Es ist schon ein bisschen cool, wie die Ankündigung von OnLive in der Branche aufgenommen wurde. Kurz waren alle ein bisschen geil darauf. Aber dann ging es schon bald los mit dem Kaputtgerede. Das könne unmöglich gehen. Schließlich könne man da ja nicht hundertprozentig lagfrei spielen. Sogar physikalisch unmöglich sei es, habe ich gehört. Wie könne man so schon ernsthaft und professionell Online-Shooter zocken? Ab und zu würde bei ersten Tests im Bild ja auch noch eine kleine Störung zu sehen sein. Und manche haben sogar noch einige gute Argumente.
Also das ist doch nicht schlecht. OnLive fand immerhin sieben Entwicklungsjahre hindurch Investoren, die es großzügig finanzierten (obwohl es risikoreich war und offensichtlich jeder Freizeit-Geek es nach zwölf etwas angestrengteren Nachdenk-Sekunden als sinnloses Unterfangen entblößen kann). Die wichtigsten Publisher sagten alle „Ok, wir machen da mit“. Direkt am Ort der Ankündigung konnte man (zumindest) ein halbes Jahr vor dem Start sehen, dass es im Großen und Ganzen bereits jetzt ganz gut läuft. (Und obwohl es natürlich nicht so schön aussieht wie auf einem Hightech-Superrechner, sieht es im Vergleich zu den Konfigurationen die ich mit meinem limitierten Aufrüst-Budget nutzen muss geradezu lässig aus.)
Und dennoch: Diele Experten bei Spielemagazinen und in deren Foren, erklären nach 15 Sekunden halbwegs angestrengtem Nachdenken, dass und wieso es nicht klappen kann (und wieso man es nicht auch gar nicht will).
Die IT- und Spielebranche ist eine der dynamischsten und innovativsten Branchen der Welt. Schon viele Menschen sind mit einem „Das kann nicht gehen“ in peinliche Fettnäpfchen getreten, die ihnen ewig nachhingen – und alles was man beim nächsten potentiell größeren Ding hört ist wieder „Geht nicht“.
Ich möchte wissen, wie viele jener, die OnLive jetzt (vielleicht zurecht aber grundlos) im Vorfeld wegzureden versuchen, auch bei der Wii meinten: „Das wird nichts. Das floppt. Das sieht nicht gut genug aus“. Die Foren und Magazine gingen nach einem kurzen „Wuh! Geil!“-Moment in solchen Kommentaren ja geradezu über.
Und jetzt stehen wir über Jahre später (bald in der Mitte des aktuellen Konsolenzykluses) da und es passierte natürlich genau das, was ich einst vorausgesagt hatte (ein kurzes „Ich habs ja gesagt“ sei mir bitte erlaubt. ;)): Die Wii ist die mit Abstand erfolgreichste Konsole dieser Generation. Und lustigerweise ist das einzige Problem mit ihr eines, das (inklusive mir) fast niemand so radikal vorausgesehen hat: Nintendo lässt die sogenannten Hardcoregamer nicht nur ein bisschen sondern völlig links liegen.
Oder um ein Beispiel näher am aktuellen Thema zu nehmen: Wie viele von den Skeptikern haben wohl behauptet, Steam würde sich nie durchsetzen?
Möglich, dass OnLive floppt. Es gibt ein paar Gründe, warum um es so sein könnte. Bis sowas einmal im großen Stil aktuelle Vertriebswege ersetzt, wird es wegen den gegebenen technischen Limitationen auf jeden Fall noch einige Jahre dauern. Aber technische Limitationen sind auch oft schon viel schneller als gedacht niedergerissen worden. Möglicherweise funktioniert OnLive ganz einfach und wir haben wieder ein paar prominente Irrtümer mehr, über die wir in einigen Jahren lachen können.
Es gibt aber eigentlich keinen Grund, dem jetzt schon positiv oder negativ gegenüber zu stehen. Ende des Jahres und in den darauffolgenden 24 Monaten werden wir es ohnehin unausweichlich wissen. Diese oft gesehene, entmutigende Vernichtung von Dingen die niemandem weh tun, lange bevor man es wirklich beurteilen kann, verstehe ich ehrlich gesagt nicht ganz.
Andererseits könnte dann auch niemand jemand anderem ein hämisches „Ich hab es ja gesagt“ unter die Nase reiben. Wäre das nicht schade?