"<I>Wir waren Krieger. Wir kämpften für die Würde und die Freiheit unseres Volkes. Wir haben verloren…" – Mit diesen schicksalsschwangeren Worten geht der innovative Rollenspiel-Strategie-Mix aus dem Hause Phenomic in die zweite Runde, mit einem Intro, das leider nicht ganz an das preisgekrönte des ersten Teils herankommt. Wieder einmal sieht sich die Fantasy-Welt Eo einer finsteren Bedrohung ausgesetzt, die kaum mehr abwendbar scheint.
Wie ein typisches Rollenspiel beginnt Spellforce 2 mit der Erstellung des Avatars, wobei die Möglichkeiten leider auf die Auswahl aus einigen vorgefertigten Köpfen beschränkt sind. Anders als im Vorgänger, bei dem man als Runenkrieger in die Schlacht zog, schlüpft man dieses Mal in die Rolle eines Shaikan. Vor langer Zeit wagte es ein großer Alchemist die Götter herauszufordern; er scheiterte, und um seiner Strafe zu entgehen verband er sein Blut mit dem eines Drachens, woraufhin jeder seiner Erben einen Teil seiner Seele innehatte, was diesen zwar mächtige Fähigkeiten, aber auch einen äußerst schlechten Ruf einbringt. Der Spieler ist einer dieser Nachfahren und muss oft mit einer multiplen Perönlichkeitsstörung kämpfen.
Im – langatmigen, aber überspringbaren – Tutorial trifft man zum ersten Mal auf Schattenlied, die Tochter des größten aller Krieger, Craig Un’Shallach, der wohl allen SF Veteranen ein Begriff sein wird. Sie erzählt von der ankommenden Bedrohung die sich auch auf die Heimatwelt unseres Helden zubewegt.
Neben der Story wird man auch mit der Steuerung vertraut gemacht, bei der sich kaum etwas verändert hat: In der Rollenspiel-typischen Perspektive, bei der sich die Kamera knappt hinter dem Avatar befindet, erkundet man wie in einem Egoshooter mit WASD die Welt von Eo. Einen Klick mit der mittleren Maustaste später betrachtet man das Geschehen aus der Vogelperspektive, die zwar nicht so schön anzusehen, aber bei weitem übersichtlicher ist.
Egal welche Ansicht man bevorzugt, an dem so genannten Click’n’Fight System kommt man nicht vorbei. Anstatt eigene Einheiten auswählen zu müssen um ihnen Befehle erteilen zu können, kann man alternativ auch einen Gegner anklicken, woraufhin neben dein Einheitensymbolen alle Möglichkeiten wie Angreifen, Zaubersprüche wirken und so weiter eingeblendet werden, was in den Teils sehr hektischen Kämpfen äußerst praktisch ist, vor allem weil die Helden einiges an Micromanagement verlangen.
Ja, die Helden. Man ist in Spellforce 2 nie auf sich alleine gestellt, schon im Tutorial schließen sich zwei Begleiter dem Shaikan an und werden bis zum Ende nicht mehr von seiner Seite weichen. Eine gute Neuerung, waren sie doch im Vorgänger noch austauschbar. So tragen sie zur Atmosphäre bei, da man hin und wieder Zeuge lustiger Dialoge unter den Mitstreitern wird. An allen Ecken und Enden der Fantasywelt findet sich Ausrüstung aller Art, die sich frei verteilen lässt.
Auch die Charakterentwicklung ist nicht mehr nur auf den Avatar beschränkt, man kann nun die gesamte Heldentruppe nach eigenen Wünschen gestalten. Erfahrung sammelt man durch das Erledigen besonders starker Gegner oder das Lösen der unzähligen Haupt- und Nebenquests, die meistens sehr liebevoll gestaltet wurden. Wenn man genug gesammelt hat, steigt jeder Mitstreiter eine Stufe auf und bekommt einen Skillpunkt, der sich auf die zwei Skilltrees Kampf und Magie verteilen lässt – nicht ganz so komplex, aber auch nicht so verwirrend wie das System des Vorgängers; wem das aber noch immer zu viel ist, der kann die Punkte auch automatisch verteilen lassen.
So viel zum Rollenspielpart, der leicht 60% der Kampagne einnimmt; das andere Hauptaugenmerk des Spiels liegt auf dem Echtzeitstrategieteil. Dieser wurde deutlich vereinfacht.
Jeweils drei Rassen wurden zu einer Fraktion zusammengefasst, so kämpfen Elfen, Menschen und Zwerge gemeinsam für den Realm; Orks, Trolle und Barbaren finden sich auf der Seite der Clans und der Pakt besteht aus Dunkelelfen, Schatten und Gargoyles. Auf Einheitenupgrades wurde verzichtet – und leider auch auf wirkliche Unterschiede zwischen den Fraktionen: jede spielt sich sehr ähnlich. Eindrucksvoll sind die Titanen, die eine deutliche Aufwertung bekommen haben und es nun alleine mit einer kleinen Armee aufnehmen können. Die Widersacher setzen sich neben den spielbaren Fraktionen aus Untoten und Bestien zusammen; vereinzelt trifft man auch auf riesige Bossgegner. Die Schauplätze der fantasiereichen Quests bieten viel Abwechslung, da von Wüste über Schneelandschaft bis hin zu den finsteren Schmieden im Herzen des Bösen alles dabei ist.
Auch die Hauptstadt der Welt gilt es zu erkunden; Siebenbürgen pulsiert voller Leben, stundenlang kann man in der Stadt Quests erfüllen und Ausrüstungsgegenstände finden: da kommt Rollenspiel-Flair auf! Im Rahmen einer Quest ist es sogar möglich, eine eigene Insel als Lehen zu nehmen, und diese dann vom heruntergekommenen Dorf in eine blühende Stadt zu verwandeln. Das verlangt zwar viel Arbeit, aber die Mühe lohnt sich auf jeden Fall.
Doch die Atmosphäre wird nicht alleine von dem Abwechslungsreichtum der Welt und den Charakteren erzeugt, sondern vor allem von der wunderschönen Grafik. Gerade in der Rollenspielansicht bekommt man sie in ihrer ganzen Pracht zu sehen. Rüstungen glänzen in der Sonne, die dynamischen Tag- und Nachtwechsel erzeugen eine fantastische Stimmung, Gräser wiegen im Wind, das Wasser reflektiert realistisch die Umgebung und die Sichtweite ist enorm, sodass sich ganze Landschaften vor einem ausbreiten. Schöner sieht zur Zeit kein anderes Strategiespiel aus, was sich leider auch in einem großen Hardwarehunger bemerkbar macht, selbst auf HighEnd-Rechnern kommt es bei großen Schlachten manchmal zu Aussetzern.
Wirklich gut gelungen ist auch die Soundkulisse. Während sich die Einheiten nur selten zu Wort melden, ertönt der orchestrale Soundtrack mitreissend aus den Lautsprechern. Auch sind alle Dialoge voll vertont.
Neben der Kampagne gibt es noch einen Gefechtsmodus, in dem man ebenfalls mit einem neuen Avatar beginnt, jedoch mit dem Unterschied, dass sich die Aufträge fast ausschliesslich auf den Strategieteil konzentrieren und man nahezu auf jeder Map alle Gegner vernichten muss, was sich oft als schwierig herausstellt, da sicht meist ein Arbeiter irgendwo auf der Karte versteckt hält. Nicht selten musste ich mehr als zehn Minuten suchen, was dann leicht frustrierte.
Die nächste Besonderheit des Gefechtmodus ist, dass sich die Maps auch kooperativ per Internet mit anderen Spielern spielen lassen, was bis auf ein paar Verbindungsprobleme wirklich Laune macht. Ansonsten ist der Multiplayermodus durchschnittlich, zwei oder mehrere Spieler treten samt Helden gegeneinander an.
Als Spellforce-Fan der ersten Stunde war ich natürlich sehr gespannt auf die Fortsetzung des genialen Spiels. Der Ersteindruck war auch fantastisch, die sehr gut gelungene Grafik zieht einen sofort in den Bann. Mit der Zeit wird man dann auf die kleinen Mängel aufmerksam, auf die Dinge die man eher verschlechtert als verbessert hat, indem man ihnen die Komplexität genommen hat: Zum einen die Charakterentwicklung, mit der wirklich individuelle Helden nicht mehr möglich sind, zum anderen der gesamte Strategieteil – zu ähnlich spielen sich die Völker, zu monoton der Ablauf, schade, denn so hat sich Spellforce 2 – Shadow Wars selbst degradiert mit dem Versuch, massentauglicher zu werden. Trotzdem wurde ganze Arbeit geleistet, das Spiel konnte mich stundenlang unterhalten.