Es war LucasArts Untergang, als man 2004 die Einstellung der Arbeiten an Sam & Max 2 ankündigte. Der endgültige Untergang in meinem Ansehen nämlich. Ganz anders Telltale. Das kleine Team hat sich schon mit Bone in mein Herz entwickelt, und nahm sich nun der großen Aufgabe an, Sam & Max nach 13 Jahren wieder zum Leben zu erwecken. Die erste Episode dieses Experiments erscheint nun am 1. November weltweit per elektronischem Vertrieb. Für umgerechnet 7€, wenn man nur diese kauft, für 28 wenn man sich gleich die ersten sechs Episoden sichert. Diese werden innerhalb von sechs Monaten veröffentlicht, sagt der Plan. Sie ergeben als Ganzes eine Staffel, wie wir es von Fernsehserien kennen, und zeigen somit erstmals, welches Potential in episodischem Internetvertrieb von Spielen wirklich steckt.
Jetzt aber zum Spiel: Ein Schurke namens Brady Culture benutzt ehemalige Kinderstars dazu, hypnotische Videos unters Volk zu jubeln. Sam und Max werden zu Hilfe gerufen, um den Fiesling zu stoppen. Ein Abenteuer voller Gags und Gewalt beginnt.
Das Augenmerk liegt ganz auf Humor und Charakteren. Schon Hund und Hase wissen nicht nur Fans des Vorgängers zu begeistern, auch alle anderen Figuren im Spiel sind liebevoll durchdacht. Gleich am Anfang sind wir etwa mit der erpesserischen Ratte Jimmy Two Teeth konfroniert. Die fantastische (englische) Vertonung tut ihr übriges dazu, dass auch wirklich jeder Gag perfekt sitzt und regelmäßig echtes Gebrüll vorm Monitor ausbrechen kann.
Wie schon Bone ist Sam & Max: Culture Shock vollkommen 3D-modelliert. Dabei hat sich Telltale natürlich keine High-End Engine leisten können, die Sache aber trotzdem toll gemacht. Animationen und Mimik sind vor allem bei den beiden Hauptcharakteren grandios gelungen. Allein für Max hätten sich die 3D-Designer einen Orden verdient. Die Hintergründe sind in liebevoller Kleinarbeit entstanden und sehr schön ausgeleuchtet. Jedem Detail sieht man das durchdachte Grafikkonzept an.
Sam & Max: Culture Shock hat keine echten Mankos. Dennoch: so mancher wird sich an Teilen des Konzepts stören. Zum Beispiel dauert das Spiel für ganz schnelle Gesellen nur etwa zwei Stunden. Außerdem gibt es im Wesentlichen nur sieben Locations. Zwar verlängert sich die Spieldauer, wenn man sich die Zeit nmmt, die Umgebung zu untersuchen und alle Dialoge anzuhören (was sich wirklich lohnt), aufgrund des geringen Umfangs liegen die Lösungen für die kreativen und stets logischen Rätsel aber meist sofort auf der Hand. Wir müssen aus normalem Käse, Schweizer Käse machen? Revolver ausgepackt, Löcher reingeschossen, schon ist die Sache perfekt. Das Gute daran: Die Knobeleinlagen wirken nie so, als hätte man irgendwo noch schnell ein billiges Rätsel einbauen wollen, um die Spielzeit zu strecken. Sie ergeben sich immer aus dem Spielverlauf. Löblich.
Wer sich wegen des Vertriebskonzepts gegen den Kauf entscheidet, ist allerdings selber schuld (um nicht engstirnig oder blöd zu sagen). Der Preis ist mehr als fair. Die Wartezeit auf die nächste Episode ist kurz. Telltale liefert mit Sam & Max: Culture Shock das beste Comic-Adventure seit Jahren ab – und einen Anwärter auf das Spiel des Jahres. Das Spiel ist witzig bis zur letzten Sekunde: Bei welchem anderen Spiel lacht man sogar im Abspann? Hier. Die Entwickler danken einem betrunkenen Kerl aus einer Pizzeria, dass er sie nicht getötet hat.
Ich freue mich auf mehr. Kaufbefehl!