The Elder Scrolls: Skyrim – Reden wir über das Eine

NPCs in Skyrim: Tu was die Entwickler vorgesehen haben

Im Moment kann man mich ziemlich vergessen. Ich haue mir meine Nächte in Skyrim um die Ohren. Es gibt so viel Schönes über The Elder Scrolls V zu sagen, dass man damit viele Schriftrollen füllen könnte. Einen gebührenden Rezensionsbeitrag schreibt demnächst Georg. Ich will anhand dieses herausragenden Spiels hier nur über das Eine reden.

Es geht nicht um Sex

Bevor zu viele schmutzige Gedanken aufkommen: Ich spreche von den Charakteren, die man nicht spielen kann – den NPCs. Eigentlich hat Bethesda sich da Lob verdient. Abgesehen von den Stadtwachen sieht keiner aus wieder andere (und selbst die sind immerhin männlich und weiblich). Viele von ihnen haben nette Geschichten zu erzählen. Sie gehen tags ihrem Tagewerk nach, hängen abends in Tavernen herum. Kinder spielen mit mir verstecken, Sandler bitten mich um Alkohol. Am Marktplatz kann ich den Figuren beim Einkaufen zusehen und -hören, im Bett kann ich sie beim Schlafen beklauen (natürlich pennen sie mit den Klamotten und selbst in der Hütte an der kältesten Passroute ohne zugedeckt zu sein). Sie geben mir Aufträge und die Entwickler haben sich viele kleine Geschichten rund um sie ausgedacht.

Eigentlich steht Skyrim also recht gut da. Worüber will ich hier dann eigentlich reden? Darüber, dass all diese Dinge – wenn auch weniger ausgetüftelt – schon seit Ewigkeiten gleich rudimentär und eigentlich selbst bei der größten Mühe und Detailliebe unglaubwürdig funktionieren. In Ultima IX (1999) funktionierte das nach diesen Mustern so, in Gothic (2001) nicht viel anders. Alles hat sich an Spielen verbessert und verändert. Nur die Figuren sind in einer Beziehung noch genau so stupide, wie in alten Textadventures: In ihrer Beziehung zu mir.

Script vs. Dynamik

Erfülle ich einen Auftrag für sie, mögen sie mich. Erfülle ich einen gegen sie, mögen sie mich weniger. Erwischen sie mich beim Klauen, sind sie grantig. Klaue ich etwas für sie, sind sie begeistert. Wenn ich an ihnen vorbei spaziere, erkennen sie mich und werfen mir recht unsinnige Floskeln zu. Die Optionen werden von Blockbuster zu Blockbuster mal mehr und mal weniger, ohne sich jedoch grundlegend zu verändern. Denn all das ist gescriptet und starr. Scripts, also genau diese vorgegebenen Ereignisse mit einem erdachten Verlauf, haben im Storytelling natürlich ihre Berechtigung. Sie ermöglichen präzise Dramaturgie und Inszenierung. Für die Erzählung der Geschichte führt zumindest auf absehbare Zeit kein Weg um sie herum.

Doch gerade Rollenspiele leben von der Interaktion des Spielers mit der Umwelt – und es ist unmöglich für Entwickler alle Dinge vorauszusehen, die dem Spieler einfallen. Manchmal sind ja selbst jene Elemente seltsam, die durchaus angedacht sind. Eine Person in Skyrim gab mir einen Brief, der die Beziehung zweier anderer zerstören sollte. Stattdessen verpfiff ich ihn. Er müsste mich verprügeln oder mich bei Figuren anschwärzen, die ihn mögen. Aber was tat er, als ich beim nächsten Mal neugierig an ihn herantrat? Gegrüßt hat er mich, das Weichei! Und seine Mutter fand auch, ich sollte ihn mal kennenlernen. An einem anderen Ort versucht ein Kerl seine Chefin zu hintergehen, und ich kann es ihr noch nicht einmal sagen. Der Sidekick der in zig Spielstunden über Berge, Straßen und Wiesen, durch Schnee, Regen und wilde Kämpfe in Dungeons hinter mir herläuft, spricht in all der Zeit kein persönliches Wort mit mir (da hat man nichts von Star Wars: KotOR (2005) oder Baldur’s Gate (1998) gelernt).

Gelüste

An manchen Stellen möchte man aber einen doofen Typen einfach provozieren und beschimpfen, eine holde Maid bezirzen, oder sich so sehr mit einem Charakter anfreunden, dass sich einem anschließt. Die Entwickler haben fast mit Garantie nicht in der richtigen Situation an diese Aktionen gedacht, drängen es mir an anderer Stelle aber geradezu auf. Spiele lassen uns derartiges nur an vorgegebenen Stellen tun. Ich kann die Beziehungen eines Dorfes nicht nach Belieben durcheinanderbringen oder flicken, Leute verärgern oder mir ihre Herzen zufliegen lassen.

Es war nur ein kleines Detail einst in Outcast (1999), an das ich mich gerade in einem losen Zusammenhang dazu erinnere. Man konnte in einer Stadt jeden x-beliebigen Bewohner ansprechen, um zu fragen, wo denn ein bestimmter zu finden sei. Der NPC drehte sich daraufhin in die entsprechende Richtung und zeigte mit dem Finger den Weg. (Wenn ich mich richtig erinnere, konnten die Figuren deshalb auch durch die Stadt spazieren – man fand sie trotzdem.) Das war cool. Diese minimalistische Geste half, sich näher dran an einer richtigen Welt zu fühlen, weil es dynamisch reagierte und nicht alles wie ein gemachtes Bett wirke. Wenn schon solch ein Detail (das ich hinterher nicht mehr allzu oft umgesetzt gesehen habe) für eine höhere „Immersion“ sorgt – man stelle sich vor, wie es wäre, wenn jede Figur eigenständig und an unsere Spielweise angepasst agieren würde.

Beziehungsengine

Natürlich ist das punktuell schwierig. Klarerweise muss sich ein solches System wie Grafikengines über einen längeren Zeitraum entwickeln. Man wird storyentscheidende NPCs vielleicht immer scripten und ihre Charasteristika vorgeben müssen. Da spricht auch nichts dagegen. Aber für die Tiefe der Spielwelt in einem Rollenspiel könnte eine solche dynamische „Beziehungsengine“, ein integriertes Sims-Feeling, der nächste große Evolutionsschritt sein. Ein Modell, das jedem Charakter in der Spielwelt eine Persönlichkeit verleiht, in Beziehung zu anderen setzt und danach handeln lässt.

Im Umgang mit diesen Charakteren müssten wir es erst einschätzen und es anhand seiner Beziehungen behandeln. Kann man die hübsche Barfrau mit Romantik verzaubern oder mit einem fescheren Outfit? Ist der große Typ mit der Axt eher aufbrausend oder eigentlich ein schüchternes Kerlchen? Hat er außerdem ein paar starke Freunde? Findet mich eine eingeschworene Dorfgemeinschaft gar so unerträglich, dass sich beim nächsten Besuch ein Schlägertrupp gegen mich bildet? Wenn man nur ein paar einfache Parameter in unterschiedlicher Ausprägung ermöglicht, lässt sich per Zufall eine Menge unterschiedlicher Charaktere erzeugen und dadurch eine Menge von passenden Aktionen auslösen, die bei jedem Durchspielen eine anders belebte Welt erzeugt.

In unseren Spielen fallen Steine gemäß den Naturgesetzen, spiegeln sich mathematisch berechnet im Wind wogende Bäume auf wild rauschenden Bächen, folgen Klänge physikalisch korrekten Gegebenheiten, verfolgen Gegner taktisch angepasste Strategien. Wenn man in Skyrim auf einen Hügel reitet, sieht man so weit das Auge reicht eine in Echtzeit berechnete Welt, die etwa so gut aussieht wie vor 10 Jahren viel umjubelte Animationsfilme. Die Persönlichkeiten die in dieser Welt leben haben in den letzten Jahrzehnten nicht einmal dauerhaft gelernt in eine Richtung zu zeigen oder sich anständig beschimpfen zu lassen. Sie sind immer noch dumm wie Brot. Es wäre an der Zeit, das zu ändern.

Cool? Dann erzähl doch anderen davon! Danke! :)