienenen Trauma Center für Nintendos DS war zu hören, dass es doch reichlich geschmacklos sei, einen Arzt zu spielen, der Menschen operiert, um Leben zu retten. "Muss denn sowas sein?"

Hätten die Entwickler die Prämisse umgedreht, wären die Spiele wahrscheinlich nicht einmal aufgefallen. Unfälle planen? Klar, warum nicht: Das gibt Pluspunkte für schwarzen Humor. Nach einem Erdbeben eine Stadt von Zombies befreien? Sicher doch; Hauptsache, man hält eine Waffe in der Hand. Nur mit dem Aufschneiden von Menschen wird es dann etwas schwierig – aber dafür gibt es ja Spiele wie Dead Rising, welche bis ins kleinste Detail zeigen, was so unter der Haut steckt.

Töten, ja, aber bitte nur die Bösen
Es ist schon eine verquere Logik, die auf der einen Seite Millionen Tote mit dem Hinweis auf einen Krieg rechtfertigt und auf der anderen – ohne Frage tragische – Ereignisse mit ein paar tausend Opfern als widerwärtig ablehnt, weil es "Unschuldige" getroffen hat. Sterben in Kriegen keine Zivilisten? Sind Kriege nicht auch Schicksal? Und was würde passieren, wenn ein Entwickler auch mal die Gegenseite zeigen würde; zum Beispiel mit einem Ego-Shooter, in dem man ein Mitglied der irakischen Armee spielt? Oh, die Seele des braven Spielers würde kochen.

Um zum Punkt zu kommen: Vorstellungen von Moral und Ethik, so etwas wie ein Bewusstsein, dass man mit Spielen auch etwas aussagen kann, gibt es nicht – weder bei Entwicklern und Publishern, noch bei Presse und Spielern. Dass das Töten gutgeheißen und Retten verdammt wird, ist nur einer von vielen Belegen dafür. Was fehlt, ist vor allem eine klare Linie. Denn wenn man bei der Gewaltdiskussion regelmäßig damit argumentiert, dass die Spieler zwischen virtueller und realer Welt unterscheiden können, kann man nicht gegen Titel wie ‚Survivor‘ wettern, indem man auf die zu großen Parallelen zur Realität hinweist. Letztendlich lässt es sich aber wohl auf einen kleinen Nenner bringen: Was Geld macht, ist aus Prinzip gut.

The next big thing in gaming?

1996 veränderte eine Hardware-Erweiterung die Spielewelt: 3dfx brachte seine damals einzigartige Voodoo-Graphics-Karte auf den Markt, die im PC nichts anderes tat, als bei der Berechnung von dreidimensionalen Grafiken zu helfen. Der 3D-Beschleuniger war geboren und wenig später gab es kaum noch ein Spiel, das es sich leisten konnte, Voodoo & Co. nicht zu unterstützen. 2D-Spiele galten plötzlich als altmodisch, ganze Genres wie Adventures, Rollenspiele oder auch die einst so beliebten WiSims bekamen das zu spüren.

Begleiterscheinung statt Feature
Jetzt, rund zehn Jahre später, soll erneut eine Hardware-Erweiterung eine Revolution auslösen: Der PhysX-Chip von Ageia, als Erinnerung an frühere Tage auch Physikbeschleuniger genannt. Erste Erweiterungskarten werden voraussichtlich im nächsten Monat erscheinen, von Preisen um die 300 Euro ist die Rede. Ein stolzer Preis, der an die horrenden Kosten von Grafikkarten erinnert – immerhin bekommt man für die gleiche Summe mit der Xbox 360 Core-Version schon eine Next-Gen-Konsole. Das führt uns zu der Frage: Brauchen wir überhaupt bessere Physikeffekte? Und welchen Sinn hat eine realistischere Physikberechnung in Spielen?

Natürlich war die Physik von Beginn an ein wichtiger Bestandteil von Spielen: Schließlich musste ein ‚Wing Commander‘ berechnen, wie sich das vom Spieler gesteuerte Raumschiff im Weltraum verhält, ein Jump’n’Run die Erdanziehungskraft in irgendeiner Form simulieren und auch ein ‚FIFA International Soccer‘ das Verhalten des Spielballes einigermaßen realistisch hinbekommen. Ohne physikalische Berechnungen würde kaum ein Spiel funktionieren und selbstverständlich ist der Realismus, die Glaubwürdigkeit, von großer Bedeutung. Auch wenn im Rahmen des Settings und des Spieldesigns Freiheiten erlaubt sind, sollte sich ein Auto in einem Rennspiel doch zumindest ansatzweise so verhalten, wie es der Spieler erwartet.

Realistische Leichen
Lange Zeit hielt sich die Physik also vornehm im Hintergrund zurück und unterstützte das Spiel zwar, aber stellte kein großes Feature dar, mit dem auf der Verpackung geworben wurde. Das sollte sich erst mit dem Beginn dieses Jahrtausends ändern, als der ganz große 3D-Boom erst einmal abflachte, Verbesserungen in Sachen Grafik immer weniger sichtbar wurden.

Vorreiter auf diesem Gebiet war Epic Games, die mit Karma die Spielewelt revolutionieren wollte. Karma war im Prinzip nichts anderes als die inzwischen deutlich bekanntere Havok: Eine Physikengine, welche realistischere Animationen und Bewegungen sowie dem Spieler die Interaktion mit seiner Umwelt ermöglichen wollte.

Auf sich aufmerksam machten diese Techniken letztendlich aber vor allem durch den umstrittenen Ragdoll-Effekt, der das Verhalten von leblosen Körpern simuliert. Sprich: Wenn man einen Gegner erschoss oder in den Abgrund stürzte, dann sollte er gefälligst realistisch zucken und aufschlagen. Makaber und spielerisch bedeutungslos zugleich. Hatte man den Effekt ein paar Mal gesehen und ausprobiert, war die anfängliche Faszination schnell verflogen und hatte auf das Spiel nicht mehr den geringsten Einfluss.

Begrenzte Möglichkeiten
Das wurde nach einer Weile auch den meisten Entwicklern bewusst und so suchte man andere Wege, mit Physikeffekten zu beeindrucken. ‚Half-Life 2‘, bei dem sich Valve wirkliche Mühe gab, die Physik sinnvoll ins Spiel zu integrieren, dürfte aber der beste Beweis dafür sein, dass Physik-Add-ons nicht in die Fußstapfen der 3D-Beschleuniger treten können: Die wenigen Szenen, in denen die Technik überhaupt Einfluss auf den Spielablauf nahm – etwa, indem der Spieler seine Gegner von einer herumschwingenden Kiste erschlagen ließ – hätte Valve ohne großen Aufwand auch skripten können. Und Gegenstände schweben zu lassen und dann durch’s Level zu feuern, machte zwar für ein paar Minuten Spaß, hatte aber die Langzeitmotivation des besagten Ragdoll-Effekts.

Die Einsatzmöglichkeiten von Physik sind begrenzt und ein Spiel nur um ein paar Physikeffekte herumzubauen, dürfte unmöglich sein. Und so mag auch ein PhysX zwar hübschere Explosionen hervorbringen, bei einer realistischeren Darstellung von Nebel und Rauch mitwirken – aber zu einer Verbesserung der Spiele, zu neuen Möglichkeiten wird es nicht führen. ‚Oblivion‘ oder ‚GTA‘ zeigen, was virtuellen Welten Tiefe und Glaubwürdigkeit verleiht. Physik zählt nicht dazu.

Die zweite Episode des Adventures

Über ein halbes Jahr ist vergangen, seit Telltale Games mit ‚Out from Boneville‘ den ersten Teil seiner ‚Bone‘-Reihe veröffentlicht hat. Und so groß die Hoffnungen der Adventurefans an das überwiegend aus Ex-LucasArts-Entwicklern bestehende Team waren, so groß war seinerzeit die Enttäuschung: Für rund 20 US-Dollar bekamen sie eine gerade mal zwei Stunden lange Episode, die sowohl spielerisch als auch technisch weder zeitgemäß sein sollte, noch den Erwartungen gerecht wurde. Telltales zweites Spiel, das im Vormonat erschienene ‚CSI: 3 Dimensions of Murder‘, mehrte die Skeptiker eher noch, als sie ruhigzustellen. Doch jetzt ist die zweite ‚Bone‘-Episode erhältlich und die macht (fast) alles besser.

Aus den Fehlern gelernt<br />
Um es gleich vorwegzunehmen: Den größten Kritikpunkt an ‚Out from Boneville‘ hat Telltale Games behoben. Das zweite Kapitel, das auf dem Namen ‚The Great Cow Race‘ hört, ist mit einer durchschnittlichen Spielzeit von vier Stunden nicht nur ungefähr doppelt so lang wie das erste Kapitel, sondern mit einem Preis von 12,99 US-Dollar auch noch wesentlich billiger. Vor den meisten Retail-Adventures braucht sich ‚Bone‘ damit nicht mehr zu verstecken: Die je 40 Euro teuren ‚Nibiru‘ oder ‚Ankh‘ etwa ließen sich von einem erfahrenen Spieler in acht Stunden oder sogar weniger bewältigen.

Zwischen Liebe und Betrug<br />
Zur Story: ‚The Great Cow Race‘ basiert auf dem zweiten Comicbuch der ‚Bone‘-Reihe und knüpft natürlich an die Ereignisse aus ‚Out from Boneville‘ an. Der durchtriebene Phoney Bone will gemeinsam mit dem lebensfrohen Smiley Bone bei einem Kuhrennen groß absahnen, während der sensible Fone Bone Annäherungsversuche bei seiner geliebten Thorne unternimmt. Phoney Bones Aufgabe besteht darin, die Dorfbewohner davon zu überzeugen, auf eine geheimnisvolle Kuh zu setzen, die von Smiley Bone gespielt wird, der allerdings erst das dafür notwendige Kostüm zusammenflicken muss. Fone Bone schlägt sich derweil mit einem Kontrahenten im Kampf um Thornes Herz herum und sowieso kommt selbstverständlich alles anders, als geplant. Zumal die Bones auch noch von einer dunklen Macht gesucht werden …

Drei Episoden in einer
So spielt ihr in ‚The Great Cow Race‘ gleich drei Charaktere, was ein wenig an den Klassiker ‚Day of the Tentacle‘ erinnert – allerdings ist der Einfluss der drei aufeinander gering. Vielmehr verfolt jeder seine eigenen Ziele und ist auf sich allein gestellt. Dennoch ergibt die Unterteilung in drei kleine Abschnitte Sinn, könnt ihr euch doch zunächst an einer anderen Aufgabe versuchen, wenn ihr mit einem Charakter gerade nicht vorankommt.

Die Rätsel von ‚The Great Cow Race‘ sind komplizierter und durchdachter als in der vorherigen Episode, auch wenn Adventurekenner nicht unbedingt auf Überraschungen stoßen werden. Wie oft haben wir schon nach Einzelteilen für ein Kostüm oder eine Puppe gesucht? Schön ist, dass sich Dialog- und Kombinationsrätsel in etwa die Waage halten und das Spiel auf Wunsch sinnvolle Tipps bereit hält.

Überraschend vielseitig
Die große Stärke von ‚The Great Cow Race‘ liegt aber in den drei so unterschiedlichen Charakteren, die in teilweise hervorragend geschriebenen Gesprächen gut zur Geltung kommen. Wer übrigens glaubt, ‚Bone‘ sei ein reines Fest für die Lachmuskeln, liegt falsch: Während das große Kuhrennen an sich und die Passagen mit Smiley und Phoney tatsächlich sehr lustig und bissig sind, ist Fone Bones Rolle erstaunlich düster und die Liebesgeschichte zu Thorne fast schon herzzerreißend depressiv. Interessant wird es daher sein, zu sehen, wie Telltale Games die nächsten ‚Bone‘-Abenteuer umsetzt, die noch weiter in diese Richtung gehen und zudem weniger Action bieten.

Auch was die Grafik angeht, hat Telltale Games mit ‚The Great Cow Race‘ deutliche Fortschritte gemacht. Zwar gibt es vor allem bei den Animationen noch viel Spielraum nach oben, aber nicht zuletzt die Umgebungen wirken doch wesentlich liebevoller als bei ‚Out from Boneville‘. Die Darstellung der Charaktere kommt dem Comicvorbild erneut sehr nahe und auch die Sprecher erfüllen ihre Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit. Allenfalls die zu langen Ladezeiten trüben den Eindruck von der Präsentation.

So soll es sein
Um es zum Schluss und auf den Punkt zu bringen: ‚The Great Cow Race‘ ist das beste Comic-Adventure, das ich in den letzten Jahren gespielt habe – ja, auch das schon sehr gute ‚Ankh‘ kann da nicht mithalten. Weil zudem das Preisleistungsverhältnis stimmt, führt für echte Adventurefans kein Weg an dem Spiel vorbei. Wenn Telltale weiter aus den wenigen verbliebenen Schwächen lernt und sich vielleicht sogar noch steigert, dann freue ich mich schon auf ‚Bone 3‘ sowie den Auftakt zu neuen Abenteuern mit ‚Sam & Max‘. Beides soll im Herbst erscheinen.

Die zweite Enttäuschung?

CSI ist nicht nur der Zuschauermagnet im Fernsehen schlechthin, sondern zugleich auch noch eine der spannendsten TV-Serien überhaupt. Umso interessierter waren wir natürlich, als mit Telltale Games ein aufstrebendes und zugleich erfahrenes Unternehmen mit der Entwicklung eines neuen PC-Spiels auf Basis der Serie beauftragt wurde. Ob unsere Erwartungen gerechtfertigt waren?

Dem Täter auf der Spur
Wie schon in den Vorgängern ‚CSI: Crime Scene Investigation‘ und ‚CSI: Dark Motives‘ spielt ihr auch in ‚CSI: 3 Dimensions of Murder‘ einen Neuling beim CSI Las Vegas. An der Seite von Warrick, Nick, Sara, Greg und Grissom ist es eure Aufgabe, fünf verschiedene Mordfälle zu lösen. Jeder der Fälle ist für erfahrene Spieler ungefähr so lang wie eine ‚CSI‘-Folge im Fernsehen und auch der Ablauf ähnelt dem TV-Vorbild: In der Nacht werdet ihr zu einem Tatort gerufen, müsst zunächst die Leiche untersuchen und Spuren sichern, dann Zeugen und Verdächtige ausfindig machen, sie verhören, ihre Wohnungen gegebenfalls untersuchen und schließlich genügend Beweise ansammeln, um dem Täter den Mord nachweisen zu können.

Das Augenmerk liegt dabei selbstverständlich auf der Spurensuche sowie der Verarbeitung der Spuren im Labor: Finger-, Schuh- und Reifenabdrücke können verglichen werden, DNA-Proben genommen und untersucht werden, Chemikalien auf ihre Zusammensetzung hin getestet werden, Projektile unter dem Mikroskop betrachtet werden und so weiter und so fort. Kommt ihr an einer Stelle nicht voran, könnt ihr jederzeit euren Betreuer fragen und euch Tipps geben lassen, wo ihr etwas übersehen habt.

Lebensmüde Charaktere
Die Voraussetzungen für ein gutes ‚CSI‘-Spiel sind also vorhanden, doch tatsächlich ist ‚3 Dimensions of Murder‘ erschreckend schwach – so schwach sogar, dass man an den Fähigkeiten von Telltale Games ernsthaft zweifeln muss. Das fängt mit den Geschichten an, die zwar allesamt interessant anfangen, sich dann aber um keinen Millimeter voranbewegen. Es ist so, als würde nach dem Mord die Zeit still stehen und das lässt vor allem das Verhalten der Charaktere unglaubwürdig erscheinen. Denn während in der Serie der Täter logischerweise versucht, seine Spuren zu beseitigen, eventuell sogar Zeugen „ruhigzustellen“, reicht er euch im Spiel die Beweise geradezu auf dem Präsentierteller.

Ein Beispiel: Wir fahren zu einem Verdächtigen, er verstrickt sich in Lügen, wir sagen: „Zeig uns deinen Spind, wir wollen nach Beweisen suchen!“ Er antwortet: „Nö, holt euch erst nen Durchsuchungsbeschluss!“ Wir fahren zu Captain Brass, holen uns den Beschluss, fahren zurück zu dem Verdächtigen, der uns prompt seinen Spind zeigt – in dem sich natürlich noch alle Beweise befinden, um ihn zu überführen.

Masse statt Klasse
Ein weiteres Problem, das ich mit den Geschichten des Spiels habe, ist, dass es so viele Indizien und Beweise gibt, dass eigentlich jeder Verdächtige der Täter sein könnte und keiner eine ganz plausible Erklärung liefern kann, wie es zu diesen Verstrickungen kommt. In der TV-Serie geht es um die kleinen Details; da werden oft Tatorte mehrmals durchkämmt, um dann schließlich einen einzigen winzigen Beweis zu finden, der zu der Lösung des Falles führt. Im Spiel hingegen strotzen die Tatorte nur so vor Spuren; fast jeder hinterlässt Fingerabdrücke oder gleich seine DNA. Das ist natürlich ein Zugeständnis an den Spieler, der schließlich etwas zu tun haben soll, führt aber zugleich dazu, dass es fast unmöglich ist, der Beweisführung zu folgen.

Virtuelle Persönlichkeiten
Viel schwerwiegender als diese erzählerischen Unlänglichkeiten sind allerdings die Fehler im Spieldesign, die einem erfahrenen Team wie Telltale Games, das immerhin zum großen Teil aus ehemaligen LucasArts-Mitarbeitern besteht, nicht unterlaufen dürfen. Einer dieser Fehler ist das Dialogsystem. Im Gespräch mit uns hat Telltale vor kurzem hervorgehoben, dass die Charaktere von ‚3 Dimensions of Murder‘ viel lebendiger wirken sollen als in anderen Spielen. Nun, das ist gelungen. Aber was bringt es, wenn das auf das Spiel keinerlei Einfluss hat?

Die Verhöre nämlich lassen sich nicht etwa nach eigenen Vorstellungen leiten, sondern ihr müsst einfach immer alle Fragen anklicken, die sich auftun, um weiterzukommen. Häufig verbringt ihr mehrere Minuten damit, einfach blind die nächste Frage auszuwählen und dann dem Gespräch zu lauschen. Ausgerechnet dieser eigentlich sehr spannende Teil der Ermittlungsarbeit lässt dadurch jegliche Interaktivität vermissen.

Hin und her
Nervtötende Laufarbeit gibt es im Gegenzug mehr als in jedem anderen Adventure: Nehmen wir an, ihr habt gegen den Verdächtigen A einen vermeindlich totsicheren Beweis in der Hand. Dann könnt ihr euch sicher sein, dass A im folgenden Gespräch einen vermeindlich totsicheren Beweis gegen Verdächtigen B aus der Tasche zaubern wird. Also fahrt ihr zu B, stellt ihm eine Frage und plötzlich erinnert er sich, dass ja eigentlich nur der Verdächtige C der Täter sein kann. Auf zu C, wo ihr – genau – natürlich wieder etwas gegen A herausfindet.

Unterstrichen werden diese Schwächen von der technischen Seite des Spiels: Obwohl ‚CSI: 3 Dimensions of Murder‘ nicht besonders gut aussieht, sind die Ladezeiten beim Wechsel des Schauplatzes unerträglich lang. Besonders ärgerlich ist das, wenn ihr wie bei dem eben erwähnten Beispiel im Prinzip immer nur eine Frage stellen müsst und dann sofort wieder weitergeschickt werdet. Zahlreiche Bugs, die bei der Laborarbeit auftreten, und die teilweise kaum ihren Vorbildern ähnelnden Figuren (Warrick, Grissom) legen die Vermutung nahe, dass Telltale Games kein großes Interesse an der Entwicklung des Spiels hatte oder ihnen am Ende die Zeit ausging.

Und doch…
Dennoch, trotz all dieser fast schon vernichtenden Kritik, hat mir ‚CSI: 3 Dimensions of Murder‘ teilweise Spaß bereitet. Das liegt aber nicht etwa daran, dass das Spiel doch mehr zu bieten hätte, als es den Anschein hat, sondern dass ich es einfach cool finde, Detektiv zu spielen – und dass es außer dem vor einem Jahr erschienenen ‚Still Life‘ und natürlich den alten ‚CSI‘-Spielen kaum etwas Vergleichbares gibt. Um zum Schluss eine kleine Kaufempfehlung abzugeben: Wer die ersten drei ‚CSI‘-Spiele mochte, kann auch mit ‚3 Dimensions of Murder‘ nicht viel falschmachen, denn im Grunde unterscheidet es sich von seinen Vorgängern tatsächlich nur durch die mittelmäßige 3D-Grafik. Wer aber ein bisschen mehr, ein gutes Adventure erwartet, sollte die Finger von dem Spiel lassen. Und hoffen, dass Telltale bei seinen ‚Sam & Max‘-Episoden deutlich mehr Elan beweist.

Was Spiele und One-Night-Stands gemeinsam haben.

Gute Charaktere sind das Salz in der Suppe einer interessanten Geschichte. Spiele wussten diese These schon früh zu beherzigen: Mit Guybrush Threepwood rätselten wir uns lachend durch ‚Monkey Island‘, mit der toughen Lara Croft erkundeten wir in ‚Tomb Raider‘ die düstersten Ruinen und mit dem Duke lehrten wir nicht nur fiesen Monstern sondern auch etwas zu freizügigen Frauen das Fürchten. Und heute? Da schlagen wir uns mit Langweilern wie Martin Holan in ‚Nibiru‘, 08/15-Figuren wie Sam Fisher oder gleich gänzlich namenlosen „Helden“ herum.

Doomguy oder Duke Nukem?
Natürlich gab es heute wie früher Ausnahmen: Die Ego-Shooter von id Software beispielsweise hatten viele Vorzüge, aber wen spielte man eigentlich in ‚Doom‘? Irgendeinen unbekannten Marine; den Doomguy eben. Auf der anderen Seite hat Quantic Dream erst im vergangenen Jahr mit Lucas Kane in ‚Fahrenheit‘ einen der besten Protagonisten der Spielegeschichte erschaffen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber im Großen und Ganzen lässt sich festhalten: Die interessanteren Charaktere hat das letzte Jahrtausend hervorgebracht. Wer weiß schon, dass der Held von ‚Medal of Honor: Pacific Assault‘ Tom Conlin hieß? Und selbst bei dem mehrfach als Spiel des Jahres 2005 ausgezeichneten ‚Resident Evil 4‘ kommt der Name nur schwer über die Lippen: Leon – aber weiter?

Spiele = One-Night-Stands?
Um sich mit einem Charakter identifizieren zu können, sich mit ihm anzufreunden, ihn zu mögen, muss man etwas über ihn erfahren. Der Spieler muss seine Stärken und Schwächen kennenlernen, sein Denken und Handeln verstehen. Was würde ich in dieser Situation machen, fragt man sich regelmäßig bei Filmen. Aber bei Spielen? Da bangt und zittert keiner um die Figuren; wenn ihnen etwas passieren sollte, sie vielleicht sogar sterben, dann ist das eben so. Kein Grund, um sie zu trauern, das nächste Level wartet ja schon. Weiter geht’s! Spiele haben dadurch ein bisschen etwas von einem One-Night-Stand. Kurze Begrüßung, ein bisschen miteinander spielen und dann am nächsten Morgen fragen: Wie hießt Du nochmal?

Kein Platz für Gefühle
Wenn die Identifikation schon schwerfällt, dann sollte der Charakter zumindest einprägsam sein – aber sogar Entwicklern wie Nintendo bereitet das inzwischen Probleme. Hat man früher innerhalb weniger Jahre Helden wie Mario, Link und Samus aus dem Ärmel geschüttelt, mussten wir uns zuletzt mit Figuren wie Captain Olimar aus ‚Pikmin‘ oder John Raimi aus ‚Geist‘ zufriedengeben. Eigentlich aber nur ein logischer Prozess: Wo vor fünfzehn Jahren noch Drei-Mann-Teams in ihren Zimmern hockten, sind heute unter Umständen hunderte an einer Entwicklung beteiligt. Dass dabei die Seele und die Liebe zum Detail verlorengeht, ist verständlich. Nur merkt man es bei den Charakteren noch deutlicher als bei vielen anderen Elementen eines Spiels. Gleichzeitig stellt sich aber auch die Frage: Will die Mehrheit der Spieler überhaupt vorgefertigte und einigermaßen glaubwürdige Charaktere? Solange die Geschichten im Wesentlichen nicht über das Niveau eines unterdurchschnittlichen Actionfilms hinauskommen, wirken vielschichtigere Figuren wohl deplatziert. Möchte ein Shooterspieler wirklich erfahren, ob sein Held beim Töten ein schlechtes Gewissen hat, ob ihm sein „Job“ auf die Psyche schlägt, ihn Albträume quälen? Vermutlich nicht.

Der eigene Wille
Noch wichtiger ist jedoch: Soll der Spieler eigentlich jemand anderen verkörpern als sich selbst? Titel wie ‚Die Sims‘ haben zweifelsohne auch deshalb so großen Erfolg, weil man seine eigene Familie im Spiel nachbauen kann. Und war nicht eines der coolsten Features von ‚Worms‘ immer, dass man den dem Tode geweihten Würmern Namen von verhassten Mitmenschen geben konnte? Wollen wir in Rollenspielen einen schleimig-strahlenden Helden spielen oder möchten wir selbst entscheiden, wie wir handeln?

Die Abkehr von starken und einprägsamen Charakteren muss nicht unbedingt etwas Schlechtes für die Spiele bedeuten – zumindest dann, wenn es die Entwickler bewusst machen und nicht bloß aus Faulheit oder mangelnder Kreativität auf die Ausarbeitung eines interessanten Protagonisten verzichten. Langfristig kann es sicher ein Ziel sein, dass wir in jedem Spiel uns selbst spielen. Heute metzele ich Monster, morgen löse ich einen Mordfall, übermorgen suche ich nach verschollenen Schätzen. Dann wird das Erzählen von guten Geschichten aber umso schwieriger.

Up, Up, Down, Down, Left, Left, Right, Right

Die Underground-Kultur, wie es so schön heißt, wurde schon zum Thema dutzender Spiele: Die ‚Tony Hawk‘-Reihe etwa macht seit Jahren nichts anderes, als den hippen Skateboardern dieser Welt ein virtuelles Zuhause zu bieten. ‚Need for Speed‘ widmete sich illegalen Straßenrennen und in ‚Grand Theft Auto: San Andreas‘ durften Möchtegern-Gangster zum Kopf einer Gang aufsteigen. Damit hat man alle Aspekte des Undergrounds gesehen, könnte man meinen – aber nein, es gibt ja noch das Graffitisprühen. Damit auch dessen Fans von der Straße ferngehalten werden, hat The Collective ‚Marc Ecko’s Getting Up‘ entwickelt, das an eine Mischung aus ‚Prince of Persia‘ und ‚Jet Set Radio‘ erinnert.

Allein in einer kaputten Welt
Aber der Reihe nach: Ihr spielt Trane, einen Graffitikünstler, der in der futuristischen Großstadt New Radius lebt. Weil Trane eigentlich nichts zu tun und nicht den ganzen Tag in der Wohnung rumhängen kann, geht er halt nach draußen und sprüht, was das Zeug hält. Nebenbei prügelt er sich mit anderen Gangs, welche die Welt ebenso mit ihren „Kunstwerken“ verschönern wollen, und deckt eine Verschwörung von gewaltigen Ausmaßen auf. Das Übliche also.

‚Marc Ecko’s Getting Up‘ besteht daher im Wesentlichen aus zwei Elementen, welche das Denken und Handeln des Protagonisten steuern: Er sehnt sich nach Respekt für seine Künste und muss sich gleichzeitig mit der Konkurrenz im wahrsten Sinne des Wortes herumschlagen, die natürlich ebenso die Stadt beherrschen will. Tranes Ziele sind daher klar: Immer schönere und größere Tags entwerfen und die der Gegner übersprühen oder verunstalten. Natürlich ist Graffiti aber nicht gleich Graffiti: An eine Hausmauer oder einen stehenden Zug kann schließlich jeder etwas sprühen – in schwindelerregender Höhe oder auf fahrenden Zügen aktiv zu sein, das ist Tranes Ding. Gesprüht wird sehr simpel mit dem Analogstick; wer schnell ist und keine Farbe tropfen lässt, bekommt Bonuspunkte.

Atemberaubende Aufgaben
Es gelingt dem Spiel dabei gut zu vermitteln, welchen Gefahren Graffitikünstler ausgesetzt sind, wie sie für das Ansehen ihr eigenes Leben riskieren und sich noch dazu viele Feinde machen. Das ist vor allem dem überwiegend starken Leveldesign zu verdanken: Natürlich sind die Kletterpassagen nicht so komplex wie in einem ‚Prince of Persia‘, aber in Anbetracht der geringen Möglichkeiten, welche eine städtische Umgebung bietet, wirken diese Abschnitte nie künstlich. Ihr klettert über Feuerleitern auf Balkons, steigt Regenrinnen hinauf, kraxelt an den Stahlgerüsten von Brücken entlang – nur um ein möglichst beeindruckendes Tag mit eurem Namen irgendwo anzubringen. Tranes Intuition, die sich per Knopfdruck aktivieren lässt, weist euch dabei stets den Weg.

Auch das Kampfsystem erfüllt seinen Zweck: Mit Schlägen und Tritten erwehrt ihr euch Angriffen, nehmt Gegenstände auf, um eure Widersacher ordentlich zu vermöbeln, verwendet Special Moves um ihre Abwehr zu durchdringen und haltet euch dabei immer auf Distanz, um ihren Attacken ausweichen zu können. Ein bisschen mehr Tiefe wäre allerdings wünschenswert gewesen; fast alle Gegner lassen sich nach einer kurzen Eingewöhnungsphase auf die gleiche Art und Weise ausschalten – im Prinzip reicht es oft schon, wenn ihr schnellstmöglich auf die Tasten des Gamepads hämmert. Auch um die künstliche Intelligenz ist es nicht zum besten bestellt: Wenn ihr einen Gegner im Schwitzkasten habt, stehen die anderen so lange untätig um euch herum, bis ihr ihn wieder loslasst.

Wir haben doch keine Zeit!
‚Marc Ecko’s Getting Up‘ hat noch mehr Schwächen, die wir euch natürlich nicht verschweigen wollen. Sehr schade ist beispielsweise, dass ihr keine eigenen Tags ins Spiel integrieren könnt. Ihr sammelt im Laufe des Spiels zwar zig sehr schöne Vorlagen in eurem Black Book, aber eigene Tags in New Radius zu versprühen, wäre der Motivation zweifellos zuträglich gewesen. Ohnehin habe ich das Gefühl, The Collective hätten ein paar Monate zusätzlicher Entwicklungszeit sehr gut getan: Die Kamera zeigt beim Graffitisprühen vielmals nicht den gewünschten Bildausschnitt, das Tutorial musste ich aufgrund eines Bugs neustarten und die Animationen in den Kämpfen wirken vielmals abgehackt und übergangslos. Dazu gesellt sich eine wirklich miese deutsche Sprachausgabe: Afrob, der Trane spricht, sollte lieber bei seiner Musik bleiben.

Wenn man das so liest, könnte man fast meinen, ‚Marc Ecko’s Getting Up‘ sei nur ein mittelmäßiges Spiel. Dem ist aber nicht: Die Geschichte rund um Trane wird erstaunlich gut erzählt, die Missionen mit ihren zahlreichen Zusatzaufgaben („Tagge das Polizeiauto 10 mal, bevor die Cops dich sehen!“) stimmen, das Leveldesign funktioniert und der „Style“ des Spiels wirkt sehr glaubwürdig. Auch der Soundtrack ist über jeden Zweifel erhaben. Wieviel Spaß man mit ‚Marc Ecko’s Getting Up‘ haben kann, hängt aber vor allem von der Aufgeschlossenheit gegenüber dem inzwischen überstrapazierten Underground-Setting ab: Wer damit etwas anfangen kann und sich für Graffitis interessiert, den wird das Spiel ohne Frage begeistern. Alle anderen bekommen „nur“ ein gutes Action-Adventure, aus dem ein bisschen mehr hätte werden können.

Wir rollen.

Laaaaa-la-la-la-la-la-la-la Katamari Damacy! Ich bekomme es nicht mehr aus meinem Kopf, das Theme von We love Katamari. Rund anderthalb Jahre nachdem Katamari Damacy die USA und Japan begeistert hat, rotiert das Sequel We love Katamari nun nämlich auch in Europa in der PlayStation 2 und auf dem Bildschirm. Electronic Arts hat sich erbarmt, Namcos sehr seltsames Spiel hierzulande zu veröffentlichen – wenn auch mit einigen Hindernissen. Aber dazu später mehr.

Rolle vorwärts, rolle rückwärts
‚We love Katamari‘ ist ein Spiel, das zu verstehen so leicht ist, mit dem sich aber zugleich so viele schwertun: Ihr rollt eine Art klebrigen Ball, das so genannte Katamari, durch die Welt, sammelt Gegenstände auf und lasst es dadurch heranwachsen. Müsst ihr euch anfangs mit Batterien und Stiften zufriedengeben, folgen bald Kassetten und Etuis, später Stereoanlagen und Schreibtische, schließlich ganze Orchester und Häuser. Warum ihr das macht? Na, ihr seid der „Prince of all Cosmos“ und ihre Majestät, der „King of all Cosmos“, will es so. Der hat im Vorgänger ‚Katamari Damacy‘ alle Sterne vom Himmel geholt und lässt euch jetzt dafür schuften, ihn wieder zu füllen. Jedes Katamari landet daher ohne Umschweife am Horizont. Sofern ihr die geforderten Ziele erfüllt.

Von klein nach groß
Welche das sind, ist ganz unterschiedlich: Zu Beginn reicht es, das Katamari innerhalb von weniger Minuten um ein paar Zentimeter anwachsen zu lassen, später müsst ihr ganze Städte überrollen und einen Durchmesser von mehreren hundert Metern erreichen. Auch Spezialaufgaben gibt es: Da will ein Wrestler beispielsweise seinen größten Konkurrenten fertigmachen und muss dazu zunächst ordentlich zunehmen.

Also rollt ihr ihn über die Straßen und sammelt sämtliche Lebensmittel auf, welche ihr finden könnt. Oder aber ein Student will mitten in der Nacht lernen, hat aber keinen Strom mehr: Da kann nur ein mit Glühwürmchen ausstaffiertes Katamari helfen. Es gibt verschiedenste solcher Aufgaben und jede spielt sicht bedingt durch die Umgebung, die Größe des Katamaris und seine Form ein bisschen anders.

Wenig Herausforderung
Das Problem mit ‚We love Katamari‘ ist, dass man es im Grunde kaum als Spiel bezeichnen kann. Ihr macht wirklich nichts anderes, als das Katamari mit den beiden Analogsticks durch die Gegend zu rollen, zunächst kleine und dann immer größere Gegenstände mitzunehmen. Das ist schön und gut, aber es fehlt eine gewisse Herausforderung, ein Mindestmaß an erforderlicher Taktik, welche ‚We love Katamari‘ so viel besser machen könnten. Es gibt zwar ein, zwei Levels, die es euch abverlangen, mit einer begrenzten Objektzahl ein möglichst großes Katamari zu erschaffen, was ein wenig Überlegung überfordert – aber ein, zwei sind einfach viel zu wenig. Zumal sich auch da der Schwierigkeitsgrad in Grenzen hält. Der vermeindlich furchteinflößende „King of all Cosmos“ ist in dieser Hinsicht viel zu gutmütig.

Bezug zur Realität
‚We love Katamari‘ hat allerdings noch eine zweite Schwäche, die auf der Verbindung zur Realität basiert: Wie ein mit Sekundenkleber beschmierter Tennisball über einen Stift rollen, ihn aufnehmen und sich dann weiterbewegen würde, das kann man sich noch recht leicht vorstellen. Die Ballphysik wirkt authentisch: Es ist nachvollziehbar, was gerade auf dem Bildschirm vor sich geht. Sobald es aber nach draußen geht, und das Katamari Menschen, Autos oder gar Häuser überrollt, verschwindet der Bezug zur Realität. Die Steuerung wird träger und schwerer einzuschätzen und immer häufiger ist unklar, welchen Gegenstand man nun schon überrollen kann und für welchen man noch zulegen muss.

Ausprobieren kostet natürlich nichts, aber es nimmt dem Spiel einen Teil seiner Intuitivität, nicht zu wissen, was machbar ist. Unzählige Male habe ich mich in den letzten Tagen dabei erwischt, mich in meiner Wohnung umzuschauen und mir vorzustellen, was alles aufgerollt werden könnte. Aber draußen? Nein, wirklich nicht.

Das etwas andere Vergnügen
Nichtdestotrotz macht ‚We love Katamari‘ Spaß und das ist durchaus wörtlich zu verstehen. Als ich zum ersten Mal eine Kuh überrollt hatte und die strampelnd am Katamari klebte, wusste ich wieder, warum ich gerne spiele. Auch die Monologe des „King of all Cosmos“ sind für den ein oder anderen Lacher gut, sofern man die Geduld hat, sie durchzulesen und nicht schnell wegzuklicken. Und dann ist da ja noch die Grafik von ‚We love Katamari‘, die anfangs so simpel wirkt, aber doch so vor liebevollen Details strotzt. Und die als Einstieg schon erwähnte Musik, die einerseits nervtötend, andererseits aber doch irgendwie genial ist. Man muss ‚We love Katamari‘ nicht mögen, aber man sollte es respektieren, seinen Wert zu schätzen wissen – einfach dafür, dass es anders ist und ein so simples Konzept gut verpackt.

Mehr als das Dreifache
Schade ist nur, wie Electronic Arts bei uns mit ‚We love Katamari‘ umgeht: Während es in den USA aufgrund seiner geringen Massenmarkttauglichkeit und des zugegebenermaßen recht geringen Umfangs sofort zum Budgetpreis von gerade einmal 20 US-Dollar über die Ladentheken wanderte, verlangt Electronic Arts in Deutschland freche 60 Euro. Angeblich liegt der Einkaufspreis für die Händler sogar höher als bei anderen EA-Spielen. Da liegt der Verdacht nahe, Electronic Arts wolle den Erfolg des Titels verhindern. Nach dem Motto: „Tja, wir haben es versucht, aber solche Spiele laufen eben nicht. Her mit ‚FIFA 07‘ und ‚Need for Speed 250‘!“ Enttäuschend.

Spieler wollen nichts Neues mehr?

Ein Blick auf die Releaselisten offenbart nicht erst seit ein paar Monaten nur noch wenige neue Namen: ‚Age of Empires 3‘, ‚Dead or Alive 4‘, ‚Mario Party 7‘. Stattdessen häufen sich altbekante Titel, deren einzige Veränderung die immer höher werdende Numerierung ist – oder alternativ der Untertitel, damit man das Alter der Reihe nicht direkt erkennt. Machen es sich die Entwickler zu einfach? Wieviele Sequels verträgt ein Spiel, bevor es ausgelutscht ist? Oder bringt der Fortsetzungswahn dem gelangweilten Spieler sogar ungeahnte Vorteile?

Die Erschaffung einer Marke
Immer mehr Publisher setzen auf Sequels gut laufender Spiele. Die Versuchung ist groß, schließlich hat das viele Vorteile: Das Spielprinzip ist bereits festgelegt, die Story muss lediglich vorangetrieben werden und die Grafik bekommt ein paar frische Akzente. Und das Beste: Eine große Fangemeinde potentieller Käufer ist durch den Vorgänger schon vorhanden. Spätestens nach der zweiten erfolgreichen Fortsetzung ist eine Marke erschaffen, deren Erfolg so gut wie gesichert ist.

Titel wie ‚Need for Speed‘ oder ‚Splinter Cell‘ sind fast jedem Spieler ein Begriff. Wer sich ein Spiel mit dem Titel ‚Need for Speed‘ kauft, möchte erstklassige Rennen fahren, sein Tuning-Können unter Beweis stellen und den Geschwindigkeitsrausch der Vorgänger wiedererleben. Wer sich an ‚Splinter Cell‘ wagt, will nichts anderes vorfinden, als die schemenhafte Gestalt Sam Fishers, die auf dem Weg zum perfekten Schuss in einer dunklen Ecke hängt oder sich geschmeidig wie eine Schlange durch hinterlistige Laserschranken windet. Das Risiko, einen Flopp zu landen, ist bei solchen Marken also wesentlich niedriger als bei einem völlig neuen Spiel, das noch niemand kennt.

Das Risiko des Neuen
Doch obwohl den Sequels der Ruf als Erfolgsgarant zugeschrieben wird, kann eine solche Investition auch schnell nach hinten losgehen. Beispiele wie ‚Hitman: Contracts‘ oder ‚Baphomet’s Fluch 3‘ zeigen, wie schmal der Grat zwischen guter Fortsetzung und verprellten Fans ist. Zum einen verlangt die Spielerschaft zahlreiche Neuerungen, damit sich der Kauf des Sequels auch wirklich lohnt, denn keiner möchte über 50 Euro ausgeben und dafür nichts Neues geboten bekommen. Zum anderen aber wollen die Fans die Atmosphäre des vorangegangenen Teils vorfinden und erneut das spüren, was sie zuvor schon so daran gefesselt hat.

Geradezu ein Aufschrei ging durch die Community des Rollenspiels ‚Gothic‘, als Gerüchte über gleich fünf neue Titel der Serie die Runde machten, die Publisher JoWooD auf die Liste seiner guten Vorsätze für die nahe Zukunft gesetzt hat. Die Fans fürchteten zu Recht eine Ausschlachtung des Titels, die wohl unweigerlich auf Kosten des Inhalts gehen würde. Gleichzeitig jedoch war auch eine gewisse Neugier vorhanden. Die Aussicht auf mehr ist doch sehr verlockend.

Alles für den Mainstream
Nur wenn Publisher und Entwickler alles richtig machen, kann ein Sequel also durchaus positiv zu einer Serie beitragen. Und auch wenn immer mehr Spiele den Anschein erwecken, nur schnell den Erfolg des Vorgängers weiterzuführen, bestätigen die Verkaufszahlen die Strategie der Publisher. Schon Monate vorher wird ‚Need for Speed: Most Wanted‘ von eifrigen Nachwuchsrasern in den Läden und Online-Shops vorbestellt, um das heißersehnte Sequel gleich am Erscheinungstag in Händen halten zu können. Und so wird ein Spiel auch gerne mal auf Kosten des Vorgängers dem allgemeinen Trend angepasst. Bereits wenige Wochen nach dem Release hatte sich das Actionspiel ‚Prince of Persia: Warrior Within‘ über 1,8 Millionen Mal verkauft und damit den Erfolg des Vorgängers weit übertroffen. Dass ‚Warrior Within‘ mit dem Vorgänger nur noch wenig gemein hatte, störte zwar die wenigen Fans, Publisher Ubisoft und die Mehrzahl der Kunden aber offenbar nicht.

Auf der anderen Seite schaffen millionenfach verkaufte Reihen aber natürlich auch den Raum für Neues: Ein gutes Beispiel hierfür ist vielleicht ‚Spore‘. Das innovative Strategiespiel von ‚Sims‘-Erfinder Will Wright soll den Spieler an der Evolution hautnah teilhaben lassen; von dem Kampf einer Amöbe bis hin zur Beherrschung einer ganzen Galaxie.

Ein derartig mutiges Vorhaben würde Publisher Electronic Arts wohl nicht unterstützen, wenn er nicht verkauftsstarke Serien wie ‚Need for Speed‘ oder ‚FIFA‘ im Rücken hätte – und wenn Will Wright nicht schon mit dem ebenfalls mutigen ‚Die Sims‘ seine Genialität unter Beweis gestellt hätte.

Selbst wenn ‚Spore‘ bei den Spielern nicht ankommen sollte, hat EA genug andere Stützen um den Verlust aufzufangen. Für viele kleinere Publisher könnte ein Flopp dieser Dimensionen das Aus bedeuten, weshalb das Risiko den meisten zu groß ist und sie die Unterstützung neuer Spielversuche gar nicht erst in Betracht ziehen. Majesco, die in Nordamerika „etwas andere“ Titel wie ‚Psychonauts‘ und ‚Advent Rising‘ veröffentlichten, mussten das vor kurzem erst am eigenen Leibe erfahren.

Die Macht der Spieler
Es liegt an den Spielern, etwas zu ändern, wenn sie mit der Situation unzufrieden sind. Ihre Kaufentscheidung bestimmt, ob auch mal anderen Titeln eine Chance gegeben wird oder ob wir auch in den nächsten Jahren nur Spiele mit Zahlen in den Verkaufscharts sehen. So lange sich Sequels so gut verkaufen lassen, wird es immer wieder Neuauflagen verkaufsstarker Spiele geben. Das mag ein paar Mal gut gehen, doch irgendwann ist auch die beste Story zu Ende erzählt. Und wie heißt es so schön? Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.

Die bislang beste Mod für Half-Life 2

Spiele, bei denen mir noch heute ein wohliger Schauer den Rücken herunterläuft, wenn ich nur an sie denke sind ‚System Shock‘, ‚Deus Ex‘ oder ‚Tron 2.0‘. Alle drei boten großartige Singleplayer-Abenteuer, doch gute Multiplayer-Parts blieben ihnen verwehrt: Ausgerechnet Möchtegern-Cyberpunks mussten offline bleiben. Und Hoffnungen auf neue, kommerzielle Spiele dieser Machart bestehen aufgrund des geringen Spielerinteresses kaum. Braucht es aber auch nicht, denn mit ‚Dystopia‘ gibt es seit September eine Mod für ‚Half-Life 2‘, die genau das ist, worauf ich immer gewartet habe. Und noch so viel mehr.

David gegen Goliath
Der Reihe nach: ‚Dystopia‘ ist in einem klassischen Szenario angesiedelt, das Cyberpunks den bösen Sicherheitskräften eines Megakonzerns gegenüberstellt. Wie üblich unterscheiden sich die beiden Parteien geringfügig in ihrer Ausrüstung und natürlich ihrem Aussehen, die Spielziele sind jedoch identisch. In der Regel muss ein Team drei bis vier Punkte auf einer Map erobern, während die Gegner sie verteidigen. Nach einer vorgegebenen Zeit werden die Seiten gewechselt.

Virtuelle Welten
Soweit nichts Besonderes, doch ‚Dystopia‘ erweitert das zunächst an Spiele wie ‚Team Fortress‘ erinnernde Gameplay um eine zweite Ebene: Nicht nur in normalen, realen Umgebungen treffen die Parteien aufeinander, sondern auch im Cyberspace, der optisch besagtem ‚Tron 2.0‘ entnommen ist. Während sich manche Ziele wie etwa das Erreichen eines Stützpunktes nur in der echten Welt erfüllen lassen, können andere wie etwa das Knacken eines Sicherheitscodes nur im Cyberspace abgearbeitet werden. Zugleich lassen sich die bevorstehenden Aufgaben vereinfachen, indem beispielsweise automatische Geschütztürme gehackt und deaktiviert werden können.

Spielfigur im Eigenbau
‚Dystopia‘ spielt sich sehr taktisch und erinnert in puncto Charaktererstellung nicht von ungefähr an die anfangs erwähnten ‚System Shock‘ und ‚Deus Ex‘: Zu Beginn jeder Runde habt ihr die Wahl zwischen drei verschiedenen Klassen: Einer leichten, die agil aber verwundbar ist, einer mittleren, die den typischen Durchschnitt darstellt, sowie einer schweren, die zwar mit geballter Feuerkraft aufwartet, dafür aber jeden 100-Meter-Lauf gegen eine Schnecke verlieren würde. Ausgewählt werden darf außerdem eine Waffe, zum Beispiel ein effektives Maschinengewehr, eine schnelle Shotgun oder ein zielsicheres Scharfschützengewehr, sowie – und das ist der interessante Part – eine Reihe verschiedener Implantate.

Unsichtbar oder unübersehbar?
Da gibt es zum Beispiel die Tarnung, welche den Spieler im Stillstand unsichtbar und in der Bewegung zumindest durchsichtig macht. Da gibt es das Cyberspace-Modul, mit dem ihr eben in die unendlichen Weiten der Computerwelten abtauchen könnt. Und da gibt es natürlich auch defensive Erweiterungen wie etwa eine Thermalansicht, welche das perfekte Gegenmittel gegen die Tarnung ist. Das Radar, das euch für einen Moment alle Feinde in der Umgebung anzeigt. Oder das Heilungsmodul, das nicht nur eure eigene Energie sondern auch die eurer Mitstreiter im nahen Umkreis erfrischt. Wieviele Module ihr einbauen könnt, hängt ebenfalls von eurer Klasse ab: Schwere Soldaten müssen sich mit wenigen, kleinen Erweiterungen zufriedengeben, während die leichten sich geradezu hochrüsten können. Sie sind übrigens auch die einzigen, denen der Zugang zum Cyberspace möglich ist.

Alleine geht nichts…
Was ‚Dystopia‘ abgesehen von diesem ungewöhnlichen Ansatz zu etwas Besonderem macht, ist die Tatsache, dass ohne Teamplay hier wirklich nichts geht. Wie oft habe ich mich in ‚Counter-Strike‘ geärgert, dass es auf Public-Servern häufig wie ein ganz normales Deathmatch gespielt wird und von den vermeindlichen Teamaspekten nichts zu sehen war? Bei ‚Dystopia‘ ist das vor allem dank der zwei Ebenen anders: Siegen kann nur, wer sowohl in der realen Welt als auch im Cyberspace geschickt gemeinsam agiert. Derjenige, der in die Datenwelt abtaucht, muss nämlich von von seinem Team solange in der Realität beschützt werden – stirbt der Körper, stirbt auch der Geist. Gleichzeitig ist ‚Dystopia‘ aber nicht zu komplex: Nach ein paar Runden hat fast jeder das Prinzip verstanden.

…doch Mitspieler gibt es wenige
Dennoch hat ‚Dystopia‘ auch seine Probleme. Denn obwohl die aktuelle Beta-Version mit nur drei Maps aufwartet, wirkt die Mod in ihrer Entwicklung schon sehr weit fortgeschritten, ist beinahe fehlerfrei und sollte dem entsprechend eigentliche viele Spieler anziehen. Tut sie aber nicht: Obwohl Valve in seinem neuesten ‚Steam‘-Update sogar auf die Mod hinweist, habe ich selten mehr als zwei, drei Server gefunden, die einigermaßen gefüllt waren. Wie schon bei ‚System Shock‘ oder ‚Tron 2.0‘ scheint sich das Interesse in Grenzen zu halten.

Kommerzielles Bestreben
Das ist schade und könnte zugleich ein schlechtes Zeichen für die weitere Entwicklung der Mod sein: Das ‚Dystopia‘-Team spekuliert nach eigenen Angaben nämlich bereits seit einer Weile auf eine Zusammenarbeit mit Valve, um ‚Dystopia‘ gegen Geld über ‚Steam‘ zu vertreiben – was sich angesichts der mangelnden Spieler aber kaum lohnen dürfte. Ob die Entwicklung dennoch fortgesetzt würde, wird sich zeigen. Ich zumindest versuche meinen Teil dazu beizutragen.

Neue Abenteuer mit den süßen Tieren.

Es macht wieder Spaß, nichts zu tun! Als ‚Animal Crossing‘ vor zwei Jahren für den GameCube veröffentlicht wurde, wusste ich zunächst nicht viel damit anzufangen: Ein kleine, bunte Stadt mit vielen niedlichen Tieren – schön und gut. Aber wo bitte ist da das Spiel? Ein bisschen Unterhalten, ein bisschen Rumlaufen, viel mehr kann man nicht machen. Doch ‚Animal Crossing‘ hat seinen ganz eigenen Reiz und so schaltete ich selbst nach Monaten noch hin und wieder den GameCube an, um in meiner Stadt nach dem Rechten zu sehen. Jetzt ist mit ‚Animal Crossing: Wild World‘ ein erster Ableger für den Nintendo DS erschienen. Und es geht wieder von vorne los.

Hänschen klein…
Für diejenigen, die von ‚Animal Crossing‘ und ‚Wild World‘ noch nie etwas gehört haben, kurz zum Einstieg: Ihr spielt einen kleinen Jungen oder ein kleines Mädchen und zieht in eine fremde Stadt. Dort angekommen, seht ihr euch allerlei Problemen gegenüber, denn euer Portemonnaie ist leer und ihr seid so arm wie die sprichwörtliche Kirchenmaus. Zum Glück sind die Bewohner der Stadt überwiegend recht freundliche Tiere (ja, Tiere!), weshalb euch Geschäftsmann Tom Nook einen Kredit einräumt, welcher es euch ermöglicht, ein bescheidenes Haus zu kaufen. Ihr steht also in seiner Schuld und müsst das Geld sowie das in euch gesteckte Vertrauen zurückzahlen.

Für’s Leben lernen
‚Animal Crossing: Wild World‘ hat aber kein richtiges Spielziel; es lässt sich nicht durchspielen, um irgendwann zu sagen: „Jetzt habe ich alles erreicht!“ Stattdessen gibt es drei verschiedene Aufgaben, die sich im ständigen Fluss befinden: Zum einen versucht ihr, die Bewohner zufriedenzustellen. Während anfangs nämlich nur drei Tiere in eurer Stadt wohnen, was noch recht überschaubar ist, ziehen nach und nach neue Lebewesen hinzu, die alle besondere Ansprüche haben: Redet ihr nicht jeden Tag mit ihnen und erfüllt ihnen kleine Wünsche, werden sie traurig oder verlassen die Stadt sogar wieder.

Aufgabe zwei: Die Stadt schön und sauber zu halten. Die Bewohner fühlen sich nur wohl, wenn ihre Stadt sympathisch wirkt, Blumen statt Unkraut den Boden ziert. Und schließlich: Euer eigenes Haus zu verzieren. In regelmäßigen Abständen bewertet die HRA (House Rating Association) nämlich, was ihr in euren eigenen vier Wänden so treibt – und wer dabei schlecht abschneidet, bekommt schnell einen schlechten Ruf.

Nur noch ein Item! Wirklich!
Seinen Reiz bezieht ‚Animal Crossing: Wild World‘ daher im Wesentlichen aus dem bei fast jeden Menschen angeborenen Sammeltrieb, der auch zum Erfolg von Spielen wie ‚Die Sims‘ oder ‚Diablo‘ beitrug: Es gibt hunderte Einrichtungsgegenstände, die ihr in eurem Haus platzieren könnt, welche aber natürlich erst gefunden und gekauft werden müssen. Es gibt ganze Serien wie etwa nur weiße oder nur futuristische Möbel, die sich ergänzen – schon ein falsches Stück macht das gute Gesamtbild kaputt. Doch es geht nicht nur um euer Haus, sondern auch um das eigene Aussehen: Die Kleidung, welche ihr sogar selbst designen könnt, ist mindestens ebensowichtig. Und dann ist da ja noch das Museum, das Fossilien, Bilder, Fische sowie Insekten sammelt und allein von euch abhängig ist.

Mehr Eigenleben
Dennoch, obwohl es eigentlich doch so viel zu tun gibt, spiele ich ‚Animal Crossing: Wild World‘ anders: Nur die wenigsten werden in die Stadt gehen und versuchen, möglichst schnell das Museum zu füllen oder innerhalb weniger Tage das Haus komplett auszubauen. Vielmehr gehe ich in die Stadt, um mich zu entspannen, ein bisschen mit den Bewohnern zu reden oder mal eine Runde zu angeln. Das Faszinierendste am Spiel ist das Eigenleben der Tiere, das im Vergleich zur GameCube-Version stark erweitert wurde: Sie pflanzen nun selbständig Blumen vor ihren Häusern, haben viel mehr Interessen, feiern Geburtstage, unterhalten sich untereinander, können sich sogar verlieben, krank werden, und, und, und.

Auch für Workaholics
Die immer wieder stattfindenden Events haben zudem mehr den Wettkampfcharakter eines herkömmlichen Spiels: Beim Angelwettbewerb geht es beispielsweise darum, den längsten Fisch aus dem Wasser zu holen, so dass an diesem Tag jeder mit einer Angel durch die Gegend rennt. Auf dem GameCube ließ die Interaktivität in dieser Hinsicht doch sehr zu wünschen übrig. Aus „politischen Gründen“ wurden allerdings religiöse Festtage wie Weihnachten leider gestrichen. Auch den Kritikpunkt, dass man ‚Animal Crossing: Wild World‘ nicht zu jeder Tageszeit spielen kann, haben die Entwickler im Wesentlichen behoben. Zwar gehen die Bewohner noch immer ihrem Tagesablauf nach, der sich an der realen Zeit orientiert, aber es ist nicht mehr so, dass spätestens um 22 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt werden. Die Tiere bleiben länger wach und auch Tom Nook hat stets bis kurz vor Mitternacht geöffnet.

Virtuelle Freunde
Natürlich ist ‚Animal Crossing: Wild World‘ nicht für jedermann. Sein auf den ersten Blick seltsam anmutender Grafikstil – die kleinen Wesen mit den großen Köpfen – und das nicht vorhandene Spielziel mögen den ein oder anderen irritieren, wahrscheinlich sogar langweilen. Es ist ein ‚Die Sims‘ mit Persönlichkeit, mit lustigen, interessanten und nervenden Figuren, ein bisschen wie eine große WG. Und es hat so viel Charme und Witz, dass ich mir manchmal wünsche, Charaktere wie der wundervolle Teddy Stitches könnten aus dem Spiel auf meinen Schreibtisch hüpfen und sich tatsächlich mit mir unterhalten. Wann erlebt man das schon mal bei einem Videospiel?

Kein Meilenstein für die Reihe.

Ich hatte nie ein SNES, weshalb es für mich Anfang der 90er-Jahre immer etwas Besonderes war, zu einer Schulfreundin zu gehen, die diesen lustigen hellen Kasten bei sich zu Hause vor dem Fernseher stehen hatte. Zig verschiedene Spiele probierten wir damals aus, landeten letztendlich aber doch immer bei demselben: ‚Mario Kart‘. Nichts war lustiger, als sich gegenseitig die Schildkröten um die Ohren zu hauen, um kurz vor der Ziellinie den Gegner zu überholen. Nichts weckte mein Interesse an Spielen mehr als dieses kleine, simple Rennspiel. Jetzt, über zehn Jahre später, spiele ich wieder ‚Mario Kart‘ – dieses Mal allerdings auf dem Nintendo DS.

Features, Features, Features
Eigentlich hat ‚Mario Kart DS‘ alles, was es braucht, um es zu dem besten ‚Mario Kart‘ zu machen: Sagenhafte 8 Cups mit 32 Strecken, davon 16 Klassiker, die originalgetreu von SNES, N64, GCN und GBA auf den Nintendo DS portiert wurden. Zig verschiedene Karts und neue Charaktere aus dem Mario-Welt wie „Knochentrocken“, eine nicht mehr so ganz lebendige Kröte. Neue Waffen wie ein Octopuss, der Tinte versprüht, so dass man nur noch einen Teil des Bildschirms sieht. Sechs Arenen, zwei überarbeitete Duellmodi. Nicht zuletzt Multiplayer im Netzwerk oder über das neu eingerichete Onlineangebot, wahlweise sogar gegen ‚Mario Kart‘-lose DS-Besitzer. Und doch: ‚Mario Kart DS‘ hätte soviel mehr sein können.

Arcade mit Anspruch
Manche Dinge sollte man einfach so lassen, wie sie sind. Bei ‚Mario Kart DS‘ ist damit das Fahrmodell gemeint, das gegenüber den Vorgängern deutlich verändert wurde: Es ist komplexer, zugleich aber schwieriger nachzuvollziehen als in der Vergangenheit. Wann greift der Windschatten und wann nicht? Wie muss ich einen Gegner anfahren, um ihn zu schubsen und nicht selbst von der Piste zu fliegen? Warum ist Driften und Springen kombiniert und warum haben die Entwickler die Aktivierung des Speedboosts dabei so unvorteilhaft auf das Steuerkreuz gelegt? Zu einem gewissen Grade machen die Veränderungen ‚Mario Kart DS‘ natürlich anspruchsvoller, aber ist das ein erstrebenswertes Ziel? Gerade die leichte Zugänglichkeit und Verständlichkeit haben ‚Mario Kart‘ als schnelles Multiplayerspiel für Zwischendurch qualifiziert. Jetzt ist weitaus mehr Einarbeitsungszeit erforderlich.

Rennen oder Lotterie?
Dazu kommt, dass ‚Mario Kart DS‘ mehr auf den Faktor Glück setzt, als jeder andere Teil der Reihe. Wie oft musste ich bei Rennen gegen die KI-Fahrer kurz vor Schluss mehrere Abschüsse einstecken, um dann doch noch um den sicher geglaubten Sieg gebracht zu werden. Die Items und ihre Verteilung können einen enormen Frustfaktor darstellen, denn gerade wenn ihr besonders gut fahrt und das Feld anführt, seid ihr den Angriffen der Gegner nahezu schutzlos ausgeliefert: Gegen die blauen Kröten, die schnurstracks zum Führenden fliegen und ihn in die Luft schleudern, könnt ihr überhaupt nichts ausrichten. Doch auch gegen die zielsuchenden roten habt ihr kaum eine Abwehrchance: Wurdet ihr bei ‚Mario Kart: Double Dash!!‘ auf dem GameCube noch vor dem bevorstehenden Einschlag gewarnt und musstet lediglich schnell eine Bananenschale abwerfen, werdet ihr bei ‚Mario Kart DS‘ wieder von den Attacken überrascht. Angezeigt wird die Waffe lediglich auf der kleinen Karte des unteren Touchscreens, die ihr im Eifer des Gefechts aber nur selten im Auge behalten könnt. Gleiches gilt für falsche Kästen, die sich im Gegensatz zum GameCube nicht mehr an ihrem Aussehen erkennen lassen.

Die Unausgeglichenheit geht sogar so weit, dass die Chance auf gute Items nun ein Bestandteil der Fahrzeugstatistiken ist: Neben Werten wie Beschleunigung, Höchstgeschwindigkeit und Driften könnt ihr nun also auch ablesen, ob ihr im Rennen überwiegend die weitgehend nutzlosen Bananenschalen finden werdet oder auf hilfreiche Items wie Speedpilze und Unverwundbarkeitssterne hoffen dürft. Angesichts der großen Bedeutung der Items eine unglückliche Designentscheidung.

Weniger wäre mehr
Nintendo hat mit ‚Mario Kart DS‘ viel versucht: Sie haben versucht, Fans der Reihe zu begeistern, indem sie die Klassikerstrecken eingebaut haben. Sie haben versucht, erfahrene Spieler zu begeistern, indem sie Komplexität und Anspruch erhöht haben. Sie haben gleichzeitig versucht, auch Einsteigern Chancen zu geben und dafür die Waffenbalance überarbeitet. Sie haben Online-Features integriert, um Multiplayer-Fans zufriedenzustellen. Und irgendwo dazwischen ist ihnen der Spielspaß ein bisschen verloren gegangen. ‚Mario Kart DS‘ ist kein schlechtes Spiel, beileibe nicht: Vor allem gegen ein, zwei Freunde kann es wirklich viel Spaß machen. Aber nüchtern betrachtet, hat es mehr Schwächen und Verschlimmbesserungen, als einem lieb sein kann. Oder um es mit anderen Worten zu sagen: Wenn ‚Mario Kart‘ auf dem SNES so gewesen wäre wie ‚Mario Kart‘ auf dem Nintendo DS, würde ich diese Zeilen heute wahrscheinlich gar nicht schreiben.