„Woah fuck!“
„Woah fuck!“
„Wooooah fuck!“
„Yeah!“
Ich erreiche das ersehnte Plateau mit dem Savepoint im fünften Anlauf um ein paar gefühte Millimeter und freue mich, als wäre gerade mein neuer Gaming-PC mit der Post gekommen. „Ich rocke!“, denke ich mir, und suche in Deadcore’s dunstverhangener Techno-Traumwelt nach der nächsten Hürde am Weg zum Turm.
Der Turm! Ich will ihn erreichen.
Ich muss ihn erreichen!
Warum? Das weiß ich nicht genau. Aber er ist mein Ziel. Und ich muss schnell sein. Auf meiner Waffe läuft ständig eine Uhr mit, der Beat der Musik treibt mich an. Jedes Spiel ist auch ein Speedrun. Gegen mich selbst. Gegen irgendjemand anderen.
Deadcore fordert mich ziemlich. Die Passagen, die ich vor dem nächsten Checkpoint überwinden muss, werden immer länger. Die Wächterbots agieren immer lästiger und meine Konzentration verliert im Laufe jeder Session irgendwann an Schärfe. Immer mehr Fähigkeiten stehen mir zur Verfügung. Bin ich anfangs gerade einmal ein springender N00b, dashe ich schon bald schnell wie The Flash durch die Lüfte, renne in Gravitationsfelder an der Decke herum oder rocketjumpe mich über gewaltige Abgründe. Und dann muss ich durch minutenlange Passagen alle bis dahin erlernten Fähigkeiten kombinieren und dabei Munition sparen. All das erlerne ich in einem gelungenen Prozess und beherrsche es, als wäre es schon immer in meinem Bewegungs-Repertoire gewesen. Einzig das Gefühl für oben und unten verliere ich in den Gravitationsfeldern doch gelegentlich viel schneller als mir das lieb ist.
Nach dem ersten Durchspielen des „Story-Modus“ geh ich auf die wirklichen Speedruns und den Online-Highscore los und merke, dass die gewonnenen Fähigkeiten (die Spielfigur levelt auf) schon viel helfen, aber noch lange nicht genügen. Alles geht deutlich einfacher und schneller, aber die Highscores sind noch weit weg. Ich suche nach Abkürzungen, die mir vorher entweder nicht zugänglich oder nur verborgen waren. Und ich schaff es wieder ein paar Sekunden schneller. Ein Optimierungs-Gefühl wie in Trackmania kommt auf, auch wenn die Spiele am ersten Blick nicht viel gemeinsam haben, außer ihrer französischen Herkunft.
Vielleicht mehr als alles andere prüft Deadcore meine Geduld. Wenn ich scheitere, beginne ich in Passagen plötzlich zu hudeln, die ich gerade noch leicht überstanden hab. Ich schmeiße die Nerven weg und muss so gleich erst recht wieder von vorne beginnen. Ja, es ist eine Übung in Skill. Aber auch eine Übung in Selbstkontrolle. Es ist eine Erfahrung von Selbsthass und euphorischer Selbstzufriedenheit. „Woah fuck!“ und „Fuck yeah!“ liegen nah beieinander. Für den ersten Durchlauf des „Storymodus“ habe ich nicht ganz sechs Stunden gebraucht. Dabei bin ich 799 Mal gestorben und habe 135 weitere Male auf Respawn gehämmert, knapp bevor es so weit gewesen ist. Das ist ein Respawn alle 25,2 Sekunden.
Das geht besser.
Wenn man es auf eine kurze Beschreibung runterbrechen will, ist Deadcore ein Portal auf Speed – ein temporeiches First-Person-Puzzle-Shooter-Geschicklichkeitsspiel des französischen Indie-Studios 5 Bits Games. Ihr bekommt es um 10 Euro auf Steam und Desura. Ich fand es ziemlich großartig.