1996 veränderte eine Hardware-Erweiterung die Spielewelt: 3dfx brachte seine damals einzigartige Voodoo-Graphics-Karte auf den Markt, die im PC nichts anderes tat, als bei der Berechnung von dreidimensionalen Grafiken zu helfen. Der 3D-Beschleuniger war geboren und wenig später gab es kaum noch ein Spiel, das es sich leisten konnte, Voodoo & Co. nicht zu unterstützen. 2D-Spiele galten plötzlich als altmodisch, ganze Genres wie Adventures, Rollenspiele oder auch die einst so beliebten WiSims bekamen das zu spüren.
Begleiterscheinung statt Feature
Jetzt, rund zehn Jahre später, soll erneut eine Hardware-Erweiterung eine Revolution auslösen: Der PhysX-Chip von Ageia, als Erinnerung an frühere Tage auch Physikbeschleuniger genannt. Erste Erweiterungskarten werden voraussichtlich im nächsten Monat erscheinen, von Preisen um die 300 Euro ist die Rede. Ein stolzer Preis, der an die horrenden Kosten von Grafikkarten erinnert – immerhin bekommt man für die gleiche Summe mit der Xbox 360 Core-Version schon eine Next-Gen-Konsole. Das führt uns zu der Frage: Brauchen wir überhaupt bessere Physikeffekte? Und welchen Sinn hat eine realistischere Physikberechnung in Spielen?
Natürlich war die Physik von Beginn an ein wichtiger Bestandteil von Spielen: Schließlich musste ein ‚Wing Commander‘ berechnen, wie sich das vom Spieler gesteuerte Raumschiff im Weltraum verhält, ein Jump’n’Run die Erdanziehungskraft in irgendeiner Form simulieren und auch ein ‚FIFA International Soccer‘ das Verhalten des Spielballes einigermaßen realistisch hinbekommen. Ohne physikalische Berechnungen würde kaum ein Spiel funktionieren und selbstverständlich ist der Realismus, die Glaubwürdigkeit, von großer Bedeutung. Auch wenn im Rahmen des Settings und des Spieldesigns Freiheiten erlaubt sind, sollte sich ein Auto in einem Rennspiel doch zumindest ansatzweise so verhalten, wie es der Spieler erwartet.
Realistische Leichen
Lange Zeit hielt sich die Physik also vornehm im Hintergrund zurück und unterstützte das Spiel zwar, aber stellte kein großes Feature dar, mit dem auf der Verpackung geworben wurde. Das sollte sich erst mit dem Beginn dieses Jahrtausends ändern, als der ganz große 3D-Boom erst einmal abflachte, Verbesserungen in Sachen Grafik immer weniger sichtbar wurden.
Vorreiter auf diesem Gebiet war Epic Games, die mit Karma die Spielewelt revolutionieren wollte. Karma war im Prinzip nichts anderes als die inzwischen deutlich bekanntere Havok: Eine Physikengine, welche realistischere Animationen und Bewegungen sowie dem Spieler die Interaktion mit seiner Umwelt ermöglichen wollte.
Auf sich aufmerksam machten diese Techniken letztendlich aber vor allem durch den umstrittenen Ragdoll-Effekt, der das Verhalten von leblosen Körpern simuliert. Sprich: Wenn man einen Gegner erschoss oder in den Abgrund stürzte, dann sollte er gefälligst realistisch zucken und aufschlagen. Makaber und spielerisch bedeutungslos zugleich. Hatte man den Effekt ein paar Mal gesehen und ausprobiert, war die anfängliche Faszination schnell verflogen und hatte auf das Spiel nicht mehr den geringsten Einfluss.
Begrenzte Möglichkeiten
Das wurde nach einer Weile auch den meisten Entwicklern bewusst und so suchte man andere Wege, mit Physikeffekten zu beeindrucken. ‚Half-Life 2‘, bei dem sich Valve wirkliche Mühe gab, die Physik sinnvoll ins Spiel zu integrieren, dürfte aber der beste Beweis dafür sein, dass Physik-Add-ons nicht in die Fußstapfen der 3D-Beschleuniger treten können: Die wenigen Szenen, in denen die Technik überhaupt Einfluss auf den Spielablauf nahm – etwa, indem der Spieler seine Gegner von einer herumschwingenden Kiste erschlagen ließ – hätte Valve ohne großen Aufwand auch skripten können. Und Gegenstände schweben zu lassen und dann durch’s Level zu feuern, machte zwar für ein paar Minuten Spaß, hatte aber die Langzeitmotivation des besagten Ragdoll-Effekts.
Die Einsatzmöglichkeiten von Physik sind begrenzt und ein Spiel nur um ein paar Physikeffekte herumzubauen, dürfte unmöglich sein. Und so mag auch ein PhysX zwar hübschere Explosionen hervorbringen, bei einer realistischeren Darstellung von Nebel und Rauch mitwirken – aber zu einer Verbesserung der Spiele, zu neuen Möglichkeiten wird es nicht führen. ‚Oblivion‘ oder ‚GTA‘ zeigen, was virtuellen Welten Tiefe und Glaubwürdigkeit verleiht. Physik zählt nicht dazu.