Kurz vor Mitternacht, vier Kontrahenten in ihren aufgemotzten Boliden maltretieren Kupplung und Gaspedal. Noch wenige Sekunden, bis die Turmuhr schlägt … jetzt endlich fällt das Startsignal: mein linker Nachbar überdreht, sein Motor geht in Flammen auf, beim Rechten siehts auch nicht besser aus, er würgt ab. Auf den ersten 400 Metern bin ich mit meinem verbleibenden Gegner gleich auf … ca. 200 Meter vor der Ziellinie bin ich eine halbe Wagenlänge vorne, die letzte Kuppe … GEGENVERKEHR!
Jetzt, nachdem ich meine Eingeweide von der Frontscheibe und dem Amaturenbrett gekratzt habe, kann ich das Rennen ja neu starten und nochmal in den sicheren Tod rasen. Irgendwie hört sich das ganze ja wie eine schlechte "The Fast and the Furious" Umsetzung für den PC an, aber wer das glaubt irrt gewaltig. Need For Speed Underground ist rein spielerisch und vom Umfang das beste NFS überhaupt. Zwar gibt’s einige, ach was sag ich, Unmengen an zu bemängelnden Dingen, aber die vorhandenen Features sind phänomenal.
Im Karrieremodus (Go Underground) darf man zu Beginn ein kleines Rennen mit Sponsoren-Autos fahren, eine Bewährungsprobe sozusagen, hat man dies geschafft, geht’s ans Eingemachte (Oma’s Apfelkompott und dergleichen). Nach einem kleinen Video darf man sich dann seine erste Karre aussuchen, die 10.000$ darf man in z.B. in einen Golf 4 oder einen Dodge Neon investieren. Die Preise sind nicht wirklichkeitsgetreu, das beeinträchtigt zwar den Fahrspaß nicht, aber trotzdem find‘ ich es etwas schade, der Aufwand wäre ja nicht so groß gewesen.
Hat man nun seine Karre käuflich erworben, darf man noch ein bisschen zusätzlichen Schnick-Schnack kaufen: Front-, Heck- und Seitenschürzen, getönte Scheiben oder einfach nur ein paar Vinylaufkleber. Selbstverständlich stehen auch einige verschiedene Lacke zur Auswahl – vorerst nur Glanzlack – später bekommt man Metallic oder Perleffekt Lacke zur Auswahl – ob ihr nun ein kitschiges Schweinchenrosa oder einen dezenten Blauton wählt, bleibt euch überlassen. Nach dem einmaligen Kauf eines Lacks kann dessen Farbton frei nach Belieben immer wieder kostenlos geändert werden.
Mittlerweile sollte man die restliche Kohle (etwa 1500$) in Upgrades verbraten haben, also los zum ersten Rennen. Zum Einstimmen darf man sich einen der 5 Modi (Rundkurs, Sprint, K.O., Drag oder Drift) auswählen. Der einfachste ist wohl der Rundkurs, hier gilt es einfach im "Kreis" zu fahren, für den Anfang stehen meisten zwei Runden auf dem Programm. Je nach Schwierigkeitsgrad stehen unterschiedliche Preisgelder zum Einkassieren bereit, für den Anfang bewegen sich diese vermehrt zwischen 150 und 300$. Spielmodus gewählt, Schwierigkeitsgrad auch? Dann kann’s losgehen: zu Lostprophets, Static-X oder Rob Zombie als Hintergrundmusik glüht man durch das Nachtgeschen einer fiktiven Stadt.
Neben diesen drei Interpreten haben natürlich auch ein paar andere ihre Stimme hergegeben, insgesamt stehen 26 Tracks zur Auswahl, hauptsächlich aber in Richtung Alternative oder Indie. Leider muss man die Wettkämpfe gewinnen – und zwar zwangsweise – ein zweiter oder gar dritter Platz kommt nicht in Frage, nur für den ersten kann man ein paar Moneten abgreifen (und in der Karriereleiter aufsteigen).
Vielleicht noch kurz die anderen beiden klassischen Spielvarianten erklärt: Sprint ist ein simples Rennen von A nach B, der Schnellste gewinnt (alternativ wird diese Variante auch als "Zeitfahren" gehandhabt, hier fährt man nicht gegen andere, sondern eben gegen die Uhr). Zuletzt, im K.o. Modus, scheidet jede Runde der jeweils Letztplatzierte aus, es werden folgedessen bei drei Leuten auch vier Runden gefahren. Eine für die NFS-Reihe neue Geschichte ist das Drag-Rennen, eigentlich muss man hier nur Gas geben – ok, so einfach ist es nicht, dem Verkehr ausweichen und möglichst optimal schalten ist sicher auch nicht verkehrt, wir wollen doch schließlich den Motor nicht überdrehen! Zu guter Letzt bleiben noch die Drift Wettbewerbe: Traktionskontrolle aus, die Reifen qualmen lassen und möglichst oft, lange und viel, um die Kurven rutschen ohne gegen die Wände zu knallen – hört sich einfach an, ist es aber durchaus nicht.
Selbstverständlich bekommt man alle fünf Modi auch in Turnierform zu Gesicht, also einfach zum Bespiel drei Mal in Folge ein Drag-Rennen. Die anfangs erwähnten Videos bzw. Zwischensequenzen nehmen im Laufe des Spiels deutlich ab, eigentlich heißt das, man bekommt gar keine mehr zu sehen. Dafür werden die Upgrades für die eigene Karre immer spektakulärer und natürlich auch teurer: ob nun optische Details wie vergoldete Felgen, verchromte Bremssattel oder eher technische Schmankerl wie Lachgaseinspritzung oder ein neues Getriebe – jedem bleibt selbst überlassen, was er wo in seinen Boliden reintuned. Neben den schon angesprochenen, zahlreichen und natürlich auch "preiswerten" Aufrüstungsmöglichkeiten bekommt man auch Uniqe-Tuningteile – meistens durch’s Absolvieren besonderer Aufträge (sprich Rennen).
Seltsam ist nur die fast 100%ige Kompatiblität verschiedener Autoteil, so passt z.B. ein Satz Golf Seitenschürzen ohne Probleme auch auf einen Honda Civic, einen Toyota Celica oder einen Acura RSX – naja, eigentlich passt jedes Teil auf jede Karre (mit ein paar kleinen, sehr seltenen Ausnahmen). Autos wechseln kann man auch wie die Socken, durch simple Umtauschaktionen ohne Preisreduktion kann man vor jedem Rennen ein entsprechendes Auto "kaufen". Selbst vor Schrottwagen schreckt der EA-Händler nicht zurück: im Drag-Modus mit 300 Sachen frontal in den Gegenverkehr? Kein Problem – das wort "TOTALSCHADEN" stört eigentlich weniger, im nächsten Rennen ist der fahrbare Untersatz wieder Tip-Top in Ordnung.
Meiner Meinung nach fehlt hier eine Art Hardcore Modus (wie es ihn z.B. in Diablo II gibt – wenn der Charakter tot ist, d.h. das Auto Schrott ist, ist es Schrott). Überhaupt gibt es keinerlei Arten von Beschädigungen, es ist teilweise sogar sinnvoller im 45° Winkel eine Wand zu rammen (Eintrittswinkel ist gleich Austrittswinkel), als vor der Kurve in die Eisen zu steigen. Reparaturen am Wagen fallen also unter den Tisch …
Genaugenommen ist der der Karriere-Modus, also "Go Underground", bis auf die Videos (die wie schon gesagt eher dürftig vorkommen) nur dafür da, die Fahrzeuge und deren Upgrades freizuschalten. Diese Boliden kann man dann gleichermaßen im Quickrace oder im Online-Multiplayer verwenden. Apropos Online-Multiplayer: es gibt nur diese eine einzige Möglichkeit, gegen andere menschliche Spieler anzutreten. Ein Turnier auf einer LAN Party könnt ihr euch schon mal in die Haare schmieren. Überhaupt wurde viel am Multiplayer Part gepatzt, zwar funktioniert alles einwandfrei und ist weitgehend bedienerfreundlich, aber trotzdem wurden viele kleine, augenscheinlich nebensächliche Dinge einfach vergessen.
Ist man beispielsweise in einem Channel (diese sind übrigens auf 50 User beschränkt, die selbst erstellten gar auf 25 User) mit mehreren Leuten, muss man um ein Spiel zu erstellen oder bereits erstellte Spiele zu sehen eine Seite "umblättern". Es gibt keine "xxx has formed a new game" Meldung oder ähnliches, ausserdem wird man nach Beendigung eines Matches automatisch aus dem Channel gekickt und muss erst 3x klicken, bis man wieder drin ist (außer natürlich er ist dann voll). Die Zensur ist auch recht hart ausgefallen, zwar werden die üblichen Wörter wie "fuck" oder "shit" zensiert, aber auch einige ganz harmlose Wörter fallen dem Sternchenreplacement zum Opfer. "bin", ein nicht allzu ungebröchliches deutsches Verb, wird gnadenlos zensiert – leider fallen auch viele andere harmlose Wörter ins Nichts. Abgesehen davon hat man sich auch bei der Chatfunktion einen kleinen Schnitzer erlaubt: erstens dürfen die Nachrichten nur wenige Zeichen umfassen, 32 um genau zu sein und zweitens muss man nach jeder Eingabe erneut in die Textzeile klicken um eine neue Nachricht schreiben zu können – also höflich gesagt eine Frechheit. Die Kommunikation zwischen den Spielern bleibt somit fast völlig aus, zwar hat man sich mittlerweile schon ein Patch aus den Fingern gesogen, aber das hat diese Macken auch nicht behoben.
Interressant finde ich allerdings die Grafikengine, sie lässt sich fast völlig frei konfigurieren, das heißt die Details lassen sich frei einstellen. Bei langsameren Rechner müssen hierbei zwangsweise einige Features abgeschalten werden, bei neuen Rechnern mit modernen Grafikkarten ist’s zwar möglich alles einzuschalten, aber einige Dinge nerven schon ziemlich.
Eines dieser Features ist die bewusste Monitorunschärfe (viele kennen den Effekt vielleicht von GTA3 oder Vice City), beim Fahren mit Geschwindigkeiten an die 300 km/h stören die verschwömmenen Lichtquellen in der nächtlichen Skyline zunehmend und führen eher zu Karambolagen als zu höheren graphischen Genüssen. Ähnlich kann man die Spiegeleffekte an Fahrzeug und Strasse betrachten, irgendwie stören die mehr als sie helfen – sieht zwar toll aus, aber doch etwas überzogen und unrealistisch: trockener Asphalt spiegelt einfach nicht so toll und alle Umgebungsdetails im Lack zu sehen bedarf auch schon ziemlich grossem Fanatismus, jeden Tag 3x mit dem Poliertuch übers Auto ist schon ziemlich krank. Aber solche Leute gibt’s auch …
Steinigt mich nicht gleich! Aber nach all den AON-Speed Netgaming Werbespots hab ich NFS: Underground schon als potentiellen Versagertitel abgestempelt gehabt, irgendwie nerven die doch auch? „Hey, wo bleibt eigentlich Rob?“ – „Sorry, i’m late“ – „… ok, let’s do it!“ – irgendwie muss man sich bei den ultrageschminkten Sunnyboys schon ziemlich zusammenreißen, um sich nicht gleich zu übergeben.
Nein, mal im Ernst: ich hab mir das Spiel auf Anraten eines Freundes gekauft (Electronic Arts stellt uns ja keine Testmuster zur Verfügung) und ich muss echt sagen, ich bin nicht enttäuscht. Eins muss man aber dazu sagen: NFSU wurde von EA Blackbox(ehemals Blackbox Games) entwickelt, also einem adaptierten Entwicklerstudio (wie es einst Origin oder Westwood erging), das erklärt dann auch die herrausragenden Eigenschaften des Spiels.
Nichts desto Trotz ist NFSU sein Geld wert, zwar wurde viel gepatzt (insbesonde eben in Punkto Multiplayer), aber daran ist vermutlichEA als Publisher schuld. Eigentlich kann jeder getrost zugreifen, allerdings sollte man direkt nach dem Zocken nicht unbedingt Auto fahren – man wird doch sehr stark beinflusst, nachdem die Geschwindigkeitsdarstellung sehr realistisch wirkt.