Alle Beiträge von Stephan Lindner

Erste Schritte in Turbines neuem MMORPG

Ich kann nicht gerade behaupten, je ein eingefleischter ‚Pen & Paper‘-Purist gewesen zu sein. Meine beschränkte Phantasie brauchte wenigstens ein hartes Spielbrett und bunte Figuren, um meinen Geist in eine Fantasy-Welt entschwinden zu lassen. Trotzdem habe ich immer neidisch den Geschichten von bekennenden ‚Dungeons & Dragons‘-Rollenspielern gelauscht, die – ausgestattet mit relativ wenigen materiellen Mitteln, jedoch mit einem kompletten Regelwerk für alle möglichen Ereignisse – gegen den Dungeon Master in die Schlacht zogen. Während schon seit vielen Jahren unzählige Videogames-Umsetzungen mal mehr, mal weniger erfolgreich für Dungeon-Feeling auch auf dem Monitor sorgten, erscheint im März mit ‚Dungeons & Dragons Online: Stormreach‘ die erste MMORPG-Umsetzung des ‚D&D‘-Universums. Für den MMORPG-OPA war im Rahmen des US-Beta-Tests ein Antrittsbesuch zu Vorschauzwecken natürlich Pflicht.

Transmutation
Das für die Entwicklung verantwortliche Studio Turbine hat mit Sicherheit keinen leichten Job bei der Umsetzung des ’Dungeons & Dragons’-Universums. Neben der Entscheidung für das passende Regelwerk, in diesem Fall die aktuelle Ausgabe 3.5, stellte sich darüber hinaus die Frage, welche der ’D&D’-Welten für das Online-Rollenspiel die Grundlage bieten soll. Die Wahl fiel auf das neue ’Eberron’. Unlängst schwieriger gestaltete sich während der Entwicklungsarbeit die Umsetzung des komplizierten Regelwerks. Dieses war ja eigentlich ursprünglich auf die ‚Pen & Paper‘-Abenteuer perfekt zugeschnittenen. Während die Umsetzung der bisher fünf spielbaren Völker wie Menschen, Elfen, Halblinge, Zwerge und die Warforged sowie die neun ’D&D’-Klassen offenbar problemlos implementiert werden konnten, ließ man sich eigens für die Zauberkundigen eine Abweichung von der Norm einfallen: Zauberpunkte als Alternative zu einer begrenzten Zahl von Sprüchen pro Tag. Beim Punkt PvP blieb man den Regeln wieder treu: Kämpfe zwischen Spielern wird es nicht geben.

In einem MMORPG hätten die Originalregeln in dieser Hinsicht bedeutet, dass die Party während eines längeren Aufenthalts im Dungeon plötzlich ohne zaubernde Mitglieder dastehen könnte. Und mit Nichtstun macht man sich keine Freunde. Wie sich dieses System in der aktuellen Beta-Praxis erweist und wie es mich teilweise zur Weißglut getrieben hat, dazu gleich mehr. Die große Frage, die sich mir als Besucher der Online-Umsetzung schon jetzt stellt, ist aber: Wie genau muss oder darf man ein MMORPG getreu dem ‚Pen & Paper‘-Vorbild umsetzen, damit es auch noch ‚D&D‘-Neulingen Spaß macht?

Nichts für Angsthasen
Nach reichlich viel Text bezüglich der Auswahl der geeigneten Attribute, Skills und rassenspezifischen Besonderheiten sowie den im Vergleich dazu sehr mageren Gestaltungsmöglichkeiten des äußeren Erscheinungsbildes des Helden geht es los. Wie in jedem anderen beliebigen MMORPG bevölkern NPCs und Shops das Stadtbild, bei denen Ausrüstung erstanden und lukrative Aufträge erworben werden können. Besonders als abgebrannter Neuling erweisen sich spezielle Sammler-NPCs als prächtige Hilfe. Die von Monstern eingesackten seltenen Gegenstände können bei ihnen gegen wertvolle Waffen, Rüstungen oder die ansonsten sehr schwierig aufzutreibenden Tränke eingetauscht werden. Die ersten Abenteuer führen den angehenden Helden in die Hauptstadt Stormreach, in dessen Untergrund jedes nur erdenkliche Untier sein Unwesen treibt. Für das Erledigen der Brut gibt es übrigens keine Erfahrungspunkte, sondern nur für das Abschließen der Abenteuer. Sehr positiv übrigens: In Schatztruhen sind reservierte Belohnungen für jedes Gruppen-Mitglied vorhanden.

Wechselbad der Gefühle
Von Anfang bis Ende einer jeden Quest durfte ich nahezu jedes menschenmögliche Gefühl von Glücklichsein, über beinahe Herzinfarkte vor Gruseln, bis hin zu gestandenen Wutanfällen erleben. Standesgemäß spielen sich jedenfalls die mir bis jetzt bekannt gewordenen Quests in Verließen, Gruften und feuchten Gemäuern ab, die in der optischen Gestaltung ihre Zugehörigkeit zu ’Dungeons & Dragons’ alle Ehre machen. Sogar an den klassischen Dungeon Master, dem Geschichtenerzähler und Eingeweihten in die Vorgänge des Bösen, wurde gedacht, wenn dieser an markanten Punkten dem Spieler Hinweise auf bevorstehende Ereignisse gibt. Holzt man sich in eigentlich allen vergleichbaren Online-Rollenspielen ziemlich hirnlos durch die Monsterhorden, werden hier die Kämpfe nicht selten durch Rätselaufgaben oder die Suche nach einem Geheimraum ergänzt. So floss in einer Quest zum Beispiel nur durch die richtige Anordnung von Steinplatten die Energie an die richtigen Stellen, wodurch es möglich war, sich die begehrte Schriftrolle zu grabschen. Nicht selten bleiben Wege versperrt, bis man den passenden Schalter findet. Es sollte also möglich sein, endlich gute, alte Rollenspielelemente demnächst in einem MMORPG wiederzufinden.

Zäher Heldenalltag
Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg. Leider betreibt Turbine bei ’Dungeons & Dragons Online’ aktuell eine Politik, die ich in großen Teilen nicht nachvollziehen kann. Denn ohne abenteuerlustige Freunde lag mein armer Zwerg ziemlich oft einsam und halbverblutet im Dungeon herum, da es das ’D&D’-Regelwerk verbietet, sich von selbst zu regenerieren und Tränke Mangelware bzw. sauteuer sind. Regelwerk hin oder her, aber was bitte schön soll der glücklose Held machen, wenn er einmal alleine unterwegs sein will, keinen der äußerst selten und teuer aufzureibenden Tränke im Beutel hat oder den verfluchten Rest-Shrine zum nötigen Zeitpunkt wieder nicht erreichen konnte? Noch ärgerlicher wird die Sache, wenn einem Magiekundigen der Mana-Saft ausgeht und er hilflos von einer Horde Kobolde verfolgt wird. Wer hat schon Lust tief in einer Instanz jedes Mal den weiten Weg zur Taverne zurückzulegen, um sich wieder zu erfrischen? Das alles wäre immer noch nicht so schlimm, würde der Schwierigkeitsgrad für Solo-Abenteuer aktuell nicht exorbitant hoch sein und deshalb unverschämt die eigenen Ressourcen verbraucht. Ein Dungeon kann ziemlich lang sein und dessen Bewohner haben bis dato keine großen Mühen damit, an den Knochen des Helden zu nagen.

Zwanghaft am Original festhalten?
Ganz anders das Spiel in der Gruppe: Häufig hatte Turbine auf die taktischen Möglichkeiten des Kampfes in einer Abenteuer-Party hingewiesen. Dies trifft im Wesentlichen tatsächlich zu. Ehemals im Alleingang unmöglich zu schaffende Quests werden in einer guten Gruppe plötzlich spielend lösbar. Endlich kann man darüber hinaus die eben angesprochenen Elemente aus klassischen Rollenspielen genießen: Schurken erkennen Fallen und kundschaften die vor der Gruppe lauernde Finsternis aus, gepanzerte Nahkämpfer gehen dem modrigen Ungeziefer an die Gurgel, während hinter ihnen Magier ein Höllenfeuer entfachen. Insgesamt habe ich den starken Eindruck, als wolle man bei ’Dungeons & Dragons Online’ erstmals einen Zwang zum Gruppenspiel gleich zu Beginn des Charakterlebens einführen, wie es im klassischen ’D&D’ eben üblich ist.

Eigentlich sollte man Turbines Ansatz des taktischen Zusammenspiels in ausgewogenen Gruppen begrüßen. Doch wie wird die Realität aussehen? Nicht jeder von uns zählt zur Kategorie Hardcore-Gamer, der Wert auf Perfektion legt. Beginnt das andernorts zeitraubende Endgame bei ’Dungeons & Dragons Online’ also schon am Anfang? Es kann nicht einfach vorausgesetzt werden, dass später in der Praxis immer nur Idealbedingungen herrschen und Gruppen wie Mitspieler dafür jederzeit zur Verfügung stehen. Was soll der Spieler anstellen, wenn das wieder nicht der Fall ist? Warten und Dämchendrehen? Da außerdem die Charakterentwicklung – derzeit zehn Level unterteilt in mehrere Ränge – insgesamt sehr zäh verläuft, ist ein Solospiel beim Stand der Dinge sowieso nicht zu empfehlen. Ich hoffe nur, Entwickler Turbine hat noch ein Einsehen und lässt sich hier freundlichere Lösungen auch für den einsamen Helden einfallen. Denn wie die ansonsten von den Freiheiten in anderen MMORPGs verwöhnten Spieler nach Release auf diese Tendenz reagieren werden, dürfte eine der interessantesten Fragen über die Akzeptanz dieses Online-Rollenspiels werden.

Die Zeit drängt
Auf Turbine wartet noch einiges an Arbeit, wenn das Entwicklerstudio den außerordentlich hohen Erwartungen an ein ’Dungeons & Dragons Online’ gerecht werden will. Grundsätzlich stimmt die Atmosphäre, das MMORPG strotzt nämlich vor Rollenspiel-Potential und die Quests erweisen sich als erfrischend und – verglichen mit dem Standard-Gemetzel anderer Online-Rollenspiele – als durchaus abwechslungsreich. Es trifft außerdem zu, dass Turbine streng mit den ’D&D’-Regeln arbeitet, was die Fans freuen dürfte. Aber bei aller Regeltreue: Die umständlichen Arten der Regenerationsmöglichkeiten sowie die langatmige Charakterentwicklung machen das Onlinespiel zur Zeit sehr schnell zu einem ziemlich zähen Kaugummi. Wenn ich ein unbedingt ein ordentlich organisiertes Gruppenspiel will, kann ich auch das ‚Pen & Paper‘-Original spielen. In einem Online-Rollenspiel dürfte es sich jedoch fatal auf den Spielspaß auswirken, sobald der strahlende Held aufgrund der Schwierigkeit solo kein Land mehr sieht. Ich hoffe inständig, dass sich Turbine zu diesen Punkten noch den einen oder anderen ernsthaften Gedanken bis zum Release im März macht.

Question and Answer Xavier Antoviaque (en)

Us Hello Xavier. Would you please introduce yourself to our readers?

Hi! You can find me on the boards and in the news section [of the ‘Ryzom’ Website] under my real name, Xavier Antoviaque, and in-game under Kalhaan.

And what is your Job at ‘Ryzom’?

I currently work on ‘Ryzom’ as Community Liaison, which means I’m responsible for ensuring that the communication between the ‘Ryzom’ community and the development team is good. In pratical terms, it means I have to keep an eye on the community needs and lobby them up to the devs, while explaining the development choices made for ‘Ryzom’ to the players. I’m also involved in more technical tasks, like Web development & the supervision of the system & network administration of our servers.

How did you actually became a community manager?

Hum, it was a few years ago already! Time slips away so quickly in this kind of job… I was still studying when a friend of mine gave me a link to one of the first MMOs localized in French: ‘The Fourth Coming’. It was an horrible game, but since I was new to the genre, I was hooked anyway (laughs). Then I was offered a volunteer position, and I progressively got more and more responsabilities – until the point where I was offered a job (laughs).

For ‘Ryzom’, I first worked in IT (which is why I still keep an eye on our server farm). Then about one year ago, we wanted to improve the communication with the players, and I moved to my current position.

How does a normal day at work look like for you?

Well, there is no such thing as a “normal” day (laughs). I have to stay in touch with both the dev team and the players, adapting my planning and TODO list to the latest hot topics. And since there are so many things happening in a continuously evolving genre, I almost always work on something different from one day to another. And that’s one of the reasons why I like doing this so much, despite the crazy working hours and the unavoidable consequences on personal life! (laughs)

Ok, then let me ask you about some regular tasks you have to do.

Yes there are some tasks I perform regularly: like checking the boards and answering questions there, writing news, solving my teams‘ issues to allow them to work in good conditions, writing some code, setting up processes, participating in meetings …

How are in general reactions from other people when you tell them that you work as a professional for a online RPG?

Ususally, they have their eyes widening, saying “Really?! This should be a damn fun job to do!”. And it definitely is. However, they often miss to see how demanding and hard this can be at points. Some of them even think I’m playing all day long! They tend to only hear the word game, and forget that this is a professional job, with huge piles of work to complete in a fast-paced and stressful environment. But, even once I’ve explained this, they tend to agree with me on one point: that’s a job you wouldn’t give out easily (laughs).

Do you think your occupation is something fairly long-term for you?

In such a field, it’s difficult to make any long-term plans. Everything changes too quickly to know for sure what you’ll do the next year or even if you will still like working in this field. The MMORPG genre, and the game industry in general, is poisoned by money-seekers who are there, not by passion, but for the money they can get from it. You never know how far they will go. But as long as I enjoy doing this as I do know, I see no reason to quit (laughs).

Do you have a personal relation to MMORPGs?

Definitely! And this should even increase as time passes; currently, still a good part of my friends aren’t MMO players – not that I didn’t tried to convert them (laughs). But the genre isn’t ready for them yet. We are still pretty much in the prehistory of MMOs, relying on static content and lengthy character progression rules. As the MMO genre is maturing, I expect it to hook more people and infiltrate more parts of our personal and online life. Playing an MMORPGs is already a way of life. And tomorrow, with a bit of luck and hard work, it could well be an important component of society …

… and do you play for yourself a MMORPG right now? Even that one which you’re working for?

Yes, my main MMORPG currently is of course ‘Ryzom’ (laughs). I especially play a lot to ‘The Ryzom Ring’ [the upcoming Add-on] lately, since I’m taking care of its alpha test – it fits my taste for pen & paper RPG quite nicely (laughs). And even if it’s hard to find enough time to play several MMOs simultaneously, I’ve also tried a bit of Guild Wars recently.

Xavier, I’d like to thank you for the talk.

Xavier Antoviaque

Wir: Hallo Xavier. Würdest du dich bitte unseren Lesern vorstellen.

Xavier: Hi! Ich bin Xavier Antoviaque. Ihr könnt mich in der News-Rubrik auf der offiziellen Website [von ‘Ryzom’] und in den Foren finden. Im Spiel heiße ich Kalhaan.

Und als was arbeitest du genau bei ‘Ryzom’?

Ich arbeite derzeit als Community-Mitarbeiter bei ‘Ryzom’. Das bedeutet, ich bin für eine reibungslose Kommunikation zwischen den Spielern von ‘Ryzom’ und dem Entwicklerteam verantwortlich. Praktisch bedeutet dies, dass ich ein Auge auf die Bedürfnisse der Community haben und diese den Entwicklern näher bringen muss, während ich die Entscheidungen der Entwickler über ‘Ryzom’ gegenüber den Spielern vermittle.

Wie kam es eigentlich dazu, dass du Community-Manager geworden bist?

Hum, das ist schon ein paar Jährchen her! Die Zeit vergeht in diesem Job so schnell. Ich habe noch studiert, als mich ein Freund auf eines der ersten auf französisch lokalisierten MMOGs hinwies: ’The Fourth Coming’. Es war ein schreckliches Spiel. Aber da dieses Genre neu für mich war, war ich süchtig danach. (lacht) Danach bekam ich eine Position auf freiwilliger Basis angeboten, erhielt schrittweise immer mehr Verantwortung – bis zu dem Punkt, an dem man mir einen Job anbot. (lacht)

Für ‘Ryzom’ habe ich anfangs im IT-Bereich gearbeitet, weshalb ich immer noch auf unsere Server-Farm ein Auge habe. Vor einem Jahr wollten wir die Kommunikation mit den Spielern verbessern, weshalb ich zu meiner jetzigen Position wechselte.

Wie sieht ein normaler Arbeitstag bei dir aus?

Nun, ich kenne so etwas wie einen „normalen“ Tag nicht. (lacht) Ich muss gleichzeitig mit dem Entwicklerteam und den Spielern in Kontakt bleiben und meine Planung sowie die To-Do-Liste an die neuesten Ereignisse anpassen. Und da in einem sich ständig verändernden Genre so viele Dinge passieren, arbeite ich beinahe jeden Tag an etwas anderem als am Tag zuvor. Das ist auch einer der Gründe, warum ich diesen Job so mag, trotz der verrückten Arbeitszeiten und den daraus unvermeidbaren Konsequenzen für mein persönliches Leben! (lacht)

Okay, dann lass mich dich nach Dingen fragen, die du regelmäßig verrichtest.

Ja, da gibt es ein paar Dinge, die ich regelmäßig tue: Beispielsweise die Foren checken und die dortigen Fragen beantworten, News schreiben, Team-Angelegenheiten lösen, um ihnen gute Arbeitsbedingungen zu ermöglichen, ein bisschen programmieren, Prozesse einrichten, an Meetings teilnehmen …

Welche Reaktionen erfährst du von anderen Leuten, wenn du ihnen erzählst, dass du bei einem Online-Rollenspiel deinen Lebensunterhalt verdienst?

Normalerweise reißen sie die Augen auf und sagen: „Wirklich?! Das ist aber ein verdammt lustiger Job, den du da machst!“ Das ist er natürlich. Jedoch vergessen sie oft, wie fordernd und hart es an manchen Stellen sein kann. Einige von ihnen glauben sogar, ich würde den ganzen Tag lang nur spielen! Sie neigen dazu, nur das Wort Spiel zu hören und vergessen, dass dies ein richtiger Job ist – mit einem Haufen Arbeit, die in einer rasanten und stressigen Umgebung gemacht werden muss. Aber sobald ich das klargemacht habe, tendieren die Leute dazu, mir in einem Punkt zuzustimmen: Das ist eine Arbeit, die du nicht so leicht hergeben willst. (lacht)

Denkst du, deine Tätigkeit ist ein längerfristiges Engagement für dich?

Auf diesem Gebiet ist es überhaupt sehr schwer, irgendwelche längerfristigen Pläne zu schmieden. Alles ändert sich zu schnell, als dass du sicher sein könntest, was du nächstes Jahr machen wirst – oder überhaupt noch in diesem Feld arbeiten möchtest. Das MMORPG-Genre, und allgemein die Spieleindustrie, ist verseucht von geldgeilen Typen, die nicht aus Leidenschaft, sondern nur wegen der Kohle, die sie hier scheffeln können, da sind. Du weißt niemals, wie weit sie gehen werden. Aber so lange ich das hier genießen kann, sehe ich keinen Grund aufzuhören. (lacht)

Hast du einen persönlichen Bezug zu MMORPGs?

Absolut! Und dieser sollte sich sogar noch mit der Zeit verstärken. Derzeit besteht ein Großteil meines Freundeskreis nicht aus MMOG-Spielern – nicht dass ich es nicht versucht hätte, sie zu konvertieren (lacht). Aber das Genre ist noch nicht soweit für sie. Wir befinden uns nach wie vor in der Vorgeschichte der MMOGs hinsichtlich statischen Spielinhalten und langatmigen Regeln für die Charakterentwicklung. Ich denke, sobald das MMO-Genre erwachsen geworden ist, dass viel mehr Leute davon in den Bann gezogen werden und dass viel mehr Bereiche unseres realen und virtuellen Lebens davon beeinflusst werden. Allein das Spielen eines MMORPGs ist schon eine Lebensart. Und morgen, mit ein bisschen Glück und harter Arbeit, könnten sie gut möglich ein wichtiger Bestandteil der Gesellschaft geworden sein.

… und spielst du gerade selbst privat ein MMORPG? Vielleicht gerade das, für das du arbeitest?

Ja. Mein Haupt-MMORPG ist derzeit natürlich ‘Ryzom’. (lacht) In letzter Zeit spiele ich besonders ’The Ryzom Ring’ [Anm d. Red.: Das kommende Add-on], da ich mich ja um dessen Alpha-Test kümmere. Es kommt meinen Ansprüchen an Pen & Paper-Rollenspiele sehr nahe. (lacht) Und obwohl es sehr schwierig ist, die Zeit für mehrere MMOGs zu finden, habe ich außerdem kürzlich ’Guild Wars’ ein bisschen ausprobiert.

Xavier, vielen Dank für das Gespräch.

Question and Answer Jessica Mulligan (en)

Us: Hello Jessica. Would you please introduce yourself to our readers and what is your job at Nevrax?

Jessica: My name is Jessica Mulligan and I’m an Executive Producer and consultant for the company.

Who is Nevrax and what kind of people are working there developing ‘Ryzom’?

Nevrax is both a developer and a publisher of MMOs, specifically The Saga of ‘Ryzom’. The kind of people who work here? Well, they are both developers and operations people: programmers, artists, network operations folk, quality assurance testers, customer relations representatives etc. The whole range of skills and talents that you need to develop and publish an online game.

More than anything else, though, the people here have a passion for games. That is a key ingredient for developing a good online game.

Was ‘Ryzom’ your very first project?

‘Ryzom’ is the company’s first game, yes, although we hope to do other games in the future.

… and for you?

… for me, personally, this is far from my first project (laughs). I’ve been in the industry 20 years and worked on over a dozen MMOs, including Ultima Online and the Asheron’s Call series.

Is there actually a message behind ‘Ryzom’?

There is more than one message in ‘Ryzom’, as a matter of fact. David Cohen-Corval, the founder and creative visionary behind ‘Ryzom’, created a history and backstory that spans thousands of years and which contains cautions about rampant pollution, consolidating power in too few hands and the dangers – and possibilities – of tampering with our own DNA.

All in all, in my 20 years in the industry, I’ve never seen such a complete backstory and message on which to build a game.

Could ‘Ryzom’ have been also an offline RPG?

The intention was always for it to be an MMORPG …

… so it didn’t fit into this genre?

I see no reason why it couldn’t be converted to a pencil-and-paper RPG. All the elements needed to do that are there.

What is behind the magic formula NeL? And what can you imagine could emerge out of it?

As an open source tool, NeL’s magic formula is that it gives back to the community some of what we’ve learned in coding the tools to run the game, at the same time that it allows the community to give back and contribute to those tools.

We’ve had quite a lot of interest in NeL since we launched; at some point, we may try to turn it into a middleware solution for other companies – in conjunction with ‘Ryzom Ring’, our content-tools expansion pack.

To which kind of player-type is ‘Ryzom’ particularly addressed?

I think we particularly appeal the role-player and explorer. Our continuing story arc is directly affected by the actions of the players; what they do drives how the arc progresses. And by that, I mean that we don’t have a linear, et end point; we see what the players do and design our events and the story progression to fit those actions.

This is powerful; the players literally determine the outcome of story arcs. It does keep us hopping designing to match their actions, though (laughs).

‘Ryzom’ is also a huge world with many environments and creatures. Those who like to explore virtual worlds have a huge task here, as the world is massive … and dangerous.

Let’s talk about something maybe unpleasant. Since the release are you comfortable with the development in terms of subscriber numbers?

Is any company ever truly satisfied with any level of success? (grins) We’d certainly like to be bigger in terms of subscriber numbers; the more subscribers, the more we can put back into ‘Ryzom’, our expansion packs and new games.

The upcoming first expansion ‚The Ryzom Ring‘ seems to be a huge enlargement for the game. What intention is behind this new system?

The intention here is simple: To give the players access to some of our world-building and mission tools. Using these tools, they can construct new lands and new adventures for themselves, their friends or everybody in the game, or create a private living space for themselves or their Guild … you can see the possibilities. These will be private instances; you can invite in no one, some people or everyone, it is your choice as a player.

Will players actually be able to influence the game world?

More, we wanted to give those who wanted to contribute to the story and the world to have a chance to do that. For those missions or new maps that we feel are truly in the spirit of the ‘Ryzom’ story and history, we’ll attach them permanently to the game map.

This is the first time in the 20+ year history of MMORPGs that players will have this opportunity to permanently affect the game world in this way. We feel this is a true watershed in the development of online games.

May we conclude with a question about if there are any other projects from Nevrax besides ‘Ryzom’?

Oh, we have some plans, indeed (laughs) Right now, though, we’re just concentrating on getting ‘Ryzom’ Ring launched in the first quarter of 2006.

Jessica, I’d like to thank you for the talk.

Die Produzentin von Ryzom

Wir: Hallo Jessica. Würdest du dich unseren Lesern bitte vorstellen und uns etwas über deine Aufgaben bei Nevrax verraten?

Jessica: Ich bin die ausführende Produzentin und Beraterin bei Nevrax für ’The Saga of ‘Ryzom’.

Wer steckt hinter Nevrax und welche Leute arbeiten bei euch und an ‘Ryzom’?

Nevrax ist zugleich Entwickler und Betreiber von MMOGs, speziell von ’The Saga of ‘Ryzom’. Welche Art von Leuten hier arbeiten? Nun, hier gibt es Entwickler und für den Betrieb zuständige Leute: Programmierer, Künstler, Netzwerk-Administratoren, Tester für die Qualitätssicherung, Kundendienstmitarbeiter usw. Es ist also die ganze Bandbreite von Fähigkeiten vertreten, die man für die Entwicklung und den Betrieb eines Online-Spiels benötigt.

War ‘Ryzom’ euer erstes Projekt?

‘Ryzom’ war für Nevrax das erste Spiel, ja. Obwohl wir natürlich hoffen, dass wir in Zukunft noch andere Spiele machen werden …

… und für dich?

… für mich persönlich ist dies beileibe nicht mein erstes Projekt (lacht). Ich bin schon seit über 20 Jahren in der Branche und habe an über einem Dutzend MMOGs gearbeitet, einschließlich Ultima Online und die beiden Teile von ’Ascheron’s Call’.

Steckt hinter ‘Ryzom’ eigentlich eine Botschaft?

Tatsächlich gibt es mehr als eine Botschaft in ‘Ryzom’. Der Gründer und kreative, visionäre Kopf hinter ‘Ryzom’, David Cohen-Corval, hat eine Hintergrundgeschichte erschaffen, die sich über tausende von Jahren erstreckt. Sie trägt dabei in sich die Warnungen über ungezügelte Umweltverschmutzung, Machtkonzentration in den Händen einiger Weniger. Nicht zuletzt handelt sie auch von den Gefahren – aber auch den Möglichkeiten – des Herumspielens an unserer eigenen DNA.

Zusammenfassend habe ich in den 20 Jahren, die ich schon in der Branche bin, noch nie eine so in sich geschlossene Hintergrundstory und Botschaft gesehen, auf die ein Spiel aufbaute.

Hätte aus ‘Ryzom’ auch ein Offline-Rollenspiel werden können?

Die Intention ging immer in Richtung MMORPG …

… oder habt ihr keine Eignung für dieses Genre gesehen?

Ich sehe keinen Grund, warum es zum Beispiel nicht in ein Pen & Pencil-Rollenspiel hätte umgewandelt werden können. Alle Elemente, die es dazu gebraucht hätte, sind vorhanden.

Was steckt eigentlich hinter der magischen Formel NeL (Nevrax Library)?

Es handelt sich dabei um ein Open-Source-Werkzeug. Die magische Formel von NeL besteht darin, was wir über das Programmieren der Hilfsmittel gelernt haben, um das Spiel zu betreiben und es der Spielergemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig erlaubt es der Community an diesen Tools mitzuarbeiten. Wir haben NeL seit dem Start sehr interessiert beobachtet. Irgendwann in der Zukunft werden wir es vielleicht als eine Art Bindeglied für andere Firmen umwandeln – in Verbinung mit ’Ryzom Ring’, unserer Content-Tool-Erweiterung.

An welchen Spieler-Typ richtet sich ‘Ryzom’ besonders?

Ich denke, ‘Ryzom’ reizt besonders den Rollenspieler und den Entdecker. Unser Erzählbogen wird direkt von den Aktionen der Spieler beeinflusst. Was sie tun, steuert den Fortschritt der Geschichte. Das bedeutet, dass wir uns nicht linear zum Ende bewegen. Wir sehen uns an, was die Spieler anstellen und passen die Events für die Weiterführung der Story an diese Aktionen an. Das ist stark, denn die Spieler selbst beschließen den Ausgang der Geschichten. Wir ärgern uns beim Design [der Events] jedoch oft grün und blau, um diese an ihre Handlungen anzupassen (lacht).

‘Ryzom’ ist außerdem eine riesige Welt mit vielen Gegenden und Kreaturen. Diejenigen, die auf das Erkunden virtueller Welten stehen, haben hier eine große Aufgabe – die Welt ist gewaltig … und gefährlich.

Kommen wir zu möglicherweise etwas Unangenehmeren. Seid ihr mit der Entwicklung in geschäftlichen Dingen wie der Zahl der Spieler eigentlich zufrieden?

Ist eine Firma jemals mit dem eigenen Erfolg zufrieden? (lacht) Natürlich würden wir gerne hinsichtlich der Abonnenten größere Zahlen sehen: Je mehr Spieler, desto mehr können wir wieder in ‘Ryzom’ stecken, in unsere Add-ons und in neue Titel.

Die kommende erste Erweiterung ‘The ‘Ryzom Ring’ scheint eine beachtliche Vergrößerung für das Spiel zu bedeuten. Welche Intention steckt hinter diesem neuartigen System?

Die Intention, die dahinter steckt ist einfach: Wir geben den Spielern Zugang zu einigen unserer Weltbau- und Missions-Tools. Mit Hilfe dieser Werkzeuge können die Spieler neue Gebiete und neue Abenteuer für sich selbst, ihre Bekannten oder für jedermann im Spiel erzeugen; oder gar einen privaten Lebensraum für sich oder ihre Gilden erschaffen. Vieles ist vorstellbar. Es handelt sich dabei um private Instanzen, in die man einige, jeden einladen kann oder für niemanden zugänglich macht – die Entscheidung liegt ganz beim Spieler.

Wir möchten denjenigen, die an der Story und der Welt mitwirken wollen, eine Chance bieten, das zu tun. Geeignete Missionen oder neue Maps [der Spieler], die den Geist der ‘Ryzom’-Story und -Geschichte widerspiegeln, werden wir permanent zur Spielwelt [von ‘Ryzom’] ergänzen. Dies ist das erste Mal in der über zwanzigjährigen Geschichte der MMORPGs, dass den Spielern eine Möglichkeit gegeben wird, auf diese Art einen dauerhaften Einfluss auf die Spielwelt nehmen zu können. Wir glauben, dass dies einen Wendepunkt in der Entwicklung von Online-Games darstellt.

Dürfen wir zum Schluss noch erfahren, ob es neben ‘Ryzom’ eigentlich zur Zeit noch andere Projete gibt?

Oh, wir haben allerdings einige Pläne (lacht). Aber zur Zeit wollen wir uns jedoch nur darauf konzentrieren, ’The ‘Ryzom Ring’ im ersten Quartal 2006 zu veröffentlichen.

Jessica, vielen Dank für das Gespräch.

Wir beleuchten das Nischen-MMORPG.

Fast anderthalb Jahre schon reist der Planet Atys mit seinen Bewohnern durch das Online-Universum. Kaum ein anderes MMORPG als ‚Ryzom‘ hatte bisher einen schwereren Stand, seine Existenz im Kampf um das tägliche Überleben gegen seine Mainstream-Konkurrenten zu verteidigen. Doch während gerade im vergangenen Jahr eine fast nicht mehr zu überschauende Zahl an neuen Projekten bereits in der Entwicklungsphase eingestampft wurde, scheint ’Ryzom’ seine Nische gefunden zu haben. In unserem mehrteiligen Feature möchten wir das interessante Online-Rollenspiel von mehreren Seiten beleuchten. Den Anfang macht der im Folgenden zu lesende Artikel über den aktuellen Stand der Dinge. Besonders MMORPGs sind nichts ohne ihre Spieler, weswegen wir uns mit einigen Veteranen unterhalten haben.

2005: Zeit der unbegrenzten Möglichkeiten
Das Online-Universum im Jahr 2005. Noch vor wenigen Jahren lebte der passionierte Spieler von MMORPGs eher von der Hand in den Mund, als dass ihm eine Auswahl an Titeln präsentiert wurde, die scheinbar jeder Vorliebe gerecht wird. Harte Kompromisse mangels Alternativen scheinen der Vergangenheit anzugehören. Der Rollenspieler kann – ganz basisdemokratisch – allein durch die Wahl, welchen Titel er mit monatlichen Gebühren unterstützen will, schlechten Angeboten ganz einfach die rote Karte zeigen. Vielleicht liegt ja hierin ein Hauptgrund für die schon während der Entwicklung eingestampften einstigen MMORPG-Hoffnungen der Industrie in diesem Jahr begründet. Es scheint nicht mehr ganz so leicht zu sein, an das verlockende Geld der Kunden zu kommen.<br /><br />
Aktuell bietet sich ein Bild, in dem gigantische Mainstream-Titel wie ’World of WarCraft’ oder ’EverQuest 2’ den Großteil der potentiellen Spieler sowie den Nachwuchs in der westlichen Hemisphäre abschöpfen, während in Asien, dem Kontinent der unbegrenzten Online-Möglichkeiten, Spiele wie ’Lineage’ ein Millionenpublikum fesseln.

Was ist anders an Ryzom?
Offensichtlich bedeutet auch in diesem Genre Masse nicht zwangsläufig Klasse. Sonst hätten sich nicht interessante Nischen gebildet, die von ebenso interessanten MMORPGs besetzt werden und auf eine treue Anhängerschaft zählen können. Das ’Ryzom’-Universum, das eine nahezu künstlerisch anmutende Kombination aus Science-Fiction und Fantasy bietet, zählt zweifellos dazu. Aber was kann nun einen Spieler gerade an ’Ryzom’ reizen und ihn nicht in die Fänge der großen Verführer von Blizzard oder Sony Online Entertainment treiben?

Die meisten der Spieler, welche wir befragten, führen vor allem den nicht alltäglichen Hintergrund an. Christian zum Beispiel, der einen männlichen Matis Namens Carfesch durch die virtuelle Welt führt, begeistert sich für die unverbrauchte Spielwelt, die eben “nicht zum x-ten mal das Herr der Ringe, Ork/Elfen- bzw. Mittelalter-Thema“ behandelt. Der Spieler Damor fügt treffend hinzu: “Wenn ’WoW’ Coca-Cola ist, dann ist ’Ryzom’ Fritz-Cola! Weniger Geld im Hintergrund, weniger ’perfekt’, kleinere Anhängerschaft aber innovativer, frischer, ’intimer’, fesselnder“. Doch ’Ryzom’ erweist sich nicht nur wegen seines alternativen Wegs fernab eines Tolkien-Universums attraktiv.

Die Freiheit, seine Figur zu entwickeln, ohne sich auf eine Ausrichtung unwiderruflich festzulegen, wird von vielen Fans als äußerst motivierend und nicht als das Rollenspiel störend empfunden. Wer sich bereits das eine oder andere Mal durch die Leveltretmühlen gängiger Online-Rollenspiele gequält hat, wird dies nachvollziehen können.

Take it or leave it
Interessant sind auch die verschiedenen Umstände, wie man zu ’Ryzom’ findet, da der Titel bekanntlich nicht den Popularitätsgrad oder den Werbeetat vergleichbarer MMORPGs aus dem Mainstream-Bereich genießt. Stieß man nicht bereits seinerzeit während des offenen Beta-Tests dazu und blieb dem Spiel treu, sprach sich das ungewöhnliche Online-Rollenspiel sehr schnell im Bekannten- und Arbeitskreis herum. Trotzdem scheint ’Ryzom’ stark zu polarisieren, was sich schon nach relativ kurzer Zeit bemerkbar macht, wie die Spielerin Lidia bemerkt: “Entweder man liebt es und will nichts anderes mehr, oder man sagt gleich: Nee, danke. Die, die es lieben, kommen alle wieder, weil sie eh merken, es gibt nichts Vergleichbares."

Welche Wesen trifft man in Atys?
Während böse Zungen wohl teilweise zu Recht behaupten, dass vor allem der jugendliche Spieler von ’World of WarCraft’ & Co. magnetisch angezogen wird, scheint sich ’Ryzom’ als Rückzugsgebiet genervter und gereifter Rollenspieler etabliert zu haben. Allein der Vergleich der Inhalte in den öffentlichen Chat-Kanälen macht den Eindruck, als achte man hier besonders auf ein gutes Auskommen mit seinen Spielgefährten. Dies scheint die von vielen Spielern bemerkte Auffälligkeit zu bestätigen, dass in ’Ryzom’ die Teilnehmer viel mehr auf sich selbst bzw. auf die Mithilfe erfahrener Spieler angewiesen sind. Anders als in anderen MMORPGs, die sich zwar einerseits als sehr viel einsteigerfreundlicher erweisen, da sie den roten Faden nie vermissen lassen und die Spieler von einer Quest zur nächsten weiterreichen, müssen andererseits die Spieler von ’Ryzom’ laut Carfesch „eigenständig agieren und viel selber machen.“

Der Mangel an Content-Nachschub wie am Fließband, wie es beispielsweise ’World of WarCraft’ im Abstand von wenigen Wochen vormacht, oder Quests bzw. Instanzen zu jeder Lebenslage, wie man sie von den Giganten der Branche gewohnt ist, könnte vor allem an den begrenzten Ressourcen und dem unabhängigen Status von Entwickler Nevrax liegen. Dies wird von der Community zwar ausgesprochen tolerant gesehen, doch würde man sich auf neue Inhalte nach langer Zeit sowie kürzere Abstände zwischen den Events, die der Fortführung der Story dienen, sehr freuen.

Würden rein biologisch gesehen MMORPGs endlich gleichermaßen Männer wie Frauen ansprechen, hätte das Genre in den vergangenen Jahren ein wohl noch größeres Wachstum als ohnehin schon erlebt. Auch hier scheint ’The Saga of Ryzom’ etwas anders zu sein, da sich offensichtlich auch verstärkt Frauen dafür begeistern können – wenn auch hier wie üblich nicht hinter jedem weiblichen Charakter in Wirklichkeit eine Frau steckt, wie die Spielerin Lidia ergänzt. Trotzdem glaubt Dieter, der auch In-Game mit seinem Avatar Tanis seinen männlichen Erbanlagen treu geblieben ist, “dass Ryzom eher als andere Spiele für Frauen geeignet ist.“

Zuhause und Geborgenheit
Die Gilden haben zum Überleben des Titels einen großen Beitrag geleistet, denn sie halten die Community zusammen und gestalten für ihre Mitglieder den Alltag in Atys interessant. So ist es auch nicht verwunderlich, dass ein Großteil der Teilnehmer sich in den verschiedenen Gilden organisiert. Gerade für MMORPGs scheinen diese Vereinigungen wie geschaffen zu sein, da dort laut Damor eine gute Gilde mehr auszeichnet, als einfach nur dabei zu helfen, mit dem virtuellen Ich voranzukommen: “Man gewinnt die Charaktere lieb, kennt ihre Eigenheiten, Stärken und Schwächen.“ Es ist also genau der Punkt, den besonders Liebhaber von Rollenspielen zu schätzen wissen: “Gildenspiel bedeutet Kommunikation und Teamplay. Genau die Dinge, warum ich ein MMORPG spiele und keine Shooter“, so der Kami-gläubige Daniel.

Die Wünsche der Spieler
Würde in ’Ryzom’ alles perfekt laufen, dann bräuchte man sich sicher keine Gedanken um die Zukunft des MMORPGs gerade in Hinblick auf die stetig wachsende, knallharte Konkurrenz aus dem Mainstream-Bereich zu machen. Seit kurzem ist die neue Episode auf den Live-Servern online, die vor allem das PvP und die Kämpfe um die Außenposten eingeführt hat.

Etwas verwirrt reagiert da der eine oder andere Spieler auf den Weg, den ’Ryzom’ nun eingeschlagen hat. So auch der Veteran Tanis: „Das Spiel sollte wieder zum Anfang zurückfinden. Der Spielspaß war im Vordergrund. Heute wird auf Zweikampf (Kami/Karavan) oder PvP oder Outposts (Gilde gegen Gilde) gesetzt. Die ehemalige, fast ’unschuldige’ Spielfreude ohne Begrenzung und Parteizugehörigkeit, hat mir viel besser gefallen.“

Befindet sich ’Ryzom’ also auf falschem Kurs? Jemand, der mit PvP absolut nichts anfangen kann, steht da natürlich außen vor. Glaubt man, dass mit der Einführung eines Systems, das auf Konkurrenz zwischen den Spielern aufbaut, mehr „mehr junge, an Action interessierte Spieler“ begeistert werden können? Denkt Nevrax etwa, die Gruppe der alteingesessenen treuen Spieler dann vernachlässigen zu können, weil diese einfach zu wenig Geld in die Kassen spülen?

Wohin steuert Raumschiff Ryzom?
Jedoch sollte man Nevrax nicht völlige Tatenlosigkeit besonders beim Nachschub an neuen PvE-Inhalten vorwerfen. Zumindest beim anstehenden ersten kostenlosen Add-on ’The Ryzom Ring’ dürfte viel neues Spielzeug bereit gestellt werden. Nämlich dann, wenn die Spieler ihre eigenen Welten und Events für die ’Ryzom’-Community erschaffen können. Doch gerade beim Thema ’The Ryzom Ring’ und unter Einbeziehung der bisherigen Entwicklung des Online-Rollenspiels sollte sich Entwickler Nevrax schon einmal genau fragen, wohin man eigentlich will.

Die Intention scheint sich, wie schon angerissen, seit der Einführung der Outposts spürbar geändert zu haben. Ein großer Teil der Community, der seit langem dürstend auf neue Inhalte wartet, kann mit diesem neuen Kapitel nur ansatzweise befriedigt werden. Setzt man hier also in Wahrheit auf die Eigeninitiative der Spieler, die sich gefälligst mit dem ’Ryzom Ring’ ihre Abenteuer in Zukunft selbst zusammenbasteln sollen? Trotz des selbstverständlich zu begrüßenden Konzepts, dass Spieler zum ersten Mal überhaupt aktiv an der Gestaltung ihrer Spielwelt beteiligt werden, wissen wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, wie die Möglichkeiten des ’Ryzom Rings’ überhaupt angenommen werden.

Ein mögliches Worst-Case-Szenario
Es erscheint ziemlich offensichtlich, dass man hinsichtlich der Gilden-vs.-Gilden-Kämpfe bei den Outposts an das sehr erfolgreiche ’Guild Wars’-Konzept anknüpfen will. Doch was passiert, wenn die damit angesprochene neue Zielgruppe den Köder nicht schluckt und im schlimmsten Fall außerdem noch die alteingesessenen Spieler vergrätzt werden? Nevrax jedenfalls täte gut daran, sich sehr ernsthaft zu überlegen, wohin ’Ryzom’ in der Zukunft steuern soll. Die mit Abstand größte Stärke von ’The Saga of Ryzom’ ist seine unverkennbare Identität, die zu erhalten mit Sicherheit langfristig mehr zum Erfolg beiträgt, als das Einflicken erfolgreicher aber wahrscheinlich nur kurzfristig attraktiver Konzepte mit ungewissem Haltbarkeitsdatum.

Einmal 50er-Jahre und zurück.

Würde man mit einer Zeitmaschine zurück in die 50er reisen wollen, dann könnte man sich weiß Gott angenehmere Plätze als Russland in der Blütezeit seiner sowjetsozialistischen Vergangenheit vorstellen. Trotzdem schickt man uns im Ego-Shooter ‚The Stalin Subway‘ eiskalt in den Untergrund Moskaus, wo wir als vormals betriebsblinder und verratener KGB-Offizier die Verschwörung gegen Josef Stalin im muffigen Kreml lüften sollen – natürlich unter tödlichen Beschuss.

Ungewohnte Feindbilder
Nachdem man gleich zu Spielbeginn die erste unerfreuliche Bekanntschaft mit der äußerst hölzern realisierten deutschen Sprachausgabe gemacht hat, wartet umgehend die nächste böse Überraschung auf den feschen KBG-Kader Gleb Suvorov. Stand (oder besser: lag) man noch wenige Jahre zuvor im Zweiten Weltkrieg in trauter Zweisamkeit gemeinsam im Schützengraben, gerät man im Spiel augenblicklich unter feindlichen Beschuss der ehemaligen Kameraden. Es scheint, als wäre der eigentlich unschuldige Hauptdarsteller von ‚The Stalin Subway‘ in eine undurchsichtige Intrige geraten, die zum Ziel die Vernichtung des grausamen Diktators Josef Stalin hat. Warum gerade das Leben dieses Monsters als schützenswert angesehen wird, bleibt mir schleierhaft. Nebenbei wartet noch ein hinterhältiger Anschlag in Form des schwülstigen Titelsongs, vorgetragen von einer Grazie samt ihrer russischen Kapelle, auf den guten Geschmack des Spielers.

Nostalgie pur
Dem waffenkundigen Spieler von Shootern wird das historische Arsenal an Schusswaffen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts auffallen. Neben zahlreichen Handfeuerwaffen wie der Marrow AP und der Stetschkin APS finden sich dort in ebenso umfangreicher Auswahl großkalibrige Waffen wie beispielsweise die PPSh 41, die legendäre AK-47 oder gar respekteinflößende Panzerbüchsen – kurz gesagt: Alles, was die damalige sowjetische Rüstungsindustrie an zweifelhaften Errungenschaften hervorbrachte. Wie üblich ballert sich der Spieler in bester Ego-Shooter-Manier damit von Abschnitt zu Abschnitt und erbeutet unterwegs von den Besiegten begehrte, neue und durchschlagendere Waffen. Aber nicht nur die Knarren können auf eine historische Dimension verweisen.

Ebenso verhält es sich beim Soundtrack im Spiel, denn dieser erinnert an die Glanzzeiten von C64-Sounds. Dies soll nicht als Kritik verstanden werden, da die Hommage an die Brotkasten-Melodien eher animierend wirkt, für einen gewissen Arcade-Faktor sorgt und gleichzeitig von der etwas zu drögen und kargen KGB-Atmosphäre des Level-Designs ablenkt. Grafisch dürfen keine Wunder erwartet werden. Dafür leistet die eingesetzte Engine hinsichtlich Qualität und Animationen zu wenig. Etwas motivierender wirken da schon Aufenthalte im Freien: Wenigstens hier bereichern Details das Spielerlebnis.

Gehirntote Gegner und ängstliche Zivilisten
Am Boden kauernde, ängstliche Zivilisten sind in ’The Stalin Subway’ nicht nur optisches Beiwerk der Umgebung. Für Spieler mit Hang zu übertriebener Gewalt kann beim Liquidieren unschuldiger Personen sehr schnell das Spiel vorbei sein. Eigentlich könnte man auch die KI-Gegner zur Gruppe der wehrlosen Zivilisten zählen. Jedenfalls scheint die KI nicht ganz das zu leisten, was man beim aktuellen Entwicklungsstand Ende 2005 normalerweise erwarten darf. Experimente erwiesen sich in dieser Hinsicht als äußerst kurios: Ballerte ich mit der AK-47 in einen Raum voller Wachsoldaten, schossen diese natürlich zurück. Jedoch brauchte ich keine Angst zu haben, dass diese versuchen würden, mich als Eindringling auch außerhalb des Raumes aufzuspüren. Ausnahmen von diesem Schema zeigten sich nur sporadisch im höchsten Schwierigkeitsgrad. Gleichermaßen desinteressiert zeigte sich ein Wächter, als sein Kamerad nach einem hinterhältigen Angriff das Zeitliche segnete und daraufhin seine beschränkten Animationssequenzen einfach stur weiter durchzog.

Ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis
Bei all den störenden Punkten hinsichtlich der spärlichen Optik, den hölzernen Animationen und dem schwachen Gegnerverhalten ist ’The Stalin Subway’ nicht grundsätzlich als schlechtes Spiel abzukanzeln. Für rund 30 Euro bekommt man einen Ego-Shooter mit Arcace-Anleihen im historischen Ambiente, der Gelegenheitsspielern durchaus Spaß machen kann.

Willkommen im Mittelalter

Wenn ich ehrlich sein soll, dann interessieren mich die regelmäßig aufflackernde Diskussion um Killerspiele und allgemein die befürchteten Auswirkungen auf den jugendlichen Spieler herzlich wenig. Trotzdem muss ich zugeben, dass mich die ursächlichen Anstachelungen von profilierungssüchtigen Politikern aus der dritten Reihe zu jeder neuen Runde im Schlagabtausch um böse Spiele immer wieder faszinieren. Noch mehr fasziniert mich aber die historische Dimension des Themas, die man, genau genommen, eigentlich schon seit dem Mittelalter ohne jegliche Beweiskraft führt.

Ketzerei und Hexenverbrennungen
Spätestens seit der Wende zum 12. Jahrhundert konnte man für persönliche Ansichten über den richtigen christlichen Glauben mit der katholischen Kirche ziemlichen Stress bekommen. Ein Leben in Armut und Demut wie die großen Vorbilder aus der Bibel? Äußerst suspekt. Ein Leben auf Wanderschaft und ohne festes Dach über den Kopf? Irrglauben, der die Köpfe der einfachen Gläubigen verdreht. Predigen ohne klerikalen Segen? Ein höllischer Skandal. Die Folgen der Inquisition sind bekannt: Verfolgung, Maßnahmen zur Umerziehung oder der Tod. Kurz: Alles, das von der gängigen Meinung oder vom allgemein akzeptierten Status, was „normal“ zu sein hatte, abwich, ist damals wie heute immer ein Dorn im Auge gewisser geistlicher oder weltlicher Hüter der einzig richtigen Moral gewesen.

Musik ist Teufelswerk
Kann sich hier noch jemand an die jüngere Vergangenheit erinnern? Nämlich an Zeiten, in der weniger über Religion, aber über „falsche“ Musik als Ursache allen Übels gesprochen wurde? Damals war es der Rock’n’Roll, welcher die Eltern wegen ihrer Kinder verzweifeln ließ. Oder – mal wieder – die Kirche, die in der schnellen Musik gleich den Teufel in Person sah und an die Wand malte. Es ist interessant, was übrigens für unser eigentliches Thema in der Zukunft noch wichtig sein wird, wie gleichermaßen die Hetze mit dem Heranwachsen dieser, zwar einst akut gefährdeten, aber nun offensichtlich gesund erwachsen gewordenen Kinder tatsächlich leiser wurde.

Trotzdem verstummten die besorgten Klagen von Eltern und kirchlichen Institutionen nie gänzlich. Dazu mussten aber neue, extremere Klänge her. Dies war offensichtlich dringend nötig, denn man brauchte wieder unbedingt jemanden, den man als den kinderfressenden Teufel höchstpersönlich diffamieren konnte. Da kommt einer wie der konservative Kreise provozierende Eminem wie gerufen. Seine Texte seien brutal, vulgär und homosexuellenfeindlich, wie vor allem die katholische Kirche gegen ihn anführte. Ja homosexuellenfeindlich – da kennt sich die Kirche wohl selbst am besten aus. Es ist schon erstaunlich, wie studierte Geistliche oder das gebildete (Klein-)Bürgertum sich immer wieder von einem Musiker hinter’s Licht führen lassen, der eben nicht immer politische Korrektheit heucheln will. Was haben diese Kreise vor allem Schock-Rocker Marilyn Manson vorgeworfen. Die Kinder würden durch seine Musik zu bösen Menschen. Einmal auf das Columbine-Massaker angesprochen, antwortet Manson kurz aber treffend: “Ich würde ihnen zuhören.“

Unsere Jugend ist gefährdet
Wirklich. Der Nachwuchs scheint von allen Seiten bedroht zu sein, sich jemals zu mündigen, intelligenten Erwachsenen zu entwickeln. Teuflische Musik, pornographisches Bild- und Filmmaterial – und dann noch diese verdammten Spiele. Auch hier führen Kritiker, wie gewohnt, ohne belegbare Argumente die Diskussion, dass Spiele mit hohem Gewaltpotential generell aus Kindern Monster machen. Da sagen gestandene Psychologen, böse Spiele machen zwangsläufig aus guten Menschen böse Menschen. Aktuell gerät die einseitige Diskussion in ausufernde Dimensionen. Zwar meldeten sich in der jüngeren Vergangenheit schon einige Vertreter aus dem politischen Lager, wie NRWs Minister Armin Laschet oder Thomas Jarzombek (CDU), die über das Thema wirklich nachgedacht haben. Versuchten anfangs höchstens Hinterbänkler aus der Politik mit einem provozierenden Statement, trotz ihrer dahindümpelnden Karriere für wenigstens fünf Minuten im Rampenlicht zu stehen, sehen wir uns jetzt jedoch von unseren Spitzenpolitikern konfrontiert mit der Forderung eines generellen Verbots von sogenannten „Killerspielen“.

Wirkliche Probleme gesucht?
Wie ich anfangs schon zu verstehen gegeben habe, interessiert mich diese grobe Materialschlacht um die möglicherweise schädlichen Auswirkungen von Spielen auf unsere Jugend und das Geschrei um gesetzliche Maßnahmen herzlich wenig. Ich mag altmodisch eingestellt sein. Aber wo in dieser ganzen sinnlosen Diskussion sind eigentlich die Erziehungsberechtigten? Wir haben hier zwei grundsätzliche Möglichkeiten. Entweder wird im besseren Fall ein junger Mensch in seiner normalen familiären Umgebung mit Sicherheit seine Grenzen zu spüren bekommen, wenn die Verantwortlichen Probleme mit der Freizeitgestaltung ihres Sprösslings sehen. Ob dies in den verschiedenen Fällen nun begründet sein mag oder nicht. Das ist das Los der Jungen. Die Probleme beginnen im anderen, schlechteren Fall dort, wo generell schon die eigenen Finger nicht mehr ausreichen, um alle Probleme zu zählen. Dort, wo es keinen mehr interessiert, was mit seinem Nachwuchs passiert oder was in ihm vorgeht. Wenn gar nicht mehr auffällt, dass seit einem Jahr der Platz im Klassenzimmer unbesetzt bleibt. Kurz, und um es noch einmal mit Mr. Mansons Worten auszudrücken, wenn kein Interesse mehr an den eigenen Kindern da ist, sind nicht die Spiele oder sonst etwas an den Explosionen schuld.

Wir können nichts beweisen – also verbieten wir es einfach
Wie üblich reichen bestehende gesetzliche Regelungen oder Kontrollinstitutionen nicht mehr aus. Deshalb müssen neue her. Warum soll ein von der USK ab 18 Jahren eingestuftes oder gleich indiziertes Spiel überhaupt noch gespielt werden dürfen? Ex-Justizministerin Däubler-Gmelin wirft den alten Regelungen vor, sie würden nicht mehr greifen. Würde denn ein absolutes Verbot so viel besser greifen, wenn sich Minderjährige schon nicht an die Altersschranken halten? Soll jetzt die Holzhammer-Methode die wirklich nie gekommenen stichhaltigen Argumente der Gegner ersetzen? Darf ein Erwachsener zukünftig ins weltoffenere Ausland fahren, um sich ein Spiel zu besorgen, für das er geistig reif genug ist? Wird der eben beschriebene mündige Mensch dann zum strafrechtlich verfolgbaren Kriminellen, wenn er einen Titel dieser Kategorie nach Deutschland bringt? Willkommen im Mittelalter.

Ein MMORPG für Schurken

Kein anderes Spiel konnte mich letztes Jahr länger fesseln als ‚City of Heroes‘. Und das trotz der im vergleichbaren Zeitraum schon fast erdrückenden Zahl erschienener Titel. ‚EverQuest 2‘ wie ‚World of WarCraft‘ – alle wurden von der Festplatte gefegt. Nun ist der Nachfolger ’City of Villains’ endlich online. Ab sofort habe ich mein sonniges Gemüt an den Nagel gehängt und mache als fiese Super-Sau die Gegend unsicher. Dies soll aber keine endgültige Einschätzung von ‚City of Villains‘ sein, sondern vielmehr ein Feedback und eine Momentaufnahme über die Erfahrungen, die ich gerade in meiner persönlichen Langzeitstudie sammle.

MMORPG-Hoffnung 2004
‚City of Heroes‘ begeistert mich nach wie vor besonders wegen der vielen Fertigkeiten und Möglichkeiten der vertretenen Archetypen. Nebenbei setzte es Anno 2004 dem gängigen Fantasy-Kitsch eine echte Alternative entgegen: Das Superhelden-Setting wirkte uneingeschränkt glaubhaft. Dies wurde auch einhellig von der Fachpresse begrüßt und dementsprechend gut bewertet. Doch wie sieht die Realität auf den Servern aus? Was wurde aus der MMORPG-Hoffnung 2004? Zumindest auf dem einzigen deutschen Server herrscht oft gähnende Leere. Die Hoffnungen auf unzählige enttäuschte, übergelaufene ‚World of WarCraft‘-Spielern hat sich jedenfalls nicht erfüllt. Dies mag zum Großteil auch an den mir nicht nachvollziehbaren fehlenden Beschäftigungsmöglichkeiten nach Erreichen der Höchststufe liegen.

Alles schaut auf die Superschurken
Nun richtet sich die Aufmerksamkeit auf ‚City of Villains‘, die eigenständige Fortsetzung im Universum von ‚City of Heroes‘. Ab sofort schlüpfen die Spieler also in die Schurkenrolle eines Brutes, Dominators, Corruptors, Stalkers oder Master Minds. Oberflächlich gesehen zeigen sich diese Archetypen im Vergleich zu ihren Gegenübern von ‚City of Villains‘ sehr einseitig auf das Solospiel ausgelegt. Ein wahrer Tank? Fehlanzeige. Der Brute, in der deutschen Version der Berserker, ist ein durchgeknalltes Monster, das aber nicht viel einstecken kann. Diese Lücke sollen jetzt die Pets des Master Minds füllen, was mehr oder weniger gut funktioniert. Der Heiler? Ich habe noch kein Online-Rollenspiel erlebt, in dem der Fernkampf-Damage-Dealer mit der Heilerklasse verschmolzen wurde. Der Dominator, als Pendant zum Controler, hatte nach wenigen Leveln mehr Angriffs-Fertigkeiten als mein alter Nahkämpfer. Richtig neu hingegen, und als Schurke in vielen Fantasy-Titeln bekannt, ist der Stalker mit seiner Tarnfähigkeit und den kritischen Angriffen.

Wir würfeln uns neue Bösewichte zusammen
Generell enttäuscht mich etwas die Auswahl an "neuen" Skills in ‚City of Villains‘. Nach groben Schätzungen, die natürlich statistisch nicht verifizierbar sind, habe ich den Eindruck, dass den schurkischen Archetypen nur sehr wenig wirklich unterscheidbare, eigene Skills mitgegeben worden sind. Im Prinzip wurden hier einerseits bekannte ‚City of Villains‘-Skills übernommen und diese einfach vom Primär-Set ins Sekundär-Set verschoben und umgekehrt. Trotzdem macht es wieder unheimlich Spaß, die Fähigkeiten der Archetypen nun auch in bisher nicht bekannten Kombinationen auszuprobieren. Und nachdem, was uns der Statesman und ‚City of Heroes‘-Schöpfer Jack Emmert vor Kurzem verraten hat, wäre das Klassendesign wohl noch simpler ausgefallen, hätte ihn sein Entwicklerteam bei dem Thema nicht in den Hintern getreten. Natürlich stehen wieder die unzähligen Kostüm-Optionen bei der Charakter-Erstellung zur Wahl. Nur etwas mehr ’schurkische‘ Kleidungsstücke als die paar Monsterskins und Kettengehänge hätte ich mir schon gewünscht.

Alte Missionen mit neuen Tapeten an den Wänden
Was mich aber wirklich ärgert, ist das Missions-Design von ‚City of Villains‘. Mein Team und ich ziehen durch die immer gleichen, schon aus ‚City of Heroes‘ bekannten Missionen. An nicht wenigen Stellen hat man den Eindruck, als sei einfach die Tapete (sprich: Textur) an den Wänden ausgewechselt worden. Alles andere wäre wohl zuviel Arbeit gewesen. Für Abwechslung sorgen die neuen Missionstypen wie Banküberfälle oder Entführungen. Letztere sind nun auch in ‚City of Heroes‘ als Geiselbefreiungen verfügbar. Technisch hat sich hinsichtlich der Spielwelt etwas getan: Ein neues Feature lässt die Welt in der Distanz etwas verschwommen wirken, was wirklich sehr gut aussieht. Ebenso machen die überarbeiteten Charakter-Texturen, ausgestattet mit neuen Beleuchtungseffekten sowie der Einsatz der Physik-Engine eine beeindruckende Figur. Als nächstes stehen auf unserer Liste vor allem der Basenbau, der zur Zeit noch am nötigen Kleingeld scheitert, und natürlich das neue Feature PvP: Endlich können sich Superhelden und Superschurken in verschiedenen Zonen die Köpfe einschlagen!

Guter alter Bekannter
Zwar erfindet sich ‚City of Heroes‘ mit ‚City of Villains‘ nicht noch einmal neu. Dazu langweilen allein die immer wieder gleichen und bekannten Missionen schon genug. Trotzdem macht es einfach wieder unglaublichen Spaß, mit Gleichgesinnten durch Stadtteile, Bürokomplexe oder Höhlen zu ziehen und alles niederzustrecken, was sich bei Drei noch nicht geflüchtet ist. Daneben motivieren die ständigen eigenen Überlegungen, nach einer weiteren nützlichen Kombination von Archetypen und Power-Sets sowie deren Auswirkungen im Teamspiel. Wer noch gar nichts von den beiden Spielen gehört hat oder nach einer wirklichen Alternative zu ‚World of WarCraft‘ & Co. sucht, der darf sich gerne bei mir persönlich die Kaufempfehlung für ‚City of Villains‘ abholen.

König der Strategiespiele: Fast …

Es gibt nicht gerade viele Spielserien, mit denen der mittlerweile zumindest biologisch erwachsen gewordene Spieler seine Entwicklung von frühester Jugend bis heute in Verbindung bringen kann. ‚Civilization‘ ist in meinem Fall einer dieser sehr seltenen Titel. Im zarten Alter von 14 Jahren verfiel ich 1991 somit zum ersten Mal mit Haut und Haaren der ‚Civ‘-Sucht, was in den folgenden Jahren mit den Nachfolgern nicht anders war. Das war übrigens noch eine Zeit, wo uns Schülern von den Lehrern immer wieder eingetrichtert wurde, Computerspiele seien böses Teufelswerk und man verblöde damit. Nun bin ich mir sicher, sie widerlegt zu haben, brauche mir ihr Gesülze nicht mehr anzuhören und kann mit ‚Civilization 4‘ von der Weltherrschaft träumen.

Alles beim Alten
Der augenscheinlich auffälligste Unterschied von ‚Civlization 4‘ zu seinen Vorgängern liegt weniger am stellenweise alten Spielprinzip als an der erstmaligen Verwendung von 3D-Grafik. Im Prinzip hätte man aber auch beim 2D-Prinzip bleiben können, denn auf das Gameplay hat die Dreidimensionalität keinerlei sichtbare Auswirkungen. Einzig Diktatoren mit Weltherrschaftsansprüchen dürften von der Möglichkeit sehr angetan sein, die Weltkugel per Maus genüsslich in alle Richtungen zu drehen und das nächste Objekt ihrer Begierde auszukundschaften. Jedenfalls sind bei ‚Civilization 4‘ wieder alle Elemente mit dabei, die eine wunderbare Weltsimulation ausmachen: Forschung von der Steinzeit bis zur Reise in den Weltraum, viele unterschiedlich agierende KI-Zivilisationen, Kontinente, die darauf warten, besiedelt zu werden, und viele Einstellmöglichkeiten, die der persönlichen Vorstellung vom eigenen Wunschplaneten Rechnung tragen.

Was sonst noch?
‚Civilization 4‘ könnte mich bestimmt nicht wieder so begeistern, wäre da nicht doch die eine oder andere innovative Neuerung im Gameplay. Neben den klassischen Ressourcen mit verschiedenen Boni, wie der Wirtschaft, der Produktivität und der Wissenschaft, gibt es im vierten Teil endlich ein Gut, dass eigentlich das Interessanteste an der Menschheitsentwicklung repräsentiert: Die Kultur! Im Gegensatz zur Realität, in welcher die Kultur vom guten Willen der Politik abhängig ist oder bei passender Gelegenheit für die Selbstdarstellung missbraucht wird, ist der Einsatz sowie die Entwicklung von kulturellem Einfluss in ‚Civilization 4‘ von elementarer Bedeutung. Ohne die Errichtung geistiger, religiöser oder unterhaltsamer Einrichtungen breitet sich der Einfluss einer Stadt nicht auf das Umland aus, wichtige Ressourcen-Felder können somit nicht bearbeitet werden. Aber auch dem Nationengedanken wird hier Rechnung getragen: Voneinander getrennte und entfernt liegende Städte wachsen mit der Entwicklung von Kultur zusammen: Die Nation bzw. das Staatsgebilde entsteht.

Ein anderes interessantes Thema ist der stärkere Einbezug von Religionen. Hier ist das gesamte Spektrum der geistlichen Welt vertreten. Der Einsatz einer Religion fördert nicht nur begrüßenswert die Verbreitung von Kultur, sondern macht auch die Bevölkerung glücklicher. Wie im realen Vorbild besorgen vor allem Klöster als Nebenprodukt wissenschaftliche Forschung, bis sie in späteren Epochen in diesem Punkt von aufgeklärten akademischen Einrichtungen abgelöst werden.

Civilization für jedermann
Zwar gab es die Empfehlungen für den Stadtausbau oder die Forschung schon in früheren Teilen, jedoch verließ man sich lieber auf das eigene Gespür, da die Tipps von ihrem Nutzen doch eher zweifelhaft waren – oder man ließ wegen der Komplexität bei diesem Thema von ‚Civilization‘ lieber gleich die Finger. In ‚Civilization 4‘ scheint man dieses System grundlegend überarbeitet zu haben: Bauempfehlungen ergeben durch die Bank einen Sinn. Ebenso richten sich die Ratschläge zur Forschung an die jeweiligen nötigen Umstände der Zivilisation, um das Wachstum, Produktivität, Wissenschaft oder Militär zu fördern. Auch die Bautrupps geben Empfehlungen, wie das aktuelle Terrain zu bearbeiten ist, oder gehen ihrer Arbeit auf Wunsch automatisiert nach. In der Praxis hat sich dies aber nicht bewährt, da die KI mehr falsche als förderliche Entscheidungen bei den Bautrupps produziert hat. Die Diplomatie erhält übrigens mit ihren jetzt viel umfangreicheren Möglichkeiten einen wirklichen Nutzen.

Suchtpotential
Ich muss zugeben: In den ersten Spielstunden war ich wenig von ‚Civilization 4‘ begeistert. Zuviel Altbackenes schien sich mir hier nur grafisch aufgepeppt auf dem Monitor abzuspielen. Doch irgendwann machten mir die abermals unbemerkt ungezählt verbrachten Stunden am Ausbau und der Entwicklung meiner Zivilisation plötzlich wieder schlagartig bewusst: Die ‚Civ‘-Sucht ist wieder da! Es macht einfach riesig Spaß, sich durch die Menschheitsgeschichte zu entwickeln, die eigene Zivilisation immer größer und mächtiger werden zu lassen sowie die Nachbarn mit mächtigen Keulen wieder zurück in die Steinzeit zu bomben. Die neue Ressource Kultur und der verstärkte Einsatz von Religion bringen zudem viele interessante neue Möglichkeiten ins Spiel. Somit bleibt als Gesamtfazit wieder ein geniales neues ‚Civilization‘.