Lernspiele sind ja sooo spannend – besonders jene, bei denen das Lernen im Vordergrund steht und im Hintergrund überhaupt kein Sinn steckt. Bevor ihr euch jetzt einem anderen Thema zuwendet, sollten aber insbesondere phsyik- und wissenschaftsbegeisterte Wi-Sim Spieler weiterlesen. Mit Unternehmen Physik dem ersten Teil der Genius-Reihe setzt Cornelsen völlig neue Maßstäbe und beweist, dass Lernspiele nicht immer langweilig sein müssen …
Vorweg, die Angabe "für Genies von 12-99 Jahre" sollte man insbesondere als 12-Jähriger oder als gesetzlicher Vormund eines solchen sehr ernst nehmen. Ich selbst bezeichne mich nicht gerade als Niete in Physik oder Mathematik und hab‘ mit meinen 23 Lenzen bei manchen Aufgaben doch so einige Probleme gehabt bzw. kann mir nicht vorstellen, dass ein Durchschnittsschüler diesen Alters derartige Aufgaben lösen kann.
Egal, vielleicht bin ich wirklich nur zu dumm – bevor ich euch hier sinnlos langweile, komme ich lieber zur Sache: Genius ist wohl am ehesten mit Die Siedler oder besser mit Anno zu vergleichen. Ok, eigentlich haben diese Spiele mit Genius nicht wirklich viel gemein aber irgend einen gedanklichen Anhalt brauche ich einfach, um zu beginnen. Pinzipiell ist es also eine Wirtschaftssimulation, man beginnt etwa 1850 als Angestellter eines kleinen Fahrradfabrikanten und erledigt dessen Drecksarbeit (sprich Raubbau an der Natur und gnadenlose Expansion).
Damit man Fahrräder produzieren kann, braucht man zuerst Kohle – wofür auch immer, aber man braucht sie – diese wird von Arbeitern (welche in Arbeiterhäusern wohnen) abgebaut und von den selben Arbeitern zu Fahrrädern verarbeitet. Das Endprodukt wird letztendlich verkauft. Am Anfang muss man sich um nicht viel kümmern: die verbrauchte Kohle sollte deren Produktion nicht übersteigen und umgekehrt, da sonst wertvolle Betriebskosten verloren gehen (sprich man bezahlt Betriebskosten konstant pro Gebäude als fixum und nicht nach Auslastung). Selbriges gilt für Arbeiter – zu wenige Arbeiter bedeuten eine schlechte Auslastung der Gebäude, zu viele hingegen bedeuten, dass einige der Arbeiter ohne Job dastehen. Zufriedene Arbeitskräfte produzieren effizienter und streiken nicht – unzufriedene tun genau das Gegenteil.
Ist alles im Lot, kann man sich getrost ausdehen und mehr Arbeiterwohnungen errichten, mehr Kohleminen bauen und mehr Fahrradfabriken aus dem Boden stampfen. Ab und an kommen dann kleinere Quests auf den Spieler zu, in denen bestimmte Aufgaben gelöst werden müssen – natürlich Aufgaben, die in den Bereich Phsyik hineinreichen.
Am Anfang des Spiels kommen vorwiegend Aufträge in denen man einfach Dinge beschreiben muss – zu die drei Aggregatszustände von Wasser oder warum Speisen in einem Druckkochtopf schneller gar werden. Im späteren Verlauf kommen komplexe Berechungen aus 5 verschiedenen Bereichen (Mechanik, Wärmelehre, Elektrizität, Optik und Kernphysik) ins Spiel. So steht zB die Berechung der Durchschnittsbeschleunigung eines Kolbens in einem Verbrennungsmotor an – mal erhlich, welcher 12-jährige mit halbwegs normaler Schulbildung rafft das schon?
Vom Erfolg bei den gestellen Aufgaben hängt dann direkt der Verkaufserfolg bei den Produkten ab. Ein Beispiel: Ihr wollt Autos verkaufen, ein Mitbewerber publiziert allerdings in den lokalen Zeitschriften, dass seine Fahrzeuge einen höhere Durchschnittsgeschwindigkeit haben, als alle anderen. Dies gilt es natürlich nachzuprüfen und ggf. zu widerlegen – gelingt dies, so gibt es eine Belohung in Form von besseren Verkaufszahlen und ein bisschen Bargeld – misslingt der Beweis, sinken die Verkaufszahlen und es gibt kein Geld. Der Erfolg hängt also unmittelbar von den Berechnugen ab. Lösungshilfen und Rechenbeispiele für die Aufgaben finden sich übrigens Ingame im "Wissenschaftsmagazin", welches regelmäßig erscheint und wertvollen Lesestoff bietet. Neben dem Fachzeitschriftenabo kann man auch eine Briefkorrespondenz mit einem Erfinder der Zeit eingehen, Werner von Siemens ist z.B. ein ganz netter Kerl – in den Briefen finden sich selbstredend auch wieder eine Menge Infos, die bei der Lösung behilflich sind – leider klickt man diese aber in den meisten Fällen einfach durch oder überfliegt sie, so müss man sie dann im Falle einer entsprechenden Aufgabe nochmal durchlesen.
Bereits der erste Genius-Teil ist nahezu perfekt – wenn man das Ganze mit anderen Lernspielen vergleicht. Leider fehlen einige sehr wichtige Features, was mich besonders stört ist ein fehlender Ingame-Taschenrechner und ein Notizblock – mit Alt+TAB zurück ins Windows wechseln und dessen Tools zu verwenden, funktioniert leider nicht immer – so benötigt man entweder Papier und Stift, einen zweiten PC oder ein sehr gutes Gedächtnis. Insbesondere Formelumwandlungen mit mehreren Brüchen und Variablen sind für meinen Verstand dann doch etwas zu viel, wenn es um reine Kopfrechnen geht – da sollte dringen nachgebessert werden.
Soundtechnisch und grafisch kann das Spiel durchaus mit aktuellen Titeln mithalten, besonders die Sprachausgabe ist bemerkenswert – an einigen Stellen wurde zwar quantitativ etwas gespart, es hätte ruhig mehr sein können, aber die Qualität stimmt durch die Bank – vergleichbar damit ist eigentlich nur die Sprachausgabe des dtp-Adventures Runaway.
Etwas enttäuscht war ich allerdings auch von Eingleisigkeit der Aufgaben – zwar gibt es über 100 verschiedene, doch sind offenbar alle Aufgaben EXAKT gleich gestellt – die Werte in den Rechenbeispielen unterscheiden sich in unterschiedlichen Spielen nicht voneinander – es genügt also, während einer Aufgabe zu speichern, diese dann zu versieben, die eingeblendete Lösung aufzuschreiben und nochmal zu laden.