Was ich an Dying Light am meisten mag? Den schieren Fakt, dass ich einen plötzlichen Tod sterben kann, wenn ich einen Sprung falsch einschätze. Das klingt wie eine sehr einfache und beliebige Sache, aber es ist ein geradezu anachronistisches Gameplay-Element. Es widersteht dem lästigen Trend der totalen Simplifizierung, dessen radikale Gegenbewegung unschaffbar frustrierende Spiele wie Dark Souls darstellen.
Ich habe bei anderen Spielen kürzlich bemerkt, wie sehr die Übervereinfachung mich stört. Auf der Game City in Wien probierte ich The Order: 1886 aus, es spielte sich wie ein Film, der zwischendurch von dir verlangt, einen Knopf zu drücken um eine vorgegebene Sequenz auszulösen. Solche „Video“-„Spiele“, in denen man in einer Reihe von gefilmten Szenen kleinere Entscheidungen traf, gab es vor 20 Jahren in technisch limitierten Zeiten tatsächlich. Sie scheinen jetzt aus irgendeinem Grund langsam wieder zu kommen, den ich nicht verstehe.
Der Trend muss sich nicht immer ganz so drastisch auswirken, wie bei The Order. Subtilere Varianten sind möglich: Etwa in einem Gameplay-Video zu Firewatch (einem kommenden Exploration-Adventure von Campo Santo, das btw. extrem interessant aussieht und hier sicher noch zum Thema wird) lief der Spieler durch eine ganz wunderbare Wildnis. Doch immer wenn es etwas zu tun gab, lassen die Entwickler ein kleines Quicktime-Event ablaufen. „Drücke B um über diesen Spalt zu springen“, „Drücke X um auf diesen Fels zu klettern“. Es will mir nicht in den Kopf, warum Mechanismen, die vor 30 Jahren in jedem 2D-Jump & Run möglich waren, heute offenbar für zu kompliziert gehalten werden.
Gerade bei einem Actionspiel ist es absurd, die „Aktion“ aus dem Spiel zu verbannen – und sei es eben nur in steten kleinen Schritten. Nehmen wir als weiteres Beispiel ein anderes Freerunning-Game, um langsam wieder zu Dying Light zurückzukommen: In Assassin’s Creed springen wir von einem Hausdach zum nächsten, treffen dabei punktgenau jeden Mini-Vorsprung und müssen bei alldem im Wesentlichen nicht mehr tun, als einen Knopf zu halten. Die Hüpferei soll gut aussehen. Sie sieht auch gut aus. Aber sie ist in ihrem innersten Wesen langweilig: Wie furchterregend sind Schluchten auf Dauer, wenn der Spieler merkt, dass er kaum mal in sie hinabstürzen kann?
Die Action – das Laufen, Springen, Kämpfen – sollte gerade bei einem Actiongame schon irgendwie noch Teil des Spiels und der Herausforderung sein, keine bloße Staffage. Man soll mir Tools zur Problemlösung geben, nicht die Lösungen vorkauen. Selbst die linearsten aller Spiele können den Spielern das Gefühl vermitteln, dass sie es sind, die agieren – wenn sie 1. gut gemacht sind und ihnen 2. tatsächlich noch genug zu tun lassen.
Dying Light tut das. Es war alles in allem ein bisschen zu einfach und in anderen Bereichen der Übervereinfachung schuldig (z.B.: statt die Welt durchsuchen zu müssen, werden in der Nähe liegende Gegenstände per Knopfdruck markiert) – aber dafür wurde ein „Hard“-Schwierigkeitsgrad nachgepatcht. Vor allem aber lässt es mich zumindest laufen, klettern und springen, wohin ich will. Verschätze ich mich, stürze ich eben ab. Ist der Sturz zu tief, folgt der Tod.
Dabei könnten die Konsequenz des Versagens drastischer sein. Es folgt ein Respawn, man verliert ein paar „Survivor Points“, muss höchstens Passagen einer Mission nochmal spielen. Das birgt noch Potential, die Stakes zu erhöhen. Aber immerhin gibt Dying Light mir das Gefühl, dass es von mir abhängt, ob ich einer Horde hungriger Zombies entkomme (oder nicht). Deshalb beobachte ich die Stadt etwas genauer und merke mir gewisse Passagen besser, bevor ich den Parkour-Superhero in mir rauslasse. Denn auf der Flucht fehlt die Zeit, sich alles genau anzusehen. Wer dann die Gegend nicht kennt, springt ins Ungewisse – und stürzt womöglich ab.
Wunderbar!
Dying Light erschien vor einigen Wochen für PS4, Xbox One und PC. Wenn ihr Fragen dazu habt, beantworten wir die gerne in den Kommentaren