Während Tim Schafer und Double Fine mittlerweile bereits zwei Millionen Dollar an Fan-Investitionen in ein neues Adventure gesammelt haben, sieht der weltweite Markt für andere Spiele dieser Art eher düster aus. Nur wenige Studios können sich mit dem Genre einen Namen machen und erfolgreich sein. „These days it seems adventure games are almost like a lost art form. They exist in our dreams. Our memories… and in Germany.“, spielt das Mastermind hinter vielen Perlen des Genres auf den außerordentlichen Erfolg von Adventures im deutschsprachigen Raum an. Für hiesige Hersteller entpuppt sich diese Sonderstellung aber als Problem, wie ein Foreneintrag von Daedalics Carsten Fichtelmann nun durchscheinen lässt. Schuld daran soll Valve’s strenge Politik mit STEAM sein.
STEAM ist – wie andere Plattformen die auf Digital Rights Management setzen – bei manchen Hardcoregamern immer noch unbeliebt. Schon die Entscheidung, ob man ein Spiel auf Steam bringt, stellt kleine Hersteller deshalb vor eine „Pest und Cholera“- Entscheidung: „Genauso wie es Kunden gibt, die uns sagen, wenn wir eine Steamaktivierung haben, dann kaufen sie unsere Spiele nicht, gibt es Kunden die inzwischen nur noch Steam nutzen“, schreibt Fichtelmann.
Die Strategie müsse daher sein, weltweit auf STEAM zu kommen, gleichzeitig aber DRM-freie Box-Versionen in jenen wenigen ausgewählten Ländern anzubieten, wo diese sich noch rentieren. Deutschland zählt dazu (Österreich vermutlich auch). In den meisten anderen Ländern sei der Box-Verkauf im Laden für fast alle Spiele außer Mainstream-Hits tot – gerade Adventures würden von dominierenden Kaufhausketten (wie etwa in den USA BestBuy und Walmart, aber auch spezialisierte Händer wie GameStop) absolut verschmäht.
Ist STEAM der neue Walmart?
Wer die Vertriebswege kontrolliert, der kontrolliert zumindest indirekt auch die Produktion. Dieses Problem hatte für die Spielebranche mit Ron Gilbert ja vor einigen Jahren schon eine andere Adventure-Ikone (die nun bekanntlich auch bei Double Fine arbeitet) angeprangert. In dem auch bei unser erschienenen Text „Jeder liebt es, die Spielepresse zu hassen„, forderte er Spielejournalisten dazu auf, sich mit der Macht der Händler auf die Spieleentwicklung auseinanderzusetzen. Sie hätten mit der Entscheidung, welche Spiele gemacht werden und welche nicht „so viel zu tun, dass es erschreckend ist“, meinte er.
Heute scheint auch STEAM diese Rolle inne zu haben und Adventureherstellern das Leben schwer zu machen. „Unser Problem ist, dass alle anderen Online-Händler in der Welt zusammen nur 10-20% von dem ausmachen, was Steam bewegen kann, wenn sie ein Spiel wirklich pushen“, beschreibt Fichtelmann die Lage. Denn wie auch immer man dazu steht: STEAM ist verantwortlich für den massiven Großteil aller digitalen Verkäufe weltweit. Während eine so mächtige Plattform auch für kleine Entwickler tolle Möglichkeiten bieten kann (Fichtelmann: „Keiner behandelt einen so fair, sofern man denn überhaupt Partner von Steam ist und sie ein Spiel selbst unterstützen.“), hat es auch eine offensichtliche Kehrseite für Ausgesperrte. Daedalic erreicht aktuell Kunden außerhalb Deutschlands meist so gut wie gar nicht, schreibt der Firmen-Gründer in seinem Eintrag. Weil Valve die Spiele des Unternehmens nicht ins Programm nimmt. Die Veröffentlichungspolitik sei ein Problem: „Der Auswahlprozess bei Adentures ist sehr willkürlich“. STEAM scheint die Lösung für ein Problem. Doch es ist auch selbst ein Problem.
Und tatsächlich: Zwar gibt es auf der Plattform viele Genrevertreter. Ausgerechnet die (auch meiner Meinung nach hervorragenden) Daedalic-Hits „Edna bricht aus“ und „A New Beginning“ hat man bei STEAM trotz mehrmaliger Vorstellung abgelehnt. Die Zielgruppe interessiere das nicht, würden die Verantwortlichen dort meinen. Zwischen dem großartigen Gemini Rue, Ankh und Tales of Monkey Island (die teilweise anscheinend auch abgelehnt wurden, bis sie ihren Erfolg anderswo beweisen konnten) sind aber durchaus Titel, bei denen keine pingelige Qualitäts- und Zielgruppenprüfung vermutet werden kann.
Nächster Anlauf mit Deponia
Demnächst werde man dennoch wieder versuchen, auch das neue Adventure Deponia anzubringen. „Wir glauben fest, dass Deponia sehr viel auf Steam verkaufen würde, wenn es denn draufkommt“. Deponia sei über die Box-Version in Deutschland schon extrem erfolgreich: „Der Markt ist viel schwerer und schlechter als vor fünf Jahren. Trotzdem hat das Spiel sich zum Verkaufsstart besser verkauft, als alle großen Adventurehits der letzten 10 Jahre (Black Mirror, Dreamfall, Geheimakte Tunguska, Jack Keane, Ankh, BouT, Edna, TWW usw.)“. Ohne internationalen Release würde das finanziell aber nicht ausreichen, um die Firma nachhaltig besser abzusichern.
Mit Das Schwarze Auge: Satinavs Ketten, dem ersten Adventure im DSA-Universum, wird man jedenfalls auf STEAM landen. Möglich ist das dank Vertriebspartner Koch Media. Der hatte in der Vergangenheit zwar auch mit STEAMs restriktiver Politik zu kämpfen, hat seit dem Erfolg mit Dead Island aber einen Fuß in der Tür. In der deutschsprachigen Adventure-Community reagierte so mancher User beleidigt auf die Ankündigung, dass „Satinavs Ketten“ über STEAM komme. Eine nicht unverständliche Einstellung, aber eine die in letzter Konsequenz darauf hinausläuft, dass diese Leute bevorzugen, lieber keine Daedalic-Adventures mehr zu spielen, als die STEAM-Bedingungen zu akzeptieren. Daedalics Community Manager „Iolan“ bemerkt im selben Forum: „Auf lange Sicht ist ohne Steam wahrscheinlich das Licht bei uns aus“
Einen anderen Ansatz wählen die, die mit STEAM ganz gut leben können. Bereits über 130 Leute haben sich binnen zweier Tage in einer Gruppe namens „Children of the Adventure Renaissance“ eingefunden. Sie wollen zeigen, dass es durchaus Steam-Kunden gibt, die Spiele von Daedalic, King Art und anderen Adventureherstellern interessant finden, um Valve dazu zu bewegen, den Aufnahmeprozess etwas zu lockern. Wer sich zu dieser Gruppe zählt, sollte sich anmelden und andere interessierte Freunde einladen.