Angela Prophet wollte sich eigentlich nur gemütlich das Hauptabendprogramm ansehen. Dazu hat sie sich in eine gruftige, aber nicht minder sexy wirkende enge Kluft geschmissen (logisch oder?), und auf ihrer Couch breit gemacht. Da klopft unverhofft das FBI an ihre Tür. Unsere gute Angie hat aber keinen Banküberfall verbockt, sie wird von der Staatspolizei zu Hilfe gerufen. Dumm daran ist folgendes: Im Hauptquartier angekommen, bleibt ihr leider nicht mehr genug Zeit um zu erfahren, was eigentlich los ist, denn wie aus dem Nichts spielen plötzlich alle Menschen verrückt und so gut wie jeder greift sie an. Was ist passiert? Was hat Angie überhaupt im Mittelpunkt dieser abgedrehten Geschichte verloren? Und wer steckt hinter dem Schlamassel? Fragen über Fragen, die ihr im Laufe der nicht ganz 15-stündigen Solokampagne beantwortet bekommt.
Etwa 30 Levels warten vor dem großen Finale auf euch, die allesamt vor originellen Ideen sprühen. Vor allem die zehn Traumwelten haben es uns angetan. Angie ist nämlich ohne es zu wissen ein Halbengel und kann deshalb in die Köpfe anderer Menschen schlüpfen. Dort bereist sie dann die kranken Fantasien der Leute, was sie unter anderem in einen Horror-Stummfilm, eine Comicwelt, in digitale Riesenlevels, groteske Kriegsschauplätze oder blut- und dreckverschmierte Wohnkomplexe bringt. Prinzipiell nicht schlecht gemacht sind auch die "normalen" Areale, die im Central Park, der Air Force One, dem FBI Hauptquartier oder auf einem Kriegsschiff angesiedelt sind. Leider zeigt sich die größte Schwäche von Psychotoxic nicht an der Originalität, auch nicht an der grafischen Umsetzung, sondern in der Ausnutzung der Levels. Vor allem in der Echtwelt lauern hinter jeder Ecke und an jedem noch so unmöglichen Ort Feinde.
Dadurch verkommt das an sich glaubwürdige Szenario fast zu einem Schießbuden-Shooter. Wenn man hinzufügt, dass die Gegnermassen dann auch noch ziemlich blöd agieren (nur selten springt einmal einer in Deckung oder duckt sich hinter Kisten weg, auf Distanzangriffe reagieren sie überhaupt nicht), ist dieses eigentlich perfekt.
In Sachen Waffen hat sich nuclearvision besser geschlagen. Neben obligatorischen Maschinengewehren, Pistolen und Flammenwerfern sind auch coole Items wie ein MG-Kuheuter (die der Killerkuh, dem wohl krassesten Gegner seit dem Papagei aus Monkey Island 1, gehört) oder explodierende Pitbull Terrier zu finden. Leider stimmt das Balancing nicht ganz, und so kann man sich (auch aufgrund der KI-Schwächen) vor allem in weitläufigen Levels mit dem Scharfschützengewhr so gut wie alles auf zwei Kilometer Entfernung vom Leib halten.
Was wäre aber ein Engel wie Angie ohne spezielle Kräfte? Wohl nicht viel mehr als ein in schwarz gekleideter, abgedrehter Gruftie. Darum haben die Entwickler der wohlproportionierten Lady einige Spezialfähigkeiten verliehen.
Nach dem Aufsammeln spezieller Symbole kann Angie die modische Bullet Time aktivieren, ein undurchdringbares Schutzschild um sich erzeugen, unsichtbar werden und sich selbst heilen. Nur selten muss man diese Skills aber überlegt einsetzen. Meist scheinen sie wahllos und zu zahlreich auf den linearen Maps herumzuliegen.
Grafisch schwankt Psychotoxic zwischen durchschnittlichem und gewissen Momenten. Die Trinigy-Engine (kommt auch im toll wirkenden Desperados 2 zum Einsatz) kann sicher mehr, produziert aber trotzdem ansehnliche Bilder. Dem Abwechslungsreichtum musste die Detailverliebtheit wohl ein wenig zum Opfer fallen, und so präsentieren sich viele Texturen durch Verschwommenheit, und könnten die Maps sicher durch mehr Objekte und Polygone genauer ausgearbeitet werden. Auch hier rettet die Kreativität viel: Wenn Gegenstände in einem Traumlevel unter Beschuss an die Decke schweben und in der Air Force One-Map das ganze Flugzeug schwankt, kommt Freude auf.
Die Synchronstimmen sind in Ordnung, wenn auch keine Emotions-Wecker. Lediglich Angie selbst wirkt viel zu gleichgültig. Soundtechnisch befindet sich der Shooter im besseren Durchschnitt, die Musik ist wie immer Geschmackssache aber qualitativ sicher gut.
Herrgottsakra! Was für eine Potentialverschwendung, beim dreiköpfigen Affen! Psychotoxic hätte wirklich das Zeug zum Hit gehabt. Ein wenig grafisches Feintuning, und vor allem mehr Klasse statt Masse bei den Gegnerscharen, schon hätten wir uns ungebremst vergnügen können. So kann man über die Mankos leider nicht hinweg sehen, da hilft auch die geilste Textur aller Zeiten (Klick) nichts.
Eines sollte ich aber doch noch erwähnen: Die beiden anderen Topp-Shooter des Jahres 2004 (Doom 3, Far Cry) konnten mich nicht zum Durchspielen bewegen, Psychotoxic schon. Wer auf storytechnisch gute Arcade-Shooter steht darf dem Spiel schon eine Chance geben.