Über ein halbes Jahr ist vergangen, seit Telltale Games mit ‚Out from Boneville‘ den ersten Teil seiner ‚Bone‘-Reihe veröffentlicht hat. Und so groß die Hoffnungen der Adventurefans an das überwiegend aus Ex-LucasArts-Entwicklern bestehende Team waren, so groß war seinerzeit die Enttäuschung: Für rund 20 US-Dollar bekamen sie eine gerade mal zwei Stunden lange Episode, die sowohl spielerisch als auch technisch weder zeitgemäß sein sollte, noch den Erwartungen gerecht wurde. Telltales zweites Spiel, das im Vormonat erschienene ‚CSI: 3 Dimensions of Murder‘, mehrte die Skeptiker eher noch, als sie ruhigzustellen. Doch jetzt ist die zweite ‚Bone‘-Episode erhältlich und die macht (fast) alles besser.
Aus den Fehlern gelernt<br />
Um es gleich vorwegzunehmen: Den größten Kritikpunkt an ‚Out from Boneville‘ hat Telltale Games behoben. Das zweite Kapitel, das auf dem Namen ‚The Great Cow Race‘ hört, ist mit einer durchschnittlichen Spielzeit von vier Stunden nicht nur ungefähr doppelt so lang wie das erste Kapitel, sondern mit einem Preis von 12,99 US-Dollar auch noch wesentlich billiger. Vor den meisten Retail-Adventures braucht sich ‚Bone‘ damit nicht mehr zu verstecken: Die je 40 Euro teuren ‚Nibiru‘ oder ‚Ankh‘ etwa ließen sich von einem erfahrenen Spieler in acht Stunden oder sogar weniger bewältigen.
Zwischen Liebe und Betrug<br />
Zur Story: ‚The Great Cow Race‘ basiert auf dem zweiten Comicbuch der ‚Bone‘-Reihe und knüpft natürlich an die Ereignisse aus ‚Out from Boneville‘ an. Der durchtriebene Phoney Bone will gemeinsam mit dem lebensfrohen Smiley Bone bei einem Kuhrennen groß absahnen, während der sensible Fone Bone Annäherungsversuche bei seiner geliebten Thorne unternimmt. Phoney Bones Aufgabe besteht darin, die Dorfbewohner davon zu überzeugen, auf eine geheimnisvolle Kuh zu setzen, die von Smiley Bone gespielt wird, der allerdings erst das dafür notwendige Kostüm zusammenflicken muss. Fone Bone schlägt sich derweil mit einem Kontrahenten im Kampf um Thornes Herz herum und sowieso kommt selbstverständlich alles anders, als geplant. Zumal die Bones auch noch von einer dunklen Macht gesucht werden …
Drei Episoden in einer
So spielt ihr in ‚The Great Cow Race‘ gleich drei Charaktere, was ein wenig an den Klassiker ‚Day of the Tentacle‘ erinnert – allerdings ist der Einfluss der drei aufeinander gering. Vielmehr verfolt jeder seine eigenen Ziele und ist auf sich allein gestellt. Dennoch ergibt die Unterteilung in drei kleine Abschnitte Sinn, könnt ihr euch doch zunächst an einer anderen Aufgabe versuchen, wenn ihr mit einem Charakter gerade nicht vorankommt.
Die Rätsel von ‚The Great Cow Race‘ sind komplizierter und durchdachter als in der vorherigen Episode, auch wenn Adventurekenner nicht unbedingt auf Überraschungen stoßen werden. Wie oft haben wir schon nach Einzelteilen für ein Kostüm oder eine Puppe gesucht? Schön ist, dass sich Dialog- und Kombinationsrätsel in etwa die Waage halten und das Spiel auf Wunsch sinnvolle Tipps bereit hält.
Überraschend vielseitig
Die große Stärke von ‚The Great Cow Race‘ liegt aber in den drei so unterschiedlichen Charakteren, die in teilweise hervorragend geschriebenen Gesprächen gut zur Geltung kommen. Wer übrigens glaubt, ‚Bone‘ sei ein reines Fest für die Lachmuskeln, liegt falsch: Während das große Kuhrennen an sich und die Passagen mit Smiley und Phoney tatsächlich sehr lustig und bissig sind, ist Fone Bones Rolle erstaunlich düster und die Liebesgeschichte zu Thorne fast schon herzzerreißend depressiv. Interessant wird es daher sein, zu sehen, wie Telltale Games die nächsten ‚Bone‘-Abenteuer umsetzt, die noch weiter in diese Richtung gehen und zudem weniger Action bieten.
Auch was die Grafik angeht, hat Telltale Games mit ‚The Great Cow Race‘ deutliche Fortschritte gemacht. Zwar gibt es vor allem bei den Animationen noch viel Spielraum nach oben, aber nicht zuletzt die Umgebungen wirken doch wesentlich liebevoller als bei ‚Out from Boneville‘. Die Darstellung der Charaktere kommt dem Comicvorbild erneut sehr nahe und auch die Sprecher erfüllen ihre Aufgaben zur vollsten Zufriedenheit. Allenfalls die zu langen Ladezeiten trüben den Eindruck von der Präsentation.
So soll es sein
Um es zum Schluss und auf den Punkt zu bringen: ‚The Great Cow Race‘ ist das beste Comic-Adventure, das ich in den letzten Jahren gespielt habe – ja, auch das schon sehr gute ‚Ankh‘ kann da nicht mithalten. Weil zudem das Preisleistungsverhältnis stimmt, führt für echte Adventurefans kein Weg an dem Spiel vorbei. Wenn Telltale weiter aus den wenigen verbliebenen Schwächen lernt und sich vielleicht sogar noch steigert, dann freue ich mich schon auf ‚Bone 3‘ sowie den Auftakt zu neuen Abenteuern mit ‚Sam & Max‘. Beides soll im Herbst erscheinen.