Bis kurz vor seiner PC-Veröffentlichung habe ich von Papo & Yo nie gehört. Ich weiß auch nicht genau, was mich daran interessiert hat. Vermutlich der optische Stil der Screenshots. Ein Rätsel-Jump & Run das ein bisschen so aussieht als würde es in brasilianischen Slums spielen? Das geht doch. Jedenfalls war mein Interesse ein Glücksfall für mich, denn Papo & Yo entpuppte sich als echte Perle.
Ihr seid Quico, ein kleiner Bub der in seiner Fantasiewelt mit seinem Monster spielt. „Monster“, das ist ein seltsamer Zeitgenosse. Er isst alles, was er findet. Solange ihr ihm Zitronen vor die Füße werft, um ihn durch die Welt zu lotsen, ist auch alles in Ordnung. Blöd nur, wenn „Monster“ einen Frosch in die Finger bekommt: Dann wird er zur rasenden Bestie. Das mag erst einmal einfach nur seltsam wirken, aber schon wegen einer am Anfang eingeblendeten Widmung weiß man, das hinter dieser Geschichte mehr steckt. Der Chefdesigner ehrt damit seine Mutter und Schwester, die mit ihm das Monster im Vater besiegt haben. Und tatsächlich: Nach und nach deckt sich ein Gleichnis auf, das die Kindheit von Quico, seiner Schwester Alejandra und den Alkoholismus ihres Vaters beschreibt.
Ein brutales Thema also, klingt deprimierend. Will man das spielen? Ja, denn Papo & Yo geht erstaunlich leichtfüßig damit um. Erst ganz zum aufwühlenden Ende hin merkt man, dass die Entwickler wollten, dass auch wirklich jeder versteht, worum es ging. Auf eine bedrückende, schwermütige Atmosphäre hat man ansonsten (fast) durchgehend verzichtet. Minority Media setzt euch in einer hellen und unschuldig wirkenden Umgebung ein Rätsel nach dem anderen vor, nach dem ihr wieder ein klein wenig mehr Ahnung gewinnt, über die Perspektive eines Kindes auf die Misshandlungen und seelischen Narben eines suchtkranken und gewaltbereiten Elternteil.
Nicht nur Geschichte, auch als Spiel gut
Die Rätsel sind zwar keine harten Nüsse (besonders weil Schalter und Hebel immer gut sichtbar sind), aber sie überzeugen trotzem dank ihrer kreative Ausführung. Die Welt verändert sich durch eure Taten mitunter stark. In harmlosen Fällen werden Bretter zu Tausendfüßlern, die „Monster“ durch die Welt tragen. In den spektakulärsten Momenten krümmt sich die Welt wie in Inception, biegen sich Wolkenkratzer zu Brücken oder ihr versetzt ganze Häuserblocks. Die Unreal-Engine setzt sowohl surreale als auch wirklichkeitsnahe Umgebungen in angemessener Prächtigkeit in Szene.
Spielerisch wünscht man sich ab und zu ein paar Anleihen an Prince of Persia. Statt ständig nur durch die Umgebung zu laufen und hüpfen, hätten sich ein paar Klettereinlagen zur Abwechslung sicherlich angeboten. Aber da Papo & Yo nur drei bis vier Stunden lang ist, hält sich die Monotonie in Grenzen. Die 13 Euro, die das Spiel kostet, sind dafür ein passender Preis. Gemessen an der herausragenden erzählerischen Qualität ist das Kleinod sogar ein Schnäppchen. Wer sich nach Spielen mit künstlerischem Anspruch sehnt – die trotzdem auch als Spiel funktionieren – muss Papo & Yo spielen.
Ihr findet Papo & Yo auf Steam und im PSN für PS3