Victoria McPherson hat ein Problem. Vor ihr in einer Badewanne liegt gerade Leiche Nummer fünf einer rätselhaften Mordserie. Ihre vier Vorgänger und ihr im späteren Verlauf dazukommender Nachfolger geben der tapferen Ermittlerin zudem kaum aufschlussreiche Indizien preis. So hat Victoria erstmal keine andere Möglichkeit als den völlig heruntergekommenen Tatort zu inspizieren. Haben wir uns dazu erstmal der nötigen Werkzeuge (Fotoapparat, Pinzette, Schwarzlichtfilter, Wattetupfer usw.) bemächtigt, wird der Tatort, wie aus einschlägigen Fernsehserien a la CSI bekannt, nach Beweisen durchstöbert. Schon bald findet Victoria dabei die ersten Hinweise und versucht den ungastlichen Ort voller Ratten, verschmierter und aufgerissener Wände, kaputter Türen, verdreckter Böden und modernder Matratzen zu verlassen, da kracht unter ihr die Treppe zusammen. Nur der beherzte Einsatz von ihrem Kollegen Miller (saudämliche Synchronstimme) kann sie vor Schlimmerem bewahren.
Sind wir gerade noch der Todesfalle Treppe entkommen heißt es nun, einen neuen Ausgang zu finden. Die Feuerleiter erweist sich dabei als gute Ausstiegsmöglichkeit. Ärgerlich nur, dass die Tür dorthin verschlossen ist. Ein Brett als Brecheisenersatz später findet sich unsere FBI-Agentin dann auch schon im Büro wieder. Dort geht das Abenteuer jedoch erst richtig los. Nicht nur, dass irgendein Hansel den Code für die Eingangstür zum Leichenschauhaus geändert hat und wir den natürlich nicht kennen, zu allem Überfluss muss auch noch die dämliche Freundin Millers diesen von der Arbeit abhalten. Miller wird sich jedoch im Verlaufe des Spiels noch als enorme Hilfe herausstellen und die Tür zum Leichenschauhaus ist auch kein großes Problem.
Nachdem wir uns im Leichenschauhaus mit ein paar weiteren Informationen versorgt haben, begeben wir uns nach diesem anstrengenden Tag erstmal nach Hause. Dort angekommen spaltet sich die Geschichte von Still Life in zwei Teile. Nachdem wir auf dem Dachboden in Opas Truhe seine alten Aufzeichnungen gefunden haben, stellen wir verblüfft fest, dass Victorias Opa Gus an einem ähnlichen Fall gearbeitet hat. Fortan verschlägt es uns ins Prag um 1900 herum. Dieses ist, wie alle anderen Orte in Still Life, sehr atmosphärisch und mit sehr viel liebe zum Detail gestaltet worden. Da tropft Wasser in der Kanalisation von der Decke, pompöse Marmorstatuen reflektieren die Umgebung, die Wellen des Kanals brechen realistisch an den Kaimauern, in Still Life gibt es immer etwas Neues zu entdecken.
So phantasievoll wie die Umgebungsgrafik ausfällt, so einfallsreich und vor allem abwechslungsreich fallen die Rätsel aus. Wie ihr in den ersten beiden Absätzen schon erfahren habt, fällt neben normaler Detektivarbeit wie Beweise sammeln und Zeugen befragen auch so einiges an Rätselkost an: Schlösser wollen geknackt, Türen über komische Mechanismen geöffnet, Gegenstände von Person A zu Person B gebracht und Roboter gesteuert werden. Schlussendlich müsst ihr eurem Vater auch noch Omas Plätzchen backen. Diese Aufgabe hört sich auf den ersten Blick zwar lustig an, ist sie aber nicht. Es handelt sich bei dem Rezept schließlich nicht um irgendeinen 08/15-Gewäsch einer alten Schachtel, sondern um eine Art Bastelanleitung. Als besonders schwierig und nervtötend, da keine Hinweise darauf zu finden sind, erweist es sich die Zutaten richtig abzumischen. Diese sind als Emotionen aufgeschrieben und so müsst ihr ein Becher Liebe mit einem Eßlöffel Lust mischen. Wer dieses Rätsel sofort auf Anhieb ohne Nervenzusammenbruch schafft, bekommt von mir einen Lutscher…
Trotz dieser Rätselschwächen spielt man Still Life gerne weiter. Die Charaktere wirken wie aus einem Guss und jeder bringt seine eigene Hintergrundgeschichte mit. Leider fällt die Synchronstimme bei einigen Personen so dermaßen lächerlich aus, dass einem ihr Gefasel nach drei Minuten schlicht und ergreifen auf die Nerven geht. Besonders sollte man hier die Szene im Verhörzimmer erwähnen. Währen Victoria verzweifelt versucht aus einem unschuldigen Studenten mit leicht perversen Neigungen doch noch ein paar Informationen zu quetschen, ruft Miller in einer für einen Mann viel zu hohen Stimme irgendwelchen, unqualifizierten Quatsch dazwischen. Spätestens nach dieser Szene beginnt man Millers Synchronstimme zu hassen.
Der dichten Story ist es dann auch im Endeffekt zu verdanken, dass man obgleich der Rätselschwächen, des lahmen Anfangs und der nervigen Synchronstimme immer weiter rätselt. Gerade die Ausflüge in die Vergangenheit strahlen eine unheimliche Atmosphäre aus und bieten eine enorme Rätseldichte. Dagegen wirkt das kühle Chicago der Neuzeit fast schon etwas zu glatt und sauber. Es sei an dieser Stelle jedoch davor gewarnt, zu sehr in die Rollen von Victoria und Gus zu schlüpfen Das sehr abrupte und irgendwie aufgesetzt wirkende Ende könnte einen sonst bitter enttäuschen.
Nachdem ich von der Demoversion sehr beeindruckt war, hatte ich mir vom eigentlichen Spiel schon einiges erwartet. Viele meiner Erwartungen wurden auch bestens erfüllt. So bietet Still Life eine spannende, wenn auch mit einigen Längen versehene, Handlung mit glaubwürdigen Charakteren. Das alles ist eine eine schöne Kulisse eingerahmt und bietet auch kaum grund zur Klage.
Wären da bloß nicht ein paar kleine Schlitzer. Warum muss ich andauernd irgendwelche Schiebepuzzles lösen? Warum muss ich diese dämlichen Plätzchen backen? Erseteres sowie letzteres frustriert ungemein und während einen die Schiebepuzzles wenigstens noch voran bringen, hat das Backen der Plätzchen noch nichtmal einen positiven Nebeneffekt. Irgendwie wirkt dieses Rätsel arg aufgesetzt und macht den Eindruck die Programmierer wollten die ohnehin schon nicht gerade lange Spielzeit noch ein bisschen aufblähen.
Apropos aufgesetzt: über das absolut unpassende und unbefriedigende Ende schweige ich micht jetzt einmal fein aus.