Lange Nächte waren es die ich vor dem Bildschirm verbracht habe als Lords of the Realm 2 veröffentlicht wurde. Einfach ein geniales Spiel mit vielen Neuerungen und für damalige Verhältnisse extremer Spieltiefe und Langzeitmotivation. Natürlich habe ich mich gefreut als ich erfahren habe, dass uns ein Nachfolger beehren wird und nachdem er veröffentlicht wurde musste ich ihn natürlich sofort anspielen.
Nostalgie hat für mich eine große Rolle gespielt und als ich sah, dass die Videos – wie schon im Prequel – nur kleine Fensterchen waren (bei 1280×1024), war ich eher überrascht als verärgert drüber. Es gibt schlimmeres, viel schlimmeres. Ein nettes Tutorial zeigt mir die taktischen Möglichkeiten der Armeeführung und auch wie man die schon aus Teil 2 bekannte strategische Ansicht zu steuern hat. Irgendwie so schien mir aber, dass das Tutorial nicht komplett ist. Hier fehlt doch einiges? Wo ist die Ressourcenverwaltung? Wie kann ich Armeen ausheben? Alles nicht so schwer wie man sich das so vorstellt. Im Spiel seht ihr eine schön animierte Landkarte, auf der ihr Übersicht über eure Ländereien und auch die des Feindes habt. Eure Ländereien sind in Parzellen unterteilt. Dort könnt ihr eure Vasallen einsetzen die immer gewisse Aufgaben und Fähigkeiten haben. Zur Verfügung stehen euch Priester, Ritter, Bürger und Leibeigene. Der Priester baut eine Kirche, der Ritter eine Burg, der Bürger eine Stadt und der Leibeigene einen Bauernhof auf der Parzelle wo er eingesetzt wurde. Der Rest geht dann von selbst. Macht euch keine Gedanken über Ressourcenmanagement oder das Anheuern von Soldaten, das geht alles voll automatisch.
Nun gut, nachdem es weder nennenswertes Ressourcen-, noch Armeemanagement gibt, wenden wir uns dem Kampfteil zu. Ihr habt also eine Armee (die vollautomatisch erstellt wurde, deren Verluste vollautomatisch ausgeglichen werden und die vollautomatisch mit Nahrung versorgt wird) und könnt damit ein wenig auf der Karte herumschlendern. Wenn eine andere Armee in eurer Gegend ist, dann schlendert ihr dort hin und eure Armee wird sich vollautomatisch mit der feindlichen Armee prügeln – außer ihr wollt den Kampfteil selber übernehmen. Dazu genügt ein Doppelklick auf die sich prügelnden Soldaten und ihr seid in einer 3D-Umgebung, die mit Texturen ausgestattet ist, die ca. den Anblick eines fünf Mal bei 90°C gewaschenen grünen T-Shirts haben. Dort dürft ihr eure Armee einheitenweise und in ein paar netten Formationen dem Feind entgegenschicken. Wie ungünstig kommt es da, dass sowohl die KI der eigenen Einheiten, als auch die des Computergegners, ca. dem eines mongoloiden Rentiers entspricht. Im Kampf verwickelt haut meistens nur die Hälfte zu und der Rest steht teilnahmslos daneben. Beim Stürmen von Burgmauern könnt ihr beobachten, wie sich eure Armee wie ein Ameisenhaufen zusammenschmeißt und alle gleichzeitig die Leiter hochklettern. Beeindruckend hierbei sind die bemerkenswert schlecht gemachten Animationen und der wunderbare Eigenwille der KI. Am besten lasst ihr das Eingreifen in den Kampf ganz bleiben und schaut auf der Strategieansicht den zwei Soldaten mit ihren schicken Bannern dabei zu, wie sie sich die Rübe einschlagen bis ihr gewinnt. Ihr schickt ein Rudel Landsknechte gegen die feindliche Kavallerie? Kein Problem, schaut einfach in der Strategieansicht ein wenig zu und sie werden die Kavallerie vernichten.
Der zweite Grund nicht in die Schlacht einzugreifen ist, dass nebenbei der Strategiepart in unverminderter Geschwindigkeit weiterläuft. Es kann euch also passieren, dass ihr, während ihr eine Schlacht leitet, in der Zwischenzeit drei Ländereien verliert weil ihr nicht da seid, während der Gegner eure Ländereien brandschatzt.
Grafik und Sound kann man nur mit Mittelmaß bewerten, mehr ist es leider nicht. Das Gameplay ist schwach, die Videosequenzen sind sinnlos und Story gibt es nicht wirklich. Das ganze Spiel ist ein etwas zu groß geratener Bildschirmschoner, der einzig wirklich interessante Part daran ist das Belagern von Burgen. Wie schade, dass es nichts geworden ist, wie unendlich Schade. Einen guten Aspekt habe ich aber doch noch gefunden. Wer den Castle Editor runterlädt, kann wenigstens im Multiplayer ein wenig Freude aufkommen lassen, indem er sich ein paar schöne Maps mit mächtigen Burgen bastelt um sich mit seinen Freunden in der Kunst der Belagerung zu messen. Das war’s aber auch schon.
Was haben die mit Lord of the Realm gemacht? Es ist zum heulen! Der zweite Teil hat mich wochenlang vor den Bildschirm gefesselt – ich gehe sogar so weit zu sagen, dass ich nur wegen Lords of the Realm II eine Brille gebraucht habe. Aber Teil 3 ist einfach nur eine riesengroße Enttäuschung und ich könnte mich stundenlang nur aufregen. Wenn alles automatisch geht, wozu dann noch mitspielen? Meistens muss man nur ein paar Armeen rumbewegen und ein paar gegnerische Burgen belagern, das war’s! Am besten ihr geht aus dem Spiel raus, das macht sowieso alles von selber. Eure Vasallen sind schon fleißig genug, da braucht ihr nichts mehr zu machen. Wenigstens wäre eine Videosequenz angebracht gewesen, in der euch eine Konkubine alle fünf Minuten eine Weintraube in den Mund schiebt, damit ihr wisst, was der Lord macht während seine Vasallen den Rest erledigen.
Dieses Spiel ist empfehlenswert für Personen die sich mit Minesweeper überfordert fühlen oder gerne vorm Rechner sitzen und nicht genau wissen warum. Es tut mir richtig leid, dass ich keinen positiven Aspekt finden kann, aber die Features gibt’s entweder wo anders besser, oder sie sind nicht vorhanden. Wer mittelalterliche Belagerungen gut findet sollte sich an Stronghold, Cossacks oder Age of Empires II versuchen, diese Titel sind in absolut jeder Hinsicht überlegen und allesamt billiger. Ich besorg mir jetzt DOSBOX und spiel wieder Teil 2. Der ist nämlich immer noch um Längen besser, obwohl er noch aus der PC-Steinzeit stammt.