Eigentlich hätte alles so schön sein können. Gemeinsam mit ihrer Mutter unternimmt die kleine Lara eine Reise ins schöne Bolivien. Doch plötzlich treten Turbulenzen auf, das Flugzeug beginnt sich aufzuschaukeln und ein paar Minuten später befinden wir uns wieder auf dem Boden der Tatsachen. Dort angekommen nimmt das Schicksal seinen Lauf: eure liebe Mutter begeht nämlich den fatalen Fehler ein mehr oder weniger sagenumwobenes Schwert aus einem Altar zu ziehen. Blöd für sie zudem, dass sie danach in einer Art Parallelwelt gefangen zu sein scheint. Dumm für uns, dass sich das Schwert nach dieser Glanzleistung in seine Einzelteile zerlegt hat und nun quer über die Welt zerstreut wurde.
Hier beginnt dann auch das Abenteuer unserer Lieblings-Schatzjägerin. Gleich zu Beginn wird eines deutlich: Laras Hupen haben zwar an Größe verloren, ihr Bewegungsrepertoire übersteigt aber immer noch das eines gewöhnlichen 08/15-Actionhelden. Während letzterer nämlich froh ist, sich im Kreis drehen zu dürfen, beherrscht Lara es gekonnt, sich an Abgründen entlang zuschlängeln, über wahnsinnig tiefe und breite Abgründe zu springen und elegant an einem Seil durch die Luft zu schwingen. Klar, das konnte die Gute auch in Angel of Darkness schon hervorragend, nur ging es uns PC-Spielern selten leichter von der Hand als im nunmehr siebten Teil der Saga. Selbst mit Maus und Tastatur steuert sich Lara so kinderleicht wie ein Egoshooter. Ein paar mehr Tasten als die gewohnte WASD-Konfiguration brauchen wir zwar nach wie vor, das Tutorial, was gleichzeitig auch das erste Level darstellt, führt uns jedoch geschickt in den Umgang mit Lara ein.
Genug der Details, wir haben ja schließlich noch eine kleine Weltreise vor uns. Sieben unterschiedliche Länder besucht Lara auf ihrer Suche nach den Fragmenten des Schwertes. So machen wir uns auf in die Tropen (Bolivien), klettern in alten Grabkammern (Peru, Ghana) und mächtigen Tempelanlagen (Nepal) umher und leisten auch so skurrilen Orten wie einem stillgelegten Prinz-Eisenherz-Musuem (England) oder einem geheimen Militärstützpunkt der Russen in Kasachstan einen Besuch ab. Für Abwechslung ist also allemal gesorgt. Und wer von euch dann in einem Motorrad über die Dächer Tokios fliegt, der wird schnell merken, worauf der neueste Streich klar ausgelegt wurde.
Action heißt das Zauberwort bei Legends. Da fliegen euch die Kugeln in wilden Gefechten um die Ohren oder ihr liefert euch mit den Schergen eures ärgsten Widersachers eine wilde Verfolgungsjagd auf dem Motorrad. Auch so manch eine Falle fordert euer ganzes Geschick, denn hier gilt es, im richtigen Moment eine bestimmte Taste zu drücken, um zu überleben. Zumindest theoretisch sollten diese Quick-Timer-Events, welche uns auch schon aus Fahrenheit in eher schlechter Erinnerung geblieben sind, euer Geschick fordern. Dummerweise fallen diese Stellen viel zu leicht aus. Um sie zu meistern, könnt ihr auch eure 80-jährige Omi vor den PC setzten und erstmal gemütlich ’ne Runde Kaffee trinken. Selbiges gilt übrigens auch für die Scharmützel mit den unzähligen Soldaten. Einfach drauf halten und nur nicht stehen bleiben. Das Zielen übernimmt schon die Automatik für euch. Verwirrung kommt höchsten dadurch auf, dass alle Soldaten gleich aussehen. Nur in ihrer Bewaffnung unterschieden sich die Antagonisten. Da hatten die Charakterdesigner wohl keinen Bock mehr.
Zum Glück machen die Kämpfe nur gut 30 bis 40 Prozent des eigentlichen Spiels aus und sind sehr opulent inszeniert. Die restliche Zeit verbringt ihr damit, die mal mehr und mal weniger kniffligen Klettereinlagen zu meistern. Veteranen der vorherigen Teile sollten sich hierbei übrigens nicht zu viel versprechen. Zwar fällt ab und an mal ein Stein unerwartet von oben auf eure Heldin hinab oder der Boden bröckelt euch unter den Füßen weg, wirklich herausfordernd ist das Gros der Abschnitte aber wohl wirklich nur für Einsteiger. Passend dazu fallen auch die Rätsel eher simpel aus. Bis auf das obligatorische Kistenschieben, welches nun dank einer Physik-Engine realitischer verläuft, gibt es nur selten Abwechslung. Diese fällt dann dank netter Ideen durchaus positiv auf, bleibt aber trotzdem auf dem selben Niveau und ist überdies noch leicht durchschaubar.
Trotzdem sollten sich auch alte Hasen Tomb Raider: Legend anschauen. Zu gut sehen einfach die einzelnen Level aus: da tropft Wasser von den Wänden, ein malerischer Regenbogen tut sich vor einem gigantischen Wasserfall auf, während Vögel an euch vorbeifliegen, oder ein riesengroßer Felsen rollt alles nieder, was ihm in den Weg kommt. Die Landschaften machen immer den Eindruck, als würden sie aus einem Urlaubsprospekt stammen. Selbst die verschneite Militärbasis in Kasachstan versprüht mit ihren vielen kleinen Details den Charme alter James-Bond-Filme.
Die Charaktere selbst stehen der Opulenz der Landstriche dabei in nichts nach. Lara ist nicht nur geschmeidig wie eine Katze animiert, wer will kann sogar ihre Hautporen erkennen. In den Zwischensequenzen trägt zudem die Mimik der einzelnen Protagonisten einiges zur Atmosphäre bei.
Apropos Atmosphäre: die Musik untermalt das Geschehen durchaus angemessen, setzt bei Kämpfen jedoch meist zu früh ein. Dafür entschädigen die Soundeffekte locker. Während in den Tropen die Vögel singen, hört man in den nassen Gemäuern einer Grabkammer das Wasser von den Wänden tropfen. Darüber hinaus verändern sich auch die Laute Laras, je nachdem in welcher Umgebung sie sich gerade befindet. In Höhlen kann man also ein Hallen vernehmen, während es in den Tropen zu einem leichten Echo kommt.
Wir hatten die Brüste, die Kämpfe, das Klettern und den technischen Krams, was fehlt also noch? Logisch, die Handlung hatten wir bis jetzt nur kurz angerissen. Gut 60 Zwischensequenzen treiben die Handlung voran. Die Länge variiert dabei von ein paar Sekunden bis hin zu mehreren Minuten. So viel zu den Fakten. Was Tomb Raider: Legend dabei anders macht ist die Erzählweise. Wo andere Spiele einfach stumpf ein Gespräch aus zwei unterschiedlichen Kameraperspektiven darstellen, geht’s hier schon fast cineastisch zu. Da wird scharf geschnitten, unterschiedliche Kameraperspektiven wechseln sich ab und, wie schon beschrieben, die Emotionen der einzelnen Charaktere zeichnen sich wirklich in deren Gesichtern ab. Viel wichtiger als das ist jedoch die Glaubwürdigkeit der Story. Jeder versteht, warum Miss Croft diese Strapazen auf sich nimmt. Spannende Wendungen sucht man hier zwar vergebens, dafür ist die Handlung in sich stimmig und bleibt bis zum Schluss unterhaltend.
Nach so viel Worten des Lobes muss ich am Schluss leider doch noch einmal den Zeigefinger heben. Tomb Raider: Legend ist schnell vorbei. Zu schnell, denn nach sieben Stunden haben geübte Spieler alles gesehen. Wer will kann sich dann zwar noch in Laras Anwesen austoben und Extras frei spielen, das dauert allerdings auch nur ein oder zwei Stunden. Weiterhin sucht man Innovationen oder große Neuerungen mit der Lupe. Klar, das Spielprinzip funktioniert und die Handlung ist fesselnd, ein wenig mehr hätte es dann aber schon sein können.
Richtig auffällig wird das, wenn man bedenkt, dass Tomb Raider: Legend gut drei Jahre in der Entwicklung war. Vielleicht wollte Eidos einfach nicht mehr riskieren, als man es aus ihrer Sicht mit dem Wechsel das Entwicklers schon getan hatte. Ein paar frischere Ideen hätten Laras neuestem Abenteuer aber schon gut getan – und nein, die billigen Quick-Timer-Events zählen hier nicht. Im Endeffekt bleibt ein gutes Action-Adventure übrig, mehr leider auch nicht.
Der anfänglichen Euphorie über die schicke Grafik, die einfache Steuerung und die erfrischend anders erzählte Handlung weicht schon bald ein wenig Enttäuschung. Warum diese nervigen Quick-Timer-Events? Warum fallen die Kletterpassagen und Kämpfe so leicht aus? Wo bleiben die Neuerungen? Alles Fragen, auf die wir im späteren Spielverlauf leider auch keine Antworten bekommen.
Klar, Legend ist das erste Tomb Raider seit langem das frisch wirkt. Nur leider steckt hinter der neuen Kulisse aus grandioser Optik und geschickt erzählter Hintergrundgeschichte wenig Neues in Sachen Gameplay. Und selbst das, was da ist, haben Kenner der Vorgänger viel zu schnell gemeistert. Hier hätte Crystal Dynamics einfach mehr bieten müssen.
Trotz alledem macht Legend natürlich Spaß. Eine Menge Spaß, um genau zu sein. Es macht einfach wieder Laune an meterhohen Abgründen herumzubaumeln oder todesmutig über heißer Lava hinweg zu schweben. Endlich mal wieder kein stupides Dauerfeuer, sondern nette Kletterpassagen. So hat Lara die dreijährige Pause doch gut getan. Denn einen Vorteil hat Legend im Vergleich zu seinen Vorgängern: wir haben Lara dieses Mal wirklich vermisst