Liebe Leser, nun spielen wir ein kleines Ratespiel. Nach über fünf Jahren hängt es über 11 Millionen Spielern immer noch nicht zum Halse raus, es macht süchtig, krank und glücklich zugleich und soll demnächst in Deutschland eine Altersbegrenzung von 18 Jahren erhalten. Na klar, die Rede ist von World of Warcraft!
Innerhalb dieser fünf Jahre hat die Spieleindustrie in meinen Augen auf dem Sektor der MMORPGs versagt. Kein anderes Online-Rollenspiel kann auch nur annähernd an den kommerziellen Erfolg des Genreprimus anknüpfen. Mehrere ambitionierte Projekte wurden schon nach kurzer Laufzeit eingestampft (Auto Assault) oder sind auf stark absteigendem Ast (Age of Conan).
Nur wenige Titel schaffen es friedlich neben dem „mighty title“ von Blizzard zu existieren und trotzdem schwarze Zahlen zu schreiben. Dazu gehört beispielsweise Guild Wars, was mit einem, für damalige Verhältnisse, neuartigem Gebührensystem aufwartete.
Es sollte sich nicht durch monatliche Zahlung, sondern allein durch den Verkauf des Hauptspiels und der mittlerweile drei Add-Ons finanzieren. Das hat funktioniert und nun gibt es seit geraumer Zeit mehrere MMORPG´s, die auf das Free-2-play Konzept setzen. Diese Spiele können in der Regel gänzlich kostenfrei gespielt werden – Monatliche Gebühren und Kaufpreis fallen nicht an. Dafür möchte man den Spieler für virtuelle Items, wie zusätzliche Reittiere oder Taschen, zur Kasse bitten.
Der Berliner Publisher und Entwickler Frogster möchte sich nun dieses Konzept zu Nutze machen und mit dem hauseigenen Online-Rollenspiel Runes of Magic Spieler mit kleinem Geldbeutel ansprechen. Witzig dabei: Mit der Entwicklung ist ein taiwanesischer Spieleentwickler beauftragt, der besonderen Wert auf westliche Rollenspielkultur legen soll.
Nach knapp dreimonatiger Betaphase ist nun jeder Interessent herzlich eingeladen, in die Spielwelt von Taborea zu schlüpfen, schließlich kostet der ganze Spaß Anfangs nichts. Wir laden uns also den Client herunter und erstellen einen Charakter. Eine Besonderheit des Spiels fällt wird uns etwas später auffallen: Wir dürfen uns anfangs für eine Klasse entscheiden, ab Spielstufe 10 kommt aber noch eine zweite dazu. Runes of Magic setzt nämlich auf ein Klassenkombinationssystem, dazu später mehr.
Als alter Haudegen entscheiden wir uns für den Ritter, der die einzige Tankklasse im Spiel ist (Prädestiniert dazu, viel Schaden einstecken zu können). Was ich nun in den bisherigen 20 Stunden Spielzeit gesehen habe, war im Großen und Ganzen recht positiv.
Wir starten in einem idyllischen, grünen Tal mit kleinen Dörfern und den ersten Dungeons. Davon gibt es in Runes of Magic, ähnlich wie bei World of Warcraft, einige. Auch Schlachtzugsinstanzen, genannt Raids, sind im Spiel enthalten und belohnen die Spieler mit besonders wertvoller Ausrüstung. Schade ist, dass die erste Instanz für Spieler ab Level 20 konzipiert ist. Bis dahin vertreiben wir uns die Zeit also wie? Na klar, mit Quests und Berufen.
Die drei Sammelberufe Holzhacken, Kräutersammeln und Bergbau können zugleich ausgeübt werden. Dazu kommen noch zwei weiterverarbeitende Professionen. Sehr praktisch ist, dass die Resorts der Sammelberufe auf der Minimap angezeigt werden. So kann ich gezielt von einem Baumstamm zum Nächsten stolzieren und habe meine Sammlerfertigkeit in null komma nix auf hoher Stufe.
Mit den Quests sieht es leider nicht ganz so rosig aus. Zum Einen sind viele Questtexte immer noch auf Englisch und zum Anderen finden wir leider viele recht unmotivierende Aufträge á la: „ Sammle 10 Wolfspelze oder überbringe diesen Brief ins nächste Dorf“ vor. Hinzu kommt, dass wir immer nur eine unserer Klasse hochleveln dürfen. Wenn wir unsere Klasse wechseln möchten, müssen wir das bei speziellen NPC´s tun. So kommt es häufig vor, dass man mit seiner Primärklasse alle Quests in einer Region abgegrast hat, die zweite Klasse aber auch noch verbessern möchte. In diesem Falle blieb mir leider recht oft nur das stupide „grinden“. Schade ist auch, dass sich über weite Teile des Spiels gespenstische Stille gelegt hat. Nur sporadisch wird die immer gleiche Hintergrundmusik eingespielt, außerdem sind viele Aktionen wie Holzhacken oder Emotes noch ohne jeweilige Sounds ausgestattet.
Die erste und einzige Instanz, die ich mitbekommen habe, hat mir übrigens gut gefallen. Mit 5 Mitstreitern durfte ich „Die Mühle“ betreten und habe mich bis zum anspruchsvollen Endboss durchgekämpft. Am Ende sind dabei sogar ein paar wertvolle Handschuhe für mich herumgekommen.
Nach über 20 Spielstufen fragte ich mich bald, wozu ich denn nun die käuflichen Items überhaupt gebrauchen könne? Denn bislang war ich auch sehr gut ohne einen Cent auszugeben zurechtgekommen. Je länger das Spiel allerdings andauert, desto verlockender ist die Versuchung, sich für ein paar Euros ein Reittier, zusätzliche Taschen oder Erfahrungsboosts zu kaufen.De facto kann man Runes of Magic zwar völlig kostenfrei spielen, um aber ganz oben in Gilden, Raids und Instanzen mitmischen zu können, wird man nicht umhin kommen, seine Brieftasche um den einen oder anderen Taler zu erleichtern.
Insgesamt finde ich es sehr beachtlich, was Frogster hier auf die Beine gestellt hat. Hier wird motivierende Rollenspielkost mit Berufen, Quests, Dungeons und Zweiklassensystem geboten, die sich ein wenig wie der Mix aus World of Warcraft und Guild Wars spielt. Zwar gibt es an Quests und Geräuschkulisse sicherlich noch einiges zu verbessern, aber einem (fast) geschenkten Gaul schaut man schließlich nicht ins Maul. Wenn sich das Spiel durch die Itemeinnahmen refinanzieren- und langfristig auf dem Markt etablieren kann, sehe ich Free-to-play, richtig eingesetzt, als das Gebührensystem der Zukunft.