Aufbauen, pflegen, planen und im Notfall wieder abreißen — Aufbausimulationen haben am PC eine lange Tradition und gerade in Deutschlang waren sie Mitte des 90er Jahre eines der beliebtesten Genres. Doch irgendwann hatte man schlicht genug gebaut, gemanaged und gepflegt und bis auf ein paar enorm populäre Serien begann das große Sterben dieser Gattung.
Nun landete mit City Life ein neuer Vertreter auf meinem Schreibtisch. Der erste Blick auf die Screenshots der Packungsrückseite ließen einen klassischen Sim-City-Klon in verdammt schönen, neuen Kleidern vermuten. Doch manchmal irrt sich selbst die erfahrene Spieletesterspürnase noch, aber seht am besten selbst.
Klar, ebenso wie bei Maxis Urahn aller Städtebausimulationen (wer hat eigentlich dieses Wort erfunden?) greift ihr bei City Life erst einmal zum Spaten und stampft sowohl Wohnungen als auch Arbeitsplätze aus dem Boden. Doch allein schon bei diesem Aspekt zeigen sich deutliche Unterschiede zum Quasi-Vorbild. Während man bei letzterem nämlich einfach wahllos irgendwelche Zonen errichtet, heißt es bei Monte Cristos Machwerk sich genauer Gedanken darüber zu machen, wo was stehen soll.
Schließlich bauen wir hier nicht für eine undefinierte graue Masse an Leuten billige Wohn- und Arbeitsplätze, sondern müssen uns mit verschiedenen Schichten rumschlagen. Eingangs stehen uns nur die Tagelöhner, Arbeiter sowie Hippies als potentielle Bevölkerungsschichten zur Verfügung. Wer will, dass es sich Reiche, Trendsetter sowie Schlipsträger in seiner Stadt bequem machen, der muss schon einiges mehr an Unterhaltung und auch Versorgungseinrichtungen bieten. Denn so lebendig wie sich das Schichtenmodell anhört, so arbeitsaufwendig ist es auch. Es vertragen sich schlussendlich nicht alle Schichten untereinander und so kann es zu Konflikten zwischen den einzelnen Parteien kommen. Wenn sich dann also Erwin der Automechaniker mit Ursula der Hippiebraut anlegen, dann herrscht Großalarm.
Anfangs muss man solche Spannungen noch hinnehmen, fehlen einem doch das Geld für Einrichtungen wie die Polizei oder ein Zentrum zur Völkerverständigung. Doch im weiteren Spielverlauf werden sie unerlässlich, will man nicht riskieren, dass sich aus dem kleinen Nachbarschaftsstreit ein Großbrand entwickelt.
Allgemein solltet ihr als Bürgermeister in eurer Metropole ziemlich viel Wert darauf legen, dass die einzelnen Gruppen mit dem versorgt sind, was sie wollen. Dabei steigen natürlich die Anforderungen der einzelnen Bevölkerungsgruppen enorm. Reicht Tagelöhnern ein schäbiger Basketballplatz zu haben, so stehen Hippies auf laute Konzerte und Trendsetter auf teure Luxusbars. Wer dem nicht nachkommt verliert diese wertvollen Bevölkerungsschichten.
Wessen Stadt also nicht zur größten Asimetropole der Welt verkommen soll, der muss investieren, expandieren und dabei immer auf den Plan achten. Doch gerade hier fehlt es etwas an Übersicht. So kosten bessere Bildungseinrichtungen einen Haufen Geld und belasten unsere Bilanz. Auch zu wenige Kraftwerke drücken unseren monatlichen Gewinn stark nach unten. Doch bis man allerdings dahinter gekommen ist, vergehen manchmal ein paar Minuten, die spielentscheidend sein könnten. Es fehlen Komfortfunktionen wie die Berater aus Sim City 4.
So ist es dann auch ein harter Weg vom verschlafenen Provinznest hin zu einer Millionenstadt. Die mannigfaltigen Ansprüche der einzelnen Schichten sowie deren Konflikte sorgen dabei immer wieder für neue Herausforderungen, was in den meisten Fällen für Motivation sorgt und dem Spiel seinen einzigartigen Reiz verleiht. Wenn zum Beispiel auf einmal die halbe Stadt in den total hässlichen Pylogon-Flammen steht, dann wird einem schmerzlich bewusst, dass man evtl. doch zu wenig Geld für die Feuerwehr ausgegeben hat und den seit Monaten schwelenden Konflikt zwischen Arm und Reich wohl doch unterschätzt hat. Wie gut, dass man vor ein paar Minuten gespeichert hat – oder etwa doch nicht?
Eure Stadt präsentiert sich darüber hinaus zwar nicht so schön, wie auf den Packungsfotos – hier kommt wohl eine seit den 90er Jahren abgeschaffte Unsitte mal wieder voll zum tragen – gehört aber mit dem Besten, was man in diesem Genre bisher gesehen hat. Jeder einzelne Bewohner wurde, wenn man die Masse bedenkt, recht liebevoll modelliert und weißt die typischen Erkennungsmerkmale seiner Klassen auf.
Auch die Gebäude wurden passend zur darin lebenden Schicht gestaltet und weisen hier und da ein paar witzige Details auf. Leider beschränken sich die einzelnen Gebäude immer auf einen Modelltyp der jeweiligen Klasse, das dient zwar der Übersicht, lässt eure Stadt aber seltsam uniform erscheinen. So kann es passieren, dass eine komplette Straße immer von demselben Gebäudetyp eingerahmt wird.
Die letzte Watsche gibt es zum Schluss und das nicht ohne Grund, soll sie den Entwicklern doch noch lange im Ohr verhallen: Da gebt ihr euch so eine große Mühe diesem modrigen Genre neue Ansätze zu verleihen und ihr vergesst dabei, für eine unterhaltsame und spannende Kampagne zu sorgen.
Anfangs mag es ja noch motivieren, eine gewisse Bevölkerungszahl zu erreichen um neue Gebiete frei zu schalten. Diese Idee wird auch dadurch nicht besser oder gar abwechslungsreicher wenn ihr noch ein, oder zwei Faktoren wie einen bestimmten monatlichen Gewinn oder die prozentuale Verteilung der einzelnen Schichten mit dazu nehmt. Nach zwei, drei Missionen meldet sich dann einfach der kluge Spieletesterverstand und fragt: Kommt da noch was?
Leider nein, lautet die Antwort darauf und lässt ein paar Fragen aufkommen. Warum erzählt ihr nicht einfach eine spannende Geschichte oder stellt den Spieler vor andere Aufgaben, wie z.B. das Lösen eines lang anhaltenden Konfliktes innerhalb eines festen Zeitrahmens?
Der Güte des eigentlichen Gameplay mag dies kaum etwas anhaben und echte Aufbaufetischisten lassen den Missionsmodus eh links liegen und basteln im freien Modus drauf los, dennoch wäre eine schön ausgearbeitete Kampagne das Tüpfelchen auf dem I gewesen, schade!
City Life ist für Aufbauliebhaber sicherlich ein Eldorado. Die unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen sorgen dabei immer wieder für neue Impulse im Spiel und lassen so schnell keine Langeweile aufkommen. Umso ärgerlicher ist es, dass die Entwickler den Missionsmodus mit ihren 08/15-Aufgaben allzu bieder gestaltet haben. Wer hier Abwechslung oder gar Spannung sucht, der kann gleich im Schwarzwald nach Gold suchen. Trotzdem versprüht City Life ein wohltuend anderes Flair als die x-te Auflage eines gewissen Aufbauklassikers. Denn wo Sim City seit Jahren kaum neues bietet und spielerisch stagniert, rüttelt City Life an den alten Werten dieses Genres und das ist auch gut so.