Bohemia Interactive landete mit Operation Flashpoint einen echten Überraschungshit. Umfangreicher, authentischer, aber auch schwerer war keine Militärsimulation zuvor. Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis ein echter Nachfolger zu dem von Fans geliebten Schlachten-Epos erscheinen würde. Denn bis zum Release von Dragon Rising wurden bereits Armed Assault 1 und 2 von Bohemia in die Läden gespült, welche einen durchaus ansprechenden Spielkern durch Bugs unzugänglich machten. Entsprechend lang war die Wartezeit auf einen offiziellen Nachfolger und entsprechend groß die Hoffnungen in ihn. Viele Fans fragten sich nun, ob dem großen Namen nun auch ein großes Spiel folgt.
Die ganze Kampagne spielt sich auf Skira ab, einer 220km² großen, unter russischer Kontrolle befindlichen und mit reichen Ölvorkommen gesegnete Insel. China liegt diesbezüglich auf dem Trockenen und plant nun eine Militär-Offensive gegen das Eiland zu starten. Um diesen Einmarsch zu verhindern schlüpfen wir im Laufe der 11 Missionen abwechselnd in die Haut von zwei namenlosen US-Marines. Hintergründe zu sämtlichen Darstellern des Spiels fehlen, hier hätte eine Menge Atmosphäre geschaffen werden können. Sei es drum: Wir werden trotzdem in der ersten Mission auf einem kleinen Ableger der Insel abgesetzt, um eine Satellitenanlage auszuschalten. Mit dabei sind drei computergesteuerte Mitstreiter, denen wir per Ringmenü oder Taktikkarte Befehle erteilen können. Das funktioniert in der Regel recht problemlos und eröffnet uns eine Großzahl von taktischen Möglichkeiten. Bereits in den Anfängen der Kampagne können wir so Flankenangriffe und Sperrfeuer steuern.
Auf dem Weg zu unserem ersten Wegpunkt überqueren wir Täler und Hügel, schöne Vegetation und einen traumhaften Sonnenaufgang. Optisch spielt Dragon Rising ganz oben mit. Die PC-User zahlen dafür den Preis von hohen Systemanforderungen, ansonsten darf die Grafikpracht direkt wieder heruntergeschraubt werden. Insbesondere die hohe Sichtweite zehrt an der Hardware, ist aber besonders im Multiplayer-Modus lebenswichtig. Nachdem wir nun die Satellitenanlage ausgeschaltet haben, liegt ein kleines Dorf vor uns. Unsere nächste Aufgabe ist die Stürmung des Dorfes und das Ausschalten sämtlicher dort stationierter Truppen. Mit Verlaub: Schon hier hatte ich den einen oder anderen Schweißtropfen auf der Stirn, denn eines ist Dragon Rising in jedem Fall: Verteufelt schwer. Nach wilden Feuergefechten, Funksprüchen und Granateneinsatz ist das Dorf gesichert. Die erste von 11 Missionen nähert sich dem Ende – und was folgt? Eine schnöde Statistik mit Excel-Charme! Nun gut, ein echter Soldat lacht über solche Kleinigkeiten. Was mich mehr gestört hat ist der generelle Umfang der Kampagne. Nach knappen 10 Stunden sind alle Missionen gespielt, Fahrzeuge kommen nur sporadisch zum Einsatz, den Helikopter dürfen wir tatsächlich erst in der allerletzten Mission steuern. Und was nützt mir eine schöne, offene Welt, wenn alle Missionen strikt nach Wegpunkt abzuarbeiten sind? Aber ein echter Flashpoint-Kenner lechzt natürlich nicht nur nach dem Singleplayer-Modus. Er möchte sich mit echten Mitspielern in den Kampf stürzen, Taktiken aushecken, Stellungen stürmen und wichtige Kontrollpunkte einnehmen.
Doch hier enttäuscht mich Codemasters in erster Linie. Es gibt nur zwei Spielmodi und insgesamt vier Mehrspieler-Karten. Während Deathmatch in der Praxis ein recht untaktisches Scharmützel bietet, ist Infiltration der einzig „echte“ Multiplayer-Modus für Kenner des ersten Teils. Hier geht es um das Stürmen und die Verteidigung von Gebieten. Darüberhinaus darf die Kampagne mit bis zu drei Mitstreitern kooperativ bestritten werden. So trifft man sich im Teamspeak, klügelt Taktiken und setzt den Plan dann im Spiel um – sehr unterhaltsam!
Die Feuergefechte, ob nun im Multi- oder Singleplayer sind sehr intensiv. Die ganze Kulisse ist optisch und akustisch sehr beeindruckend und das Kommando-System bietet dem geneigten Taktiker viele Möglichkeiten. Trotzdem hinkt Dragon Rising dem ersten Teil in Sachen Umfang und Spieltiefe ein gutes Stück hinterher. Vier Multiplayer-Maps sind einfach zu wenig, die Singleplayer-Kampagne ist zu kurz und die Story reichlich belanglos. Dem Open-World Konzept nimmt man mit dem linearen Missionsaufbau fast sämtlichen Wind aus den Segeln. So bleibt für mich lediglich die Hoffnung, dass findige Modder baldigst neue Kampagnen und Maps stricken. Wer ein unglaublich intensives, realistisches und viel zu kurzes Kriegserlebnis sucht, der sollte aber einen Blick riskieren!