"Ich bin nicht hässlich, ich seh nur anders aus als du", die Ärzte haben es schon ganz wundervoll formuliert, was ich in meiner Einleitung zum Darwinia-Test schreiben will. Alle Welt scheint von Computergrafik nur noch Realismus, mehr Realismus und noch ein Eckerle mehr Realismus zu erwarten, doch ein drei Mann starkes Team aus England erschüttert diesen Trend mit seinem Echtzeit-Strategiespiel in seinen Grundfesten. Gott sei es gedankt, Darwinia rockt!
Dr. Sepulveda hat Mist gebaut. Er hat ein Computeruniversum erschaffen, das auf eine revolutionäre Art und Weise von digitalen Wesen, den Darwiniern, bevölkert wird. Leider hat sich in dieses System ein Virus eingeschlichen, der droht die PC-Weltherrschaft an sich zu reissen. Sepulveda bittet uns Spieler um Hilfe. Mittels Kampf-Programmen sollen wir die wichtigsten Knotenpunkte im System wieder zurückgewinnen und dem "I Love U"-Schweinehund gehörig auf die Eier gehen. Für jeden der seinen PC schon einmal wegen einem Virusbefall neu aufsetzen musste geht ein Traum in Erfüllung.
Zu Beginn bekommt man vom Doktor nur ein kleines Kontingent an Truppen zur Verfügung gestellt, mit dessen Befehligung man langsam vertraut gemacht wird. Einheiten werden über ein Black & White-ähnliches Gestensystem erschaffen, und mit weiteren Mausbewegungen ausgerüstet.
In den ersten Minuten stolpert man mit einigen simplen Ballermännern durch die Landschaft, später können die richtig austeilen. Mit Granaten, Panzern und Raketen zum Beispiel. Dem Feind darf man auch mit Luftangriffen einheizen. Neue Einheiten bekommt man von Sepulveda, dem man mit der Zeit auch sagen kann, welche Updates man sich wünscht.
Die klug ausgetüftelte Vorgehensweise, das Ausnutzen der Höhenunterschiede und ein gutes Timing sind in Darwinia Trumpf. Ohne die richtige Auswahl der Waffen wird euch so manches Monster schneller aufreiben als euch lieb ist, Granaten die man von unten auf Anhöhen wirft purzeln wieder zurück, wer vergisst bereits gesäuberte Gebiete im Auge zu behalten könnte plötzlich einer neuen Invasion gegenüber stehen. Der Virus katapultiert oder bombt nämlich Eier in solche Gegenden, und denen entschlüpfen neue Gefahren. So entsteht, während das Spiel am Anfang zur Eingewöhnung noch etwas statisch wirkt, die notwendige Dynamik am Schlachtfeld.
Der Schlüssel zum Erfolg sind aber die Darwinier. Die kleinen 2D-Sprites sind quasi die Arbeiter des Universums, und ohne sie kann man keine Gebäude betreiben oder Rohstoffe sammeln. Man kann die grünen Dinger (wenn sie feindlich sind, präsentieren sie sich in einem sexy Rot) aber nicht direkt steuern. Erst muss man einen Kommandanten erschaffen (per Mausgeste), der kann dann den Darwiniern in einem gewissen Umkreis Befehle erteilen. Dabei ist aber darauf zu achten, dass man nicht durch Feindgebiete rennt oder einige Wesen aus den Augen verliert. Ist nämlich kein Kommandant in der Nähe, verlieren sich die Jungs und Mädels schnell wieder im Gelände.
Darwinia fordert vom Spieler selbst auch Ungewöhnliches. Wer zum Beispiel ein Wegpunktesystem vermisst, wird schnell dahinter kommen, dass man nur mehrere Kommandanten hintereinander platzieren muss, und schon hat man Ersatz geschaffen.
Um überhaupt an Darwinier zu gelangen gilt es Feinde um die Ecke bringen. Dann bleiben nämlich für kurze Zeit deren Seelen am Schlachtfeld übrig, die es mit Techniker-Einheiten aufzusammeln und in Transformatoren zu bringen gilt. Schnelligkeit ist hier gefragt, bevor die Seelen in den digitalen Himmel entgleiten.
Jedes Level von Darwinia stellt eine Inselwelt dar, die in einem gleißenden Wasser angesetzt ist. Zwischen den einzelnen Eilanden können gewisse Truppentypen nur hin und her reisen, wenn ihr Satelitenstationen einnehmt. Über die könnt ihr die Truppen in einem schicken Datenstrahl transportieren.
Was auf den Screenshots aussieht wie eine hoffnungslos veraltete Grafikdemo, ist übrigens in der Praxis eine optisch faszinierende Kulisse. Farbenprächtig schimmert und flimmert die 3D-Welt mitsamt ihren verpixelten Truppen. Ob Introversion es nicht besser kann wissen wir nicht, auf jeden Fall hat man es hervorragend geschafft aus der Not eine Tugend zu gestalten. Darwinia hat einen eigenen Look, etwas das man als Spieler einfach einmal gesehen haben muss. Die Screenshots werden dem übrigens nicht gerecht, in Bewegung sieht das Ganze deutlich besser aus. Nebenbei für alle, die die Demo gespielt haben: In meinen Augen war die nicht gut gewählt.
Ja! Ja! Ja! Ich mag die Briten. Nicht nur für ihren Fußball, auch für ihre Spiele. Introversion schließt sich mit Darwinia der Tradition eines Peter Molyneux an und vereint ungewöhnliche Ideen, Eigenständigkeit und Spielspaß wie es lange kein Strategiespiel mehr geschafft hat. Obwohl die Entwickler nicht alles perfekt gemacht haben, nehme zumindest ich ihnen kaum einen Fehler übel. Gut, die Story-Präsentation könnte aufwändiger sein und in wirklich ganz seltenen Fällen verzweifelt man an der Steuerung, aber es macht einfach zu viel Spaß endlich wieder einmal etwas ganz Anderes zu spielen. Außerdem: Obwohl der Schwierigkeitsgrad im Verlauf des Spiels bald anzieht, Frust kommt nicht auf. Obwohl das Tutorial nämlich nicht jedem die nötigen Antworten liefern wird, hat man bis dahin die Möglichkeiten der Steuerung längst erkundet und zu schätzen gelernt. Ebenso wie den genialen Retro-Look, das faire Leveldesign und den Tag an dem man sich das Spiel gekauft hat. Ich hab die Schnauze voll davon, dass sich solche Perlen trotz dem ewigen Spieler-Geplärre nach Kreativität nicht verkaufen! Ihr gehört zur Fraktion der Spieler, die sich über den sich vermehrenden Einheitsbrei beschweren? Darwinia gehört da nicht dazu und ist ein tolles Game für Action-, Taktik- und Strategiefans gleichermaßen. Zugreifen, zugreifen, zugreifen! Oder bekennt Farbe zum Massenmarkt und hört auf euch über C&C-Klone zu beschweren!