Es war einmal ein Geheimnis

Nein, dies ist kein normaler Testbericht. Nicht die tausendste Analyse von Spielbarkeit, Grafik und Soundkulisse. Es gibt auch kein Fazit am Ende des Textes. Nein, besser noch: Dies hier ist das Fazit. Okay, eine Ode würde besser zum Folgenden passen, aber wir wollen ja mal nicht übertreiben.

Ihre kennt sicherlich alle Baphomets Fluch? Einige von euch haben George und Nicos Reise sicherlich auch bis zum Ende miterleben dürfen. Und nur ganz wenige von euch waren davon enttäuscht. Baphomets Fluch hatte anno 1996 einfach alles, was ein verdammt gutes Adventure braucht. Es vermittelte dieses Gefühl mit dem ein mäßig erfolgreicher Sportsender mit einen unterirdisch schlechten Programm auch schon warb, eben dieses „mittendrin statt nur dabei“-Gefühl. Was passten George und Nico perfekt zusammen. Wie liebevoll waren die Charaktere ausgearbeitet! Wie verstrickt und spannend die Geschichte arrangiert! Und mit wie viel Liebe wurde das damals alles umgesetzt!

Ehrlich gesagt endete mit dem Abspann von Baphomets Fluch auch eine Ära für mich. Seit diesem Moment gab es zwar durchaus Spiele, die den Reiz eines Baphomets Fluch bei mir noch einmal erwecken konnten. Doch, wo die beiden Nachfolger es an Brillanz vermissen ließen, Black Mirror und Syberia mich durch ihre Kälte abstießen und Still Life zu kurz, zu unpersönlich und vor allem zu unbefriedigend war, da kommt nun ein freches Mädel daher und strahlt mit ihrer Suche nach dem vermissten Vater wieder diese Wärme aus.

Jawoll, in Geheimakte Tunguska kann ich mich endlich wieder mit den Charakteren identifizieren. Sie sind weitaus mehr als nur eine bloße unpersönliche Skizze eines an sich tiefgründigen Menschen. Sowohl die Prota- als auch die Antagonisten haben Ecken und Kanten, zeichnen sich durch Vorlieben aus und drücken hier und da auch mal ein paar zynische Worte durch ihren Mundspalt. Kurz: was Geroge und Nico, sowie der kautzige Inspektor für Baphomtes Fluch, dass sind Nina, Max und Olga für die Geheimakte Tunguska.

Okay, die sich anbahnende Liebesgeschichte ist kitschig und könnte jedem besseren Hollywood-Blockbuster entstammen. Doch sie hat die Peinlichkeit einer Romanze aller Pearl Habour klar verpasst und ergibt sich, wenn auch zu offensichtlich, als logische Konsequenz aus der Handlung. Außerdem: Wünschen wir Max und Nina am Ende von Geheimakte Tunguska nicht genau so eine glückliche Beziehung, wie wir es George und Nico am Ende von Baphomets Fluch gewünscht haben? Genau, eben das tun wir, und deswegen kann man über die doch etwas gekünstelte Zusammenfindung der beiden hinweg sehen.

Auch sonst mag die Handlung bestenfalls bodenständig sein: die wenigen Wendungen ahnt man irgendwie schon vorher und auch sonst verläuft die Geschichte strickt linear. Dennoch bietet sie uns ein spannendes und glaubwürdig erzähltes Szenario, was nicht schon x-fach verwurstet wurde. Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, wann erleben wir so etwas schon mal in einem PC-Spiel?

Wer ganz gemein ist, der könnte den Herren Entwickler durchaus unterstellen, sich – sagen wir mal – gut vom Fluchen des Baphomets inspiriert haben zu lassen. Die Gemeinsamkeiten sind da doch einfach zu offensichtlich. Wir haben: ein mehr oder weniger historisches sowie reales Ereignis, einen Hauptcharakter mit nettem Sidekick, teils zynische teils sarkastische Kommentare, ein angedeutete Liebesgeschichte und zu guter Letzt die liebevolle Umsetzung.

Schlussendlich lässt sich also ziemlich gut feststellen, dass das was 1996 schon gut funktioniert hat, auch heute noch ein ziemlich gutes und unterhaltsames Adventure abgibt. Schade dabei ist eigentlich nur, dass den Jungs von Fusionsphere Systems mit Geheimakte Tunguska nicht mehr als eine sehr gute Neuinterpretation von Baphomets Fluch gelungen ist. Das ist zwar an sich überhaupt nichts Schändliches, sollte aber wenigstens die Frage zu lassen, ob man sich nicht wenigstens irgendetwas kleines Innovatives hätte einfallen lassen können? Das Snoop-Key-Feature* lasse ich übrigens nicht als Argument durchgehen, das hatte Simon the Sorcerer 2 nämlich schon vor knapp zehn Jahren…

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* Ihr habt die Möglichkeit mit einem Klick auf das Lupen-Symbol alle Objekte auf dem Bildschirm aufzudecken. Dies soll verhindern, dass ihr wichtige Gegenstände einfach so überseht.

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