Am Sonntag spielen zwei Top-Teams gegeneinander: Schalke 04 und Paris Saint-Germain. Nein, ihr seid nicht versehentlich auf Ballverliebt gelandet. Die Kult-Teams aus Deutschland und Frankreich sind beide in den eSports-Bereich eingestiegen – und kämpfen in der Challenger-Liga um den Einzug in die höchste Spielklasse.
Es könnte das entscheidende Duell der Challenger-Liga sein: Die beiden Fußball-Klubs PSG und Schalke 04 sind in der zweiten Liga die eindeutigen Favoriten für den Aufstieg. Das erste Duell der beiden Franchise-Clubs zieht auch Interesse von „herkömmlichen“ Sport-Fans auf sich. Zeit also für eine kleine Einführung zu den Teams.
Neueinsteiger, die sich mit eSports und League of Legends noch nicht so gut auskennen, sollten sich unseren Podcast genau dazu anhören.
Schalke 04 vs. Paris SG seht ihr am 12.2. um 19:00 live hier
Paris Saint-Germain
Für ein Team der Challenger-Liga hat PSG einen extremen Hype. Das liegt nicht nur daran, dass sich ein weiterer reicher und erfolgreicher Fußballklub ein League of Legends-Team gönnt, sondern weil das Roster (der Kader – im eSports-Bereich kennt man kein Deutsch) sehr vielversprechend aussieht.
Denn die Pariser haben das, was die meisten erfolgreichen Teams haben: Koreaner. Denn Koreaner sind in League of Legends das, was Brasilianer im Fußball sind. Nur noch viel dominanter. Zum Verdeutlichen: Nur drei von zehn LCS-Teams in Europa spielen ohne Koreaner, vier Teams haben gleich zwei importiert und schöpfen damit das Maximum aus.
Die Import-Slots bei PSG füllen Mid Laner Blanc und AD Carry Pilot – beides englisch ausgesprochen, natürlich. Beide spielten zuvor für die Jin Air Green Wings, ein Team der höchsten koreanischen Spielklasse. Das Team gehörte zu den schlechteren, allerdings ist das für Europäer nie besonders schlimm. Es haben auch schon koreanische Talente ohne Profi-Erfahrung gereicht, um Europa aufzumischen – als bestes Beispiel gilt Huni, der 2015 mit Fnatic auf Anhieb ins Semifinale der Weltmeisterschaft einzog und heute beim weltbesten Club SKT spielt. Angesichts solcher Erfolgsgeschichten mag man übersehen, dass Blanc für die Wings kaum spielen durfte.
Top Laner Steve und Support Sprattel kommen mit schlechten Erfahrungen mit Schalke – mehr dazu später – zu PSG. Steve gilt als Fanliebling, in guten Spielen schreien ihm die Mengen in lauter, sehr proletenhafter Aussprache „STEEEEVE!“ zu. Das passiert manchmal auch, wenn Steve und sein Team gar nicht spielen, aber Fans in der Menge auf sich aufmerksam machen wollen. Er gilt als solider Top Laner, der die meisten Match-Ups spielen kann. Für die Challenger-Liga sollte es reichen, im recht talentierten Top Laner-Pool der LCS reichte es aber nicht.
Ähnliches gilt für Sprattel. Berühmt ist er für seine guten Spiele mit dem Champion Alistar – die Kommentatoren sagen oft, Sprattel auf Alistar sei ein anderer Spieler als der „normale“ Sprattel. Den Rest der Zeit aber ist auch er so wie Steve einzuschätzen – nicht schlecht, wenige Fehler, aber angesichts der starken Konkurrenz nur Durchschnitt in der ersten Liga. Spannend wird, wie er sich gegen seinen Ex-Club schlagen wird – deren Support ist nämlich wesentlich bekannter.
Als Letztes noch zu Jungler Kirei: Dieser konnte bereits bei diversen Teams Profi-Erfahrung sammeln. In der nordamerikanischen LCS spielte er in einer eher schlechten Saison für Team Dignitas. In seiner Amtszeit wurde auch das Meme geboren, dass Dignitas nicht um das Objective Baron Nashor spielen kann – das hält sich bis heute und ist auch die Schuld des Junglers. Aber Fehler passieren. Generell ist Kirei kein schlechter Jungler, auch, wenn er sich auf der ganz großen Bühne noch nicht beweisen konnte. Mit dem türkischen Klub Dark Passage ging es ihm schon besser, und mit PSG will er nun beweisen, dass er es auch in die höchste Spielklasse schaffen kann.
Insgesamt wird von PSG viel erwartet, da alle Spieler sehr erfahren sind und das für die Challenger-Liga etwas ungewöhnlich ist. Viele Zweitliga-Klubs rekrutieren sich aus Spielern von „regionalen“ Teams, die nur semi-professionell spielen und erst auf sich aufmerksam machen müssen. Insofern sind die Fußball-Klubs mit ihren großen Budgets natürlich Favoriten – und erst recht PSG mit den beiden Koreanern.
Schalke 04
Das Gegenteil ist bei Schalke 04 der Fall. Schon letzte Saison kamen die „Königsblauen“ in die höchste Liga, die LCS, und kauften das Team Elements auf. Elements war im Frühling 2016 noch auf dem siebten Platz gelandet – also weder in den Playoffs, noch in der Relegation. Damals bestand das Team aus dem jetzigen PSG-Top Laner Steve, Jungler Gilius, Mid Laner Eika, AD Carry MrRallez und PSG-Support Sprattel. Von diesem Line-Up ist niemand mehr übrig.
Nach einem blamablen Abgang nach nur einem Split aus der LCS – und das, obwohl Schalke sicher nicht das am schlechtesten spielende Team war (das war nämlich ROCCAT) – probieren sie’s mit neuer Aufstellung. Im Vergleich zu PSG liest sich das Roster ein bisschen wie ein Klub der zweiten Reihe. Jeder der Spieler hatte bereits LCS-Erfahrung, aber sie wurden allesamt ersetzt:
- Top Laner SmittyJ spielte letzte Saison beim spanischen Klub Giants Gaming, wo er im Sommer mit Star-Mid Laner Night sogar überzeugen konnte. Er selbst gilt nicht als großer Carry oder Starspieler, aber gilt ähnlich wie Steve von PSG als „solide“. Diese Saison wurde er durch Flaxxish ersetzt.
- Jungler Loulex spielte früher bei H2k-Gaming und durfte letzte Saison ein paar Spiele für die Unicorns of Love antreten. Obwohl er Fans hat und zweifelsohne in der Vergangenheit mit H2K aufzeigen konnte, ist die Meinung über ihn gespalten. Auf Reddit gibt es einen Troll namens loulexplzretire, der in jedem nur ansatzweise Loulex-bezogenen Thread argumentiert, dass dieser eine Katastrophe sei. Viele hoffen alleine schon deswegen, dass Loulex jetzt wieder zur alten Form zurückfindet.
- Mid Laner Selfie gehört zu den Stars des Teams. Im Sommer 2015 konnte er dank des Visa-Problems von Mid Laner Ryu für H2k-Gaming spielen und schlug ein wie eine Bombe. Viele wünschten sich statt des Star-Koreaners sogar Selfie als Starter. Letzte Saison war er maßgeblich am Aufstieg der Misfits in die LCS beteiligt – und wurde danach von PowerOfEvil ersetzt. Viele Fans fanden das ungerechtfertigt, da POE in seiner letzten Saison nicht stark spielte – jetzt allerdings läuft es ja bei Misfits. Selfie will erneut aufsteigen und dort gegen seinen alten Klub antreten.
- AD Carry Upset sollte eigentlich für Giants Gaming spielen, bevor er sich kurz vor der Saison doch für Paris Saint-Germain entschied. Das Meme war natürlich leicht: „You sign a player called Upset and wonder?“ Bei den Intel Extreme Masters bekam man ihn bereits zu sehen. Dort spielte er mit Giants streckenweise sehr gut, aber konnte nicht in die nächste Runde einziehen. Das mag allerdings auch der starken Konkurrenz geschuldet sein.
- Support VandeR hat eine besonders tragische Geschichte. Als bester Freund von Jankos – beide sind Polen und spielten seit langer Zeit zusammen – ging er mit ihm zu H2k-Gaming, schaffte es mit ihnen bis zum WM-Semifinale. Obwohl er neben dem verhassten, weil arroganten Spieler Forg1ven spielen musste – was VandeR gar nicht gefiel – performte er die meiste Zeit gut und war einer der stärkeren Supports der LCS. Diese Saison wurde die H2K-Bot Lane allerdings ausgetauscht – gegen zwei Koreaner. Jankos kündigte an, nach seiner Zeit bei H2K einiges an Geschichten zu haben und das Team zu verlassen, wenn auf seinen Freund nicht wenigstens Koreaner folgen würden. Bis jetzt hat sich das für H2K gelohnt – und für PSG ist VandeR sicher kein schlechter Pick.
Ausblick
Die Unterschiede zwischen PSG und S04 sind klar. Auf der einen Seite ein Team, das direkt beim Start in die LCS eine Bruchlandung hingelegt hat und abgestiegen ist, um sich jetzt mit den ewigen Zweiten wieder hochzuspielen. Auf der anderen Seite ein Top-Team, das sich ein durchwegs ziemlich geschätztes Team mit viel Potential leisten kann. PSG gewinnt das Hype-Duell, Schalke 04 hätte aber eindeutig die bessere Storyline für den Aufstieg.
Dass das klappt, ist allerdings nicht sicher. Denn auch, wenn es nur die zweite Spielklasse ist – die Konkurrenz ist ziemlich stark. Nicht nur die beiden Fußballklubs, sondern auch die Schwesterteams der LCS-Teams Fnatic und Misfits – Fnatic Academy und Misfits Academy – haben einiges an Talent dabei. Das Fnatic-Ausbildungsteam hat zum Beispiel mit MrRallez den Ex-AD Carry von Schalke und mit Kikis jemanden mit LCS-Erfahrung. Die Misfits-Academy hat Lamabear, der letzte Saison für den Aufstieg in die LCS mitverantwortlich war. Auch, wenn PSG und Schalke im Vorteil sind – das ist keine „g’mahte Wiesen“.
Aufsteigen können übrigens beide! Da die europäische LCS dieses Jahr in Gruppen organisiert ist, spielen die beiden Gruppenletzten gegen die beiden Besten der Challenger-Liga. Es ist gut möglich, dass es sich dabei um PSG und Schalke 04 handelt. Angesichts der schlechten Performances von ROCCAT und Origen ist der Aufstieg dabei nach momentanem Stand eigentlich nur Formsache. Eigentlich.
Auf dem Weg dahin jedenfalls müssen die beiden Giganten sich erstmal gegenseitig besiegen – das heutige Duell könnte durchaus entscheidend sein. Wir sind jedenfalls gespannt und unser Tipp ist ein etwas riskantes 1:0 für Schalke.