Prey ist einer der Shooter, die von der Fachpresse schon in den Himmel gelobt wurden, bevor überhaupt klar war, was hier eigentlich wirklich am Start ist. Finden wir schade, deswegen möchten wir euch unsere Sicht der Dinge mal etwas näher bringen, die mit Sicherheit nicht die allgemeine Euphorie widerspiegelt. Prey ist, wenn man das Spiel mal etwas genauer unter die Lupe nimmt, bis auf ein paar Ausnahmen ziemlich unspektakulär.
Worum geht es bei Prey? Tommy, ein junger Cherokee, ist mit seinem Leben unzufrieden und möchte zusammen mit seiner Freundin das Reservat verlassen in dem er lebt. Leider möchte seine Freundin nicht mitmachen und sein rechthaberischer Großvater faselt ständig irgendwas von Vorhersehung. Genau in diesen Dialog platzt der Spieler hinein und darf miterleben, wie eine Diskussion der etwas extremeren Art in einer kleinen Indianerbar sehr schnell von Aliens beendet wird. Das Dach wird fortgerissen, Tommy wird in ein riesiges Raumschiff gezogen.
Das Raumschiff ist für die Aliens in etwa das, was der große Schlachthof um die Ecke für uns ist. Nur werden dort keine Tiere erniedrigt und ermordet sondern eben Menschen. Tommy ist auch kurz davor, ein Mittagessen zu werden, als plötzlich jemand die Produktionsstraße sprengt. Von diesem Zeitpunkt an beginnt eine One-Man-Show, die John J. Rambo vor Neid erblassen lassen würde. Tommy muss erstens seine Freundin retten, zweitens die Welt und drittens alles töten, was sich bewegt.
Die Story ist also nicht besonders originell, doch wieso zum Henker sind dann alle so unglaublich geil auf dieses Spiel? Vielleicht liegt das teilweise auch an gutem Marketing? Vielleicht kann aber auch niemand so wirklich fassen, das Tommy auf dem Alienraumschiff sehr oft mit sehr abartigen Gravitationsbedingungen zu tun hat. Jeder Boden kann plötzlich zur Decke werden, jede sichere Ecke kann sich plötzlich über Tommy befinden.
Gravitationsänderungen erreicht Tommy mit Hilfe von diversen Schaltern, die er durch einen einfachen Schuss aus einer der organisch-technischen Alienwaffen agibt, die überall im Spiel zu finden sind. Oft unterscheiden sie sich nur im Aussehen von den irdischen Pendants, doch einige sind ziemlich einzigartig gelungen und in keinem mir bekanntem Spiel zu finden.
Wo man also in anderen Shootern nach Geheimtüren oder versteckten Schaltern suchen muss, reicht es bei Prey also einfach, mal nach oben oder zur Seite zu sehen um des Rätsels Lösung zu finden. Fast jedes Rätsel im Spiel hat mit Gravitation zu tun, der Rest mit Feuerkraft.
Praktisch überall können sich Portale offnen, aus denen Gegner aller Art stürmen. So geht man nichtsahnend wieder einmal einen engen Gang voller Leichenteile und mit vielleicht ein, zwei wahnsinnig gewordenen Menschen entlang, als sich plötzlich ein Portal öffnet und drei Gegner herausstürmen. Angeblich ist sowas innovativ. Vielleicht wollten die Entwickler aber auch einfach auf gute KI verzichten und mit diesen Portalen die Gegner einfach so vor dem Spieler absetzen, dass sie nicht mehr allzu viele Verhaltensmöglichkeiten berücksichtigen mussten.
Tommy ist ein Cherokee, hält aber nicht besonders viel vom großen Manitou. Obwohl er stirbt und plötzlich nicht mehr im Raumschiff, sondern in der Welt seiner Vorfahren vor seinem toten Großvater steht, fragt er immer noch, was dieser Blödsinn eigentlich soll. Sein Opa muss ihn wirklich lieb haben, denn trotz dieser blöden Aktion kann er nicht sterben, da er in die Geheimnisse der absoluten Unsterblichkeit eingeweiht wurde. Wenn er also wieder mal von ein paar fiesen Gegnern niedergestreckt wurde, kommt er in eine Zwischenwelt, in denen er einfach ein paar Insekten mit seinem Cherokeebogen töten kann um deren Lebensenergie in sich aufzusaugen. Danach kommt er mit seiner neu gewonnenen Energie wieder zurück in die Welt der Aliens. Das kann man als innovatives Umgehen des ständigen hämmerns auf die Quicksave- und Quickload-Taste sehen, was durchaus angenehm ist, da es den Spielfluss nicht so hemmt wie das ständige Laden, wenn man sich mal wieder verabschiedet hat.
Außerdem kann er während des Spiels den sogenannten Spiritwalk auch dazu verwenden, um als Geist umherzustreifen und so Kraftfelder zu passieren, die ihn als normaler Mensch aufgehalten hätten. Manchmal gibt es auch geheimnisvolle Brücken, die man nur als spiritueller Körper überqueren kann. Als Geist kann er auch mit seinem Cherokeebogen seine Feinde niederstrecken, die es aber aus irgendeinem Grund schaffen, auf Geister zurück zu schießen und ihnen damit weh zu tun.
Originell gilt in Fachkreisen offensichtlich auch die gnadenlose Geradlinigkeit des Spiels. Es gibt keine Möglichkeit eines alternativen Lösungsweges – es gibt nicht einmal zwei Wege zu einem Ziel. Man läuft eigentlich nur in Gängen herum und tötet Monster. Aus irgendeinem Grund sorgen die seltsamen Alienkreaturen nach kurzer Zeit auch nicht mehr für besondere Schockmomente, da es einfach derart viel widerliche Szenen gibt, dass sie einfach zu schnell zur Gewohnheit werden.
Die Grafik ist zwar sehr gut, aber besonders revolutionär ist dann auch wieder etwas anderes. Prey arbeitet mit einer etwas umgebauten Doom 3-Engine und das sieht man dem Spiel auch an. Man merkt auch, dass diese Technologie offensichtlich nicht besonders viel mit größeren Arealen anfangen kann, denn diese gibt es in Prey nur selten.Wenn, dann sind sie aber meistens relativ stark eingegrenzt. Man kommt innerhalb des Raumschiffes oft zu unglaublichen Orten, die allen Gesetzen der Physik widersprechen und mächtig optischen Eindruck machen. Trotzdem fehlt das Gefühl von Freiheit, wie es zum Beispiel Far Cry oder teilweise auch Unreal 2 bieten konnten, komplett. Die tollen Lichteffekte und der ständigen Eindruck, in einem lebenden Organismus herumzulaufen sind gut gelungen
Prey ist ein cooler Shooter. Für maximal zehn Stunden – Shooterveteranen könnten es sogar schon in fünf schaffen. Dann ist der Spaß vorüber und man fragt sich, ob das wirklich mehr als vierzig Euro wert war. Die Story ist nicht überragend und die Gravitationstricks und die de-facto-Unsterblichkeit des Spielers sind eigentlich alle Neuerungen, die Prey mitbringt. Ist mir irgendwie zu wenig. Deswegen ist Far Cry für mich noch immer der beste Shooter der letzten Jahre. Tolle Atmosphäre, stimmige Grafik, alternative Lösungswege und das Gefühl von Freiheit. Das hat man in den Engen Gängen des Alienschiffs niemals, denn das Schiff ist zwar groß, die Gänge sind es aber nicht. Interessierte sollten auf jeden Fall vorher die Demo anspielen und auch noch berücksichtigen, dass die Demo eigentlich fast alle wirklich tollen Spielparts beinhaltet.