Es gab eine Zeit, da konnte man am Handy bestenfalls Snake spielen. Es gab keine TV-Serie, deren Hauptcharaktere Nerds waren. Facebook war noch nicht einmal ein Wort. ICQ war cool, Skype Zukunftsmusik. Die Leute gewöhnten sich in Wahrheit gerade erst ans Googlen. Zu den meisten Artikeln im Internet konnte man keine Kommentare absetzen, dafür hatte jede Seite ein eigenes abgetrenntes Forum. Diese Zeit war 2003 und am 16.2. diesen Jahres ging Rebell.at online.
Sigi (damals 21) und ich (frisch 18) hatten uns ein paar Monate davor dazu entschlossen, ein eigenes Spielemagazin zu gründen. Wir schrieben damals beide für große kommerzielle Seiten. Aber wir wollten etwas eigenes, unsere Unabhängigkeit. Wir wollten, dass sich Spielemagazine änderten.
Wir wollten Spiele ernst nehmen, wie andere Filme ernst nahmen. Aber dazu mussten wir erst lernen, wie man das macht, denn der Spielejournalismus war Ödland. Kieron Gillens Manifest für einen Neuen Spielejournalismus war noch über 13 Monate von seiner Veröffentlichung entfernt. Wir fingen damals damit an, wöchentliche Kommentare zum Geschehen in der Branche zu schreiben. Zumindest im deutschsprachigen Raum hat das online kaum jemand gemacht. Es gab damals noch keine Epidemie an tollen Blogs und Printmagazine stellten ihre Inhalte kaum ins Netz. Manchmal bilde ich mir ein, dass wir einen Teil beigetragen haben, dass sich etwas verändert hat.
Nur die anpassungsfähigsten Seiten überleben
Das Rebell.at, das ihr heute seht, ist etwas vollkommen anderes, als das damalige. Das ganze Projekt hat sich in diesem Jahrzehnt stark verändert. Mal war die Seite ein Spielemagazin mit vielen täglichen Beiträgen: Wir versuchten möglichst alles abzudecken, mit News, Tests mit einem Wertungssystem, Previews, Interviews, Features und Kommentaren. Es gab ein Forum und einen strengen Dienstplan und ein tägliches Plansoll. Und dann kamen Facebook und Twitter und WordPress und das Leben dazwischen und schrittweise hat Rebell sich an eine neue Umwelt angepasst und ist ein Blog geworden, in wir sammeln, was uns wichtig oder bemerkenswert erscheint, wenn unsere Zeit es zulässt.
Diese Flexibilität des Projekts (also dass wir es einerseits umgestalteten und andererseits auch Einigkeit darüber zielen konnten, was sich ändern musste) war und ist wichtig, denn ohne sie wäre Rebell heute eine Leiche von vielen in den Archiven des Webs. Denn nicht nur die Welt, auch wir haben uns natürlich in diesem 10 Jahren verändert: Unsere Crew, unsere Interessen, unser Zeitbudget, unser Wohnort, unser Familienstand und unsere Sicht der Dinge. Wir sind älter geworden, und anders. Manche von uns sind Eltern geworden, wir haben Berufe und Berufungen gefunden. Spiele sind ein bisschen in den Hintergrund gerückt, aber eine Leidenschaft dafür ist doch geblieben.
Es war nicht immer leicht, die Motivation aufrecht zu erhalten, so viel Zeit und auch so manchen Euro in das zu investieren. Bei einem Angriff von Hackern verloren wir wegen eines defekten Backups Monate an Arbeit und im Frust der nächsten Monate viele Leserinnen und Leser. Nicht jedes Experiment glückte. Aber irgendwie haben wir es immer geschafft, weil zu jeder Phase doch irgendjemand immer vernarrt genug in das Hobby war, um das Ding am Laufen zu halten. Abschalten war nie ein Thema.
Rebellion im Herzen
Dass wir eine Spieleseite „Rebell“ nannten, war keine bloße Pose, sondern entsprach einer inneren Haltung: Wir wollten kritisch und selbstbewusst sein und ohne Rücksicht auf die falschen Dinge schreiben. Wie wir diese Haltung ausleben, hat sich in den zehn Jahren mit uns verändert. Aber diese Zutaten lagen schon immer in der DNA dieses Projekts, lange bevor kommerzielle Magazine ihre Courage entdeckten und „kritische Herbste“ ausriefen. Wie man sich halt manchmal so verläuft, wenn man glaubt etwas unbedingt besser machen zu müssen, selbst aber noch so manches dazu lernen muss, hat das manchmal sicher auch verkrampft gewirkt. Wir waren jung, wir brauchten die Verbissenheit. Rebell ist ein Spiegel unserer Entwicklung.
Rebell.at waren aber übrigens – und das ist wichtig – nie nur Sigi und ich. Dutzende Menschen haben daran mitgearbeitet. Redakteure sind gekommen und gegangen, manche blieben sehr lange, wie Georg, Jan, Yannick, Konrad, Julian und Bert.
Andere begleiteten uns immerhin das ein oder andere Jahr, wie Maik, Markus oder Katharina. Oder trugen halt ein paar Texte bei, wie Lektor Klaus, Martin und Tobias. Ich wollte niemanden vergessen (und wenn ich es tat, dann stubbst mich bitte an! ;)), aber ich weiß nach all den Jahren nicht mehr alle Namen (es gab noch einen Ingo, einen Torben, einen Raphael und einen Chris) und leider lässt sich nicht mehr so genau nachvollziehen, wer sich so unter dem allgemeinen Redaktionskürzel versteckt.
Danke, danke, danke
Manche sind noch da, andere verließ irgendwann die Lust oder schlicht die Zeit. Anderen meldeten sich von einem Tag auf den anderen einfach nicht mehr (Uncool!). So manch interessierter Mitarbeiter hat nie seinen ersten Text geschafft. Einigen wenigen hat unsere Unabhängigkeit nicht gereicht, sie stürmten los, um das nächste Magazin zu gründen. Die meisten dieser und anderer Leute haben es eher früher als später wieder aufgegeben, als sie den immensen Aufwand und die schwierigen Schritte hinter so einem Projekt erlebten.
Einmal passierte das Gegenteil. Mit „Working Title“ schloss vor einigen Jahren ein großartiges, anderes Magazin seine Pforten. Ich glaube mich zu erinnern, dass auch größere Seiten an ihrem Archiv interessiert waren, aber die befreundete Redaktion überließ es damals uns. (Das sind die Artikel von Fabian, Stephan und Natalie)
Ich möchte an dieser Stelle jedenfalls allen danken, die irgendwann einmal irgendwas an Rebell beigetragen haben. Mit gar nicht wenigen verbindet mich immerhin bis heute eine Freundschaft.
Nach alldem, was wir mit Rebell.at erlebt und überstanden haben, sind wir jedenfalls stolz, dass unser Rebell geblieben ist. Dass es immer anpassungsfähig genug gegenüber all den Veränderungen war, weil unsere Leidenschaft für das Projekt und das Thema einfach immer stark genug blieben.
Und das gibt uns die Zuversicht, dass Rebell deshalb auch noch einige Zeit bleiben wird.