Würde man mit einer Zeitmaschine zurück in die 50er reisen wollen, dann könnte man sich weiß Gott angenehmere Plätze als Russland in der Blütezeit seiner sowjetsozialistischen Vergangenheit vorstellen. Trotzdem schickt man uns im Ego-Shooter ‚The Stalin Subway‘ eiskalt in den Untergrund Moskaus, wo wir als vormals betriebsblinder und verratener KGB-Offizier die Verschwörung gegen Josef Stalin im muffigen Kreml lüften sollen – natürlich unter tödlichen Beschuss.
Ungewohnte Feindbilder
Nachdem man gleich zu Spielbeginn die erste unerfreuliche Bekanntschaft mit der äußerst hölzern realisierten deutschen Sprachausgabe gemacht hat, wartet umgehend die nächste böse Überraschung auf den feschen KBG-Kader Gleb Suvorov. Stand (oder besser: lag) man noch wenige Jahre zuvor im Zweiten Weltkrieg in trauter Zweisamkeit gemeinsam im Schützengraben, gerät man im Spiel augenblicklich unter feindlichen Beschuss der ehemaligen Kameraden. Es scheint, als wäre der eigentlich unschuldige Hauptdarsteller von ‚The Stalin Subway‘ in eine undurchsichtige Intrige geraten, die zum Ziel die Vernichtung des grausamen Diktators Josef Stalin hat. Warum gerade das Leben dieses Monsters als schützenswert angesehen wird, bleibt mir schleierhaft. Nebenbei wartet noch ein hinterhältiger Anschlag in Form des schwülstigen Titelsongs, vorgetragen von einer Grazie samt ihrer russischen Kapelle, auf den guten Geschmack des Spielers.
Nostalgie pur
Dem waffenkundigen Spieler von Shootern wird das historische Arsenal an Schusswaffen aus der Mitte des letzten Jahrhunderts auffallen. Neben zahlreichen Handfeuerwaffen wie der Marrow AP und der Stetschkin APS finden sich dort in ebenso umfangreicher Auswahl großkalibrige Waffen wie beispielsweise die PPSh 41, die legendäre AK-47 oder gar respekteinflößende Panzerbüchsen – kurz gesagt: Alles, was die damalige sowjetische Rüstungsindustrie an zweifelhaften Errungenschaften hervorbrachte. Wie üblich ballert sich der Spieler in bester Ego-Shooter-Manier damit von Abschnitt zu Abschnitt und erbeutet unterwegs von den Besiegten begehrte, neue und durchschlagendere Waffen. Aber nicht nur die Knarren können auf eine historische Dimension verweisen.
Ebenso verhält es sich beim Soundtrack im Spiel, denn dieser erinnert an die Glanzzeiten von C64-Sounds. Dies soll nicht als Kritik verstanden werden, da die Hommage an die Brotkasten-Melodien eher animierend wirkt, für einen gewissen Arcade-Faktor sorgt und gleichzeitig von der etwas zu drögen und kargen KGB-Atmosphäre des Level-Designs ablenkt. Grafisch dürfen keine Wunder erwartet werden. Dafür leistet die eingesetzte Engine hinsichtlich Qualität und Animationen zu wenig. Etwas motivierender wirken da schon Aufenthalte im Freien: Wenigstens hier bereichern Details das Spielerlebnis.
Gehirntote Gegner und ängstliche Zivilisten
Am Boden kauernde, ängstliche Zivilisten sind in ’The Stalin Subway’ nicht nur optisches Beiwerk der Umgebung. Für Spieler mit Hang zu übertriebener Gewalt kann beim Liquidieren unschuldiger Personen sehr schnell das Spiel vorbei sein. Eigentlich könnte man auch die KI-Gegner zur Gruppe der wehrlosen Zivilisten zählen. Jedenfalls scheint die KI nicht ganz das zu leisten, was man beim aktuellen Entwicklungsstand Ende 2005 normalerweise erwarten darf. Experimente erwiesen sich in dieser Hinsicht als äußerst kurios: Ballerte ich mit der AK-47 in einen Raum voller Wachsoldaten, schossen diese natürlich zurück. Jedoch brauchte ich keine Angst zu haben, dass diese versuchen würden, mich als Eindringling auch außerhalb des Raumes aufzuspüren. Ausnahmen von diesem Schema zeigten sich nur sporadisch im höchsten Schwierigkeitsgrad. Gleichermaßen desinteressiert zeigte sich ein Wächter, als sein Kamerad nach einem hinterhältigen Angriff das Zeitliche segnete und daraufhin seine beschränkten Animationssequenzen einfach stur weiter durchzog.
Ausgewogenes Preis-Leistungs-Verhältnis
Bei all den störenden Punkten hinsichtlich der spärlichen Optik, den hölzernen Animationen und dem schwachen Gegnerverhalten ist ’The Stalin Subway’ nicht grundsätzlich als schlechtes Spiel abzukanzeln. Für rund 30 Euro bekommt man einen Ego-Shooter mit Arcace-Anleihen im historischen Ambiente, der Gelegenheitsspielern durchaus Spaß machen kann.