Die bislang beste Mod für Half-Life 2

Spiele, bei denen mir noch heute ein wohliger Schauer den Rücken herunterläuft, wenn ich nur an sie denke sind ‚System Shock‘, ‚Deus Ex‘ oder ‚Tron 2.0‘. Alle drei boten großartige Singleplayer-Abenteuer, doch gute Multiplayer-Parts blieben ihnen verwehrt: Ausgerechnet Möchtegern-Cyberpunks mussten offline bleiben. Und Hoffnungen auf neue, kommerzielle Spiele dieser Machart bestehen aufgrund des geringen Spielerinteresses kaum. Braucht es aber auch nicht, denn mit ‚Dystopia‘ gibt es seit September eine Mod für ‚Half-Life 2‘, die genau das ist, worauf ich immer gewartet habe. Und noch so viel mehr.

David gegen Goliath
Der Reihe nach: ‚Dystopia‘ ist in einem klassischen Szenario angesiedelt, das Cyberpunks den bösen Sicherheitskräften eines Megakonzerns gegenüberstellt. Wie üblich unterscheiden sich die beiden Parteien geringfügig in ihrer Ausrüstung und natürlich ihrem Aussehen, die Spielziele sind jedoch identisch. In der Regel muss ein Team drei bis vier Punkte auf einer Map erobern, während die Gegner sie verteidigen. Nach einer vorgegebenen Zeit werden die Seiten gewechselt.

Virtuelle Welten
Soweit nichts Besonderes, doch ‚Dystopia‘ erweitert das zunächst an Spiele wie ‚Team Fortress‘ erinnernde Gameplay um eine zweite Ebene: Nicht nur in normalen, realen Umgebungen treffen die Parteien aufeinander, sondern auch im Cyberspace, der optisch besagtem ‚Tron 2.0‘ entnommen ist. Während sich manche Ziele wie etwa das Erreichen eines Stützpunktes nur in der echten Welt erfüllen lassen, können andere wie etwa das Knacken eines Sicherheitscodes nur im Cyberspace abgearbeitet werden. Zugleich lassen sich die bevorstehenden Aufgaben vereinfachen, indem beispielsweise automatische Geschütztürme gehackt und deaktiviert werden können.

Spielfigur im Eigenbau
‚Dystopia‘ spielt sich sehr taktisch und erinnert in puncto Charaktererstellung nicht von ungefähr an die anfangs erwähnten ‚System Shock‘ und ‚Deus Ex‘: Zu Beginn jeder Runde habt ihr die Wahl zwischen drei verschiedenen Klassen: Einer leichten, die agil aber verwundbar ist, einer mittleren, die den typischen Durchschnitt darstellt, sowie einer schweren, die zwar mit geballter Feuerkraft aufwartet, dafür aber jeden 100-Meter-Lauf gegen eine Schnecke verlieren würde. Ausgewählt werden darf außerdem eine Waffe, zum Beispiel ein effektives Maschinengewehr, eine schnelle Shotgun oder ein zielsicheres Scharfschützengewehr, sowie – und das ist der interessante Part – eine Reihe verschiedener Implantate.

Unsichtbar oder unübersehbar?
Da gibt es zum Beispiel die Tarnung, welche den Spieler im Stillstand unsichtbar und in der Bewegung zumindest durchsichtig macht. Da gibt es das Cyberspace-Modul, mit dem ihr eben in die unendlichen Weiten der Computerwelten abtauchen könnt. Und da gibt es natürlich auch defensive Erweiterungen wie etwa eine Thermalansicht, welche das perfekte Gegenmittel gegen die Tarnung ist. Das Radar, das euch für einen Moment alle Feinde in der Umgebung anzeigt. Oder das Heilungsmodul, das nicht nur eure eigene Energie sondern auch die eurer Mitstreiter im nahen Umkreis erfrischt. Wieviele Module ihr einbauen könnt, hängt ebenfalls von eurer Klasse ab: Schwere Soldaten müssen sich mit wenigen, kleinen Erweiterungen zufriedengeben, während die leichten sich geradezu hochrüsten können. Sie sind übrigens auch die einzigen, denen der Zugang zum Cyberspace möglich ist.

Alleine geht nichts…
Was ‚Dystopia‘ abgesehen von diesem ungewöhnlichen Ansatz zu etwas Besonderem macht, ist die Tatsache, dass ohne Teamplay hier wirklich nichts geht. Wie oft habe ich mich in ‚Counter-Strike‘ geärgert, dass es auf Public-Servern häufig wie ein ganz normales Deathmatch gespielt wird und von den vermeindlichen Teamaspekten nichts zu sehen war? Bei ‚Dystopia‘ ist das vor allem dank der zwei Ebenen anders: Siegen kann nur, wer sowohl in der realen Welt als auch im Cyberspace geschickt gemeinsam agiert. Derjenige, der in die Datenwelt abtaucht, muss nämlich von von seinem Team solange in der Realität beschützt werden – stirbt der Körper, stirbt auch der Geist. Gleichzeitig ist ‚Dystopia‘ aber nicht zu komplex: Nach ein paar Runden hat fast jeder das Prinzip verstanden.

…doch Mitspieler gibt es wenige
Dennoch hat ‚Dystopia‘ auch seine Probleme. Denn obwohl die aktuelle Beta-Version mit nur drei Maps aufwartet, wirkt die Mod in ihrer Entwicklung schon sehr weit fortgeschritten, ist beinahe fehlerfrei und sollte dem entsprechend eigentliche viele Spieler anziehen. Tut sie aber nicht: Obwohl Valve in seinem neuesten ‚Steam‘-Update sogar auf die Mod hinweist, habe ich selten mehr als zwei, drei Server gefunden, die einigermaßen gefüllt waren. Wie schon bei ‚System Shock‘ oder ‚Tron 2.0‘ scheint sich das Interesse in Grenzen zu halten.

Kommerzielles Bestreben
Das ist schade und könnte zugleich ein schlechtes Zeichen für die weitere Entwicklung der Mod sein: Das ‚Dystopia‘-Team spekuliert nach eigenen Angaben nämlich bereits seit einer Weile auf eine Zusammenarbeit mit Valve, um ‚Dystopia‘ gegen Geld über ‚Steam‘ zu vertreiben – was sich angesichts der mangelnden Spieler aber kaum lohnen dürfte. Ob die Entwicklung dennoch fortgesetzt würde, wird sich zeigen. Ich zumindest versuche meinen Teil dazu beizutragen.

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