Wie alle anderen auch hättet ihr gerne ein Haus, ein Auto und jedes Jahr einen mächtig luxuriösen Urlaub. Um die Raten für’s Eigentum abzustottern und den Wagen zu kaufen reicht es ja vielleicht noch, aber was wird aus dem Urlaub? Kein Problem, um 40 Euro bekommt ihr, einen einigermaßen leistungsstarken PC vorausgesetzt, jede Menge Urlaub in euer Wohnzimmer. Nicht nur zwei Wochen all inclusive, sondern Karibiksonne so lange ihr wollt. Zusätzlich zu diesem Super-Paket gibt’s noch ein paar Eingeborene, die vielleicht sogar mit euch sprechen werden, ein paar Touristen aus Europa, die sich vermutlich verlaufen haben und – um der Sache etwas Pfeffer zu verleihen – ein paar Piraten, die euch töten wollen. Wo, außer bei Anno 1701 bekommt man diese tollen Urlaubsspecials für derartiges Geld? Geht mal in ein Reisebüro und ihr werdet sehen, die nächste Alternative wird euch mindestens das Zehnfache kosten und anstatt verwegener Piraten gäbe es höchstens verschlagene Teppichhändler. Wer jetzt noch mit dem Argument kommt, dass er gerne mit seinen Freunden unterwegs wäre: Dazu gibt’s einen Multiplayermodus für bis zu vier Spieler.
Anno 1701 ist eines der Spiele, die man ohne Bedenken sowohl einem Sechsjährigem als auch einem Pensionisten empfehlen kann. Es geht darum, eine Siedlung in der neuen Welt zu gründen und möglichst erfolgreich zu vergrößern. Dies erreicht man durch Bauen, Handeln und manchmal auch durch ein paar Spione oder sogar einen Krieg.
Der Spieleinstieg gestaltet sich extrem leicht und schreckt somit nicht einmal blutigste Anfänger ab. Unterstützung gibt es auch durch ein ausführliches Tutorial, dass jeden Aspekt des Spiels behandelt und auch eine kleine Geschichte erzählt. Besiedelt eine Insel, baut einen Kontor, um Handel zu treiben, und ein Dorfzentrum. Alles, was die ankommenden Pioniere benötigen um zufrieden zu sein ist Nahrung und ein Dorfzentrum. Leider ist es aber so, dass Pioniere einfach viel zu wenig Steuern zahlen, um ein mächtiges Inselimperium zu erschaffen. Daher gilt es, so schnell wie möglich Siedler, Bürger, Kaufleute oder sogar Aristokraten in die Inselwelt zu bekommen. Natürlich werden die Bedürfnisse, die fortgeschrittene Bevölkerungsgruppen haben, mit ansteigendem Steueraufkommen immer komplexer. Siedler wollen trinken und rauchen, Händler möchten Pralinen und Aristokraten sogar Parfum. Um all das herzustellen, benötigt man jede Menge Rohstoffe, die sich niemals alle auf einer einzigen Insel finden. In den nördlicheren Gebieten findet man meist Wale, Honig und Blüten. Im Süden gibt es Zuckerrohr und Tabak. Um an alle benötigten Rohstoffe zu bekommen, ist es also fast immer nötig, mit benachbarten Eingeborenen oder anderen Entdeckern zu handeln.
Wo Diplomatie bei anderen Spielen nur den Zeitraum repräsentiert, in dem nicht die Fetzen fliegen, ist es bei Anno durchaus wichtig und wünschenswert, mit seinen Mitbewerbern gut auszukommen. Ein Handelsvertrag ist meist der erste Schritt. Damit ist es beiden Vertragspartnern ermöglicht, in den Kontoren des anderen freigegebene Ware zu Kaufen oder zu Verkaufen. Wenn die Geschäfte gut laufen, ist auch ein Bündnis möglich, welches gegenseitige militärische Hilfe und Einsicht auf die Aufklärung des anderen ermöglicht.
Nachdem der Austausch von Ware mit anderen den Grundstein des Spiels ausmacht, ist Krieg zwar möglich, aber meist nicht wünschenswert, denn die Konsequenzen sind meist verheerend. Je länger ein Spiel dauert, umso härter trifft es alle Mitspieler. Warenkreisläufe brechen zusammen, Bedürfnisse können nicht mehr ausreichend abgedeckt werden und die See wird unsicher. Oft treten in Folge auch eine Reihe von Bündnisfällen ein und plötzlich geht die schöne kleine Inselwelt in Flammen auf. Somit kann man den Krieg in Anno mit der harten Realität vergleichen. Es gibt eigentlich nur größere und kleinere Verlierer. Man bedenke nur, was ein paar Stunden Anno bei George W. Bush vor dem Irakkrieg bewirken hätten können, sofern er eine gewisse Einsicht besessen hätte!
Der am häufigsten verwendete Spielmodus ist das Endlosspiel. Hier kann man absolut alles vordefinieren und sich sein eigenes Reich erschaffen. Auch die Siegbedingungen sind von letzter Überlebender bis Siedlung mit 20.000 Einwohnern flexibel einstellbar. Es gibt eine Unmenge an Möglichkeiten und diese alle einmal auszuprobieren verschlingt Wochen. Wenn ihr glaubt, dass ein paar Wochen für ein Computerspiel sehr lang sind, dann kennt ihr den horrenden Suchtfaktor von Anno noch nicht. Das Schlimme daran ist, dass man die Zeit einfach übersieht. Vier Stunden am Stück sind keine Seltenheit. Diesen extremen Suchtfaktor sahen die Entwickler schon voraus und damit man nicht nach zwei Tagen durchgehendem Spielen dehydriert zusammenbricht, meldet sich das Spiel alle zwei Stunden und fordert zu einer Pause auf.
Eine Kampagne mit zehn Missionen ist ebenfalls vorhanden, doch sollte man sich von ihr nicht allzu viel erwarten. Die Story ist zwar irgendwie niedlich, doch einfach eine Spur zu unglaubwürdig geraten. Nachdem die Kampagne, ungleich zu anderen Spielen, nur ein kleiner Nebeneffekt des Spiels ist, dürfte das die Wenigsten stören.
Obwohl ich nicht unbedingt ein Freund ständiger Fortsetzungen bin, ist Sunflowers so ziemlich alles gelungen, was ein Sequel benötigt, um erfolgreich zu sein. Die Grafik wurde massiv Verbessert und bietet echtes Karibikfeeling. Wunderbar blaues Wasser, indem sich Palmen oder Felsen von Inseln Spiegel, Wellen die von eueren Handelsschiffen in die See gepfügt werden. Oft sieht man auch Delphine den Weg der Schiffe kreuzen. Kurzum: Anno spielen ist wirklich ein bisschen wie Urlaub.
Ebenso perfektioniert wurde die Vertonung und die Sprachausgabe. Einzig die etwas nervigen Dauerwiederholungen einiger Sätze eurer Bürger sind nicht hundertprozentig gelungen. Den größten Anlass zu Nörgeln gab es bei den Vorgängern in Sachen Bugs und Multiplayer. Auch hier wurde ganze Arbeit geleistet. Beide Titel, die Sunflowers dieses Jahr veröffentlichte, also ParaWorld und Anno 1701 scheinen in der Spielewelt äußerst seltene Perlen zu sein. Sie kamen nahezu Bugfrei auf den Markt und bieten ungetrübtes Spielvergnügen von Anfang an. Natürlich fehlt dadurch auch ein wenig die Spannung, wie sie Gothic 3 verursacht (werde ich meinen Spielstand sichern können oder stürzt wieder alles ab?), aber zumindest ich bin äußerst glücklich über derart gut ausgetestete Spiele.
Sowohl ich als auch <a href="http://www.rebell.at/?site=r5&cnt=news&id=3782" target="_blank">Sky Dumont</a> sind der Meinung, dass das neue Anno 1701 die beste Aufbausimulation am Markt ist und dass sie jeder kaufen sollte der einen PC hat. Wer noch keinen hat: Mit Anno gibt es nun endlich einen triftigen Grund, einen anzuschaffen. Falls ihr euch nun zu guter letzt noch fragt, wieso ein Rebell.at-Redakteur fast zwei Monate für den Review eines Spiels braucht: Ich fiel der Sucht ebenso wie tausende andere Spieler zum Opfer, und konnte nur unter extremer psychischer Belastung aufhören zu Spielen. Vermutlich werde ich aber keinen Amoklauf begehen. Mannomann, dieses Spiel ist einfach genial!