In Düsseldorf hat sich ein kleiner Entwickler daran gemacht, mit einer gehörigen Portion Witz und viel Mut zu neuen Ideen den gro0en Platzhirschen im RPG-Wald das Schrot zwischen die dicken Geld-Geweihe zu rotzen.
Und wenn David mal wieder einmal versucht Goliath zu bezwingen, sind wir von Rebell.at natürlich mal wieder live dabei. Hier ist er also, der absolute Statusbericht zu einer der wenigen eigenständigen RPG-Neulinge dieser Zeit – und das auch noch aus Deutschland!
?: Danke erst einmal, dass du uns Rede und Antwort zu Grotesque – Heroes Hunted stehst. Zu aller erst wäre es nett, wenn du uns einen kleinen Einblick in deine Tätigkeit bei Silent Dreams und ein paar Informationen über deine Person geben würdest.
Ja, das mache ich doch mal glatt. Ich bin Rayk „Dead Poet“ Kerstan , Creative Director bei Silent Dreams, einem unabhängigen Entwicklerstudio in Düsseldorf , Deutschland. Meine Tätigkeiten umfassen alles Kreative in leitender oder ausführender Form. Ich bin also vor allem dafür verantwortlich, dass Ihr später die Handlung, die Dialoge, Gameplay und das „Kopfkino“ genießen könnt.
?: Herstellungsverbot von „Killerspielen“, schärfere Jugendschutzgesetzte, allgemeine Hetze gegen Computerspiele in der Boulevardpresse: Deutschland ist nicht gerade ein einfaches Pflaster für Spieleenthusiasten und Spieleentwickler. War es für euch als neues Team anno 2006 schwer, einen finanziellen Partner für euer Projekt zu gewinnen?
Es ist in der Tat sehr schwer. Deutschland bietet so gut wie keine Fördermittel im Gegensatz zu Frankreich oder England. Was nicht besonders clever ist, denn so entgeht Deutschland mal eben ein paar Steuern. All das aufgrund einer scheinbar nicht wahrgenommen werdenden Milliarden-Industrie, denn: „es sind ja nur Spiele“. Als echtes Kulturgut werden sie in unserer deutschen Gesellschaft wohl erst in ein paar Jahren akzeptiert, wenn die neuen Generationen aufrücken.
Also muss man aus dem Nichts ein episches Rollenspiel erschaffen – das ist sicherlich eine Lebensaufgabe und Ihr braucht Familien und Freund(innen), die Euch dabei unterstützen, denn natürlich gibt es viele Rückschläge. Das Team muss harmonieren und sich gut aus den verschiedenen Spezialisten ergänzen können und unsere Leiter innerhalb der Firma müssen doppelte Arbeit leisten.
Der Anfang ist auch deshalb sehr schwierig, weil man sich die Kontakte zuerst aufbauen und dann auch noch das Vertrauen seitens eines Publishers gewinnen muss. Leider auch, weil heutzutage so ein kleiner Prototyp nicht mehr ausreicht. Das Spiel muss möglichst final wirken, bevor ein Publisher zusagt.
Wir haben dann letztes Jahr mit Schanz International Consultants ein Vertrag abgeschlossen, die sie sich um die Verhandlungen weltweit kümmern. So kam auch der Vertrag mit Russland und Akella zustande. Das hat uns sehr geholfen, Grotesque noch einmal deutlich aufzupolieren und auch inhaltlich zu verbessern. Nun werden wir mit der aktuellen Version den finalen Schritt gehen und uns einen Publisher für Nordamerika und Europa angeln…
Wobei ich übrigens jetzt nicht sagen will, dass es in Österreich so viel einfacher ist. Die Kollegen von Avencast (Anm. d. Red.: <a href="http://www.avencast.com/" target="_blank">http://www.avencast.com/</a>), zu denen wir einen guten Kontakt haben, haben es sicherlich auch nicht leichter gehabt.
?: Da wir schon einmal bei dem Thema angelangt sind. Auch in Grotesque wird Gewalt zu sehen sein, wenn auch weniger dramatisch inszeniert als z.B. bei Manhunt. Wie genau stehst du zur aktuellen Gewaltdiskussion und wie glaubst du, müsste die Branche mit diesem heiklen Thema umgehen?
Letztendlich bin ich auch kein Freund von reinen Gewaltspielen, aber einfach allein aus dem Grund, weil sie mir zu monoton sind. Ich möchte zumindest etwas geistig gefordert werden, wenn’s nicht zuviel verlangt ist. Bis auf vielleicht Far Cry, ich mochte diese Mischung aus Gewalt , Camping und Urlaubsatmosphäre.
Wenn Gewalt mit einer interessanten Handlung wie in Mafia verbunden wird, dann ist das schon was ganz Anderes. Es ist sehr schade, dass es Actionspiele dieser Qualität viel zu selten gibt. Vielleicht wäre das Image dann auch anders.
Ich denke mit Grotesque werden wir eine USK ab 12 anpeilen. Ich muss nur aufpassen, dass die Dialoge in diesem Rahmen bleiben. ;)
?: Nun aber genug von Stoiber, Beckstein und Co.. Du selbst hast dich in verschiedenen anderen Interviews ja schon als begeisterter Rollenspieler und auch Mod-Bastler für Neverwinter Nights geoutet. Bei Grotesque wollt ihr vor allem die Hintergrundgeschichte sehr tiefgründig gestalten, jedoch auch nicht auf eine gehörige Portion Witz verzichten. Ist es schwierig diesen Spagat zu meistern?
Letztendlich ist es einfach ein gewisser Stil und eine spezielle Atmosphäre die erzeugt wird. Allerdings müssen wir aufpassen, dass der Humor nicht zu sehr in den Vordergrund gerät, damit das Spiel offen für alle Emotionen bleibt.
Mal als Beispiel: Würden wir jetzt ein Spiel im Stil von Austin Powers machen, hätte man das Problem, keine richtige Spannung erzeugen zu können, weil ja wirklich alles und jeder aufs Korn genommen wird. Zu unseren Anfangszeiten haben wir das ja auch versucht, denn so wollten wir trotz schlechterer Technik Aufmerksamkeit erregen. Ich sag nicht, dass es nicht funktioniert hätte, aber es schränkt auch sehr ein.
Nachdem wir nun technisch mit den Blockbuster-RPGs gleichgezogen sind, haben wir beschlossen den tiefgründigeren Weg zu gehen. Daher ist der Humor dezent zurückhaltend, aber er sorgt auf jeden Fall für das gewisse Etwas, dass man in anderen RPGs gerade heutzutage stark vermisst.
?: Ihr versprecht zudem als weiteres Schmankerl Adventure-Elemente bei Grotesque. Wie werden diese aussehen und wie oft werden sie im Spiel vorkommen? Wie seid ihr überhaupt auf diese Idee gekommen, habt ihr unter euch einige Adventure-Fans?
Mit den legendären Titeln von Lucas Arts sind sicherlich einige von uns aufgewachsen und dadurch ist wohl auch die Idee entstanden. Das war damals einfach eine spielerische Leichtigkeit ohne Zwang – einfach nur pure Unterhaltung. RPGs und Adventures können viele Gemeinsamkeiten haben: Eine gute Geschichte, interessante Charaktere, unterhaltsame Dialoge und Rätsel, die nicht nur aus „Schalter betätigen“ und „Kisten schieben“ bestehen.
Klassische Adventures haben nur das Problem, im Gameplay sehr eingeschränkt zu sein. Wenn ich als Spieler zum nächsten Abschnitt komme, weiß ich doch genau, jetzt folgen wieder mehrere Rätsel, eine Person mit der ich reden kann, ein paar Items die ich benutzen kann – es gibt viel Leerlauf und Frustsituationen , für ungeduldige Spieler ist das überhaupt nichts.
Wir wollen aber dem Spieler nicht dieses mechanische Gefühl geben. Der Spieler wird auf gelegentliche Rätsel treffen, die das Spielgeschehen und das Lösen von Quests einfach abwechslungsreicher machen und auflockern. Zum Beispiel kann es sein, dass man ein übermächtiges Monster durch List, Tücke oder mittels Wortgefechte besiegt. Es geht auch nicht darum uns unglaublich schwere Rätsel auszudenken – sondern eher das Design so anzupassen, dass es möglichst unterhaltsam ist – so hat es damals z.B. Monkey Island gemacht. Und wenn ein Spieler lachen kann, dann sind das positive Emotionen, die man doch nutzen sollte.
?: Ihr seid nicht das einzige dt. Entwicklerteam, was sich Großes fürs Genre vorgenommen hat. Auch Piranha-Bytes wollte mit Gothic 3 so einiges neu machen und hatte dann im Endeffekt noch nicht mal Frauen im Spiel, weil die Entwicklungszeit nicht ausreichte. Habt ihr angesichts eures immensen Vorhabens, gerade was die clevere KI (Gegner fliehen, wenn der Spieler zu stark ist, jeder NPC hat einen eigenen Tagesablauf) angeht, nicht öfter Zweifel, ob ihr dieses Feature so vielleicht nicht umsetzten könnt?
Wir stehen ja mit einigen Leuten von Piranha Bytes im guten Kontakt. Wir haben auch des Öfteren über die Kritikpunkte von Gothic 3 gesprochen, was uns in einigen Situationen vorwarnt. Aber die Grundphilosophie Klasse statt Masse, war für uns schon früher eine wichtige Philosophie.
Während die modernen RPGs auf möglichst viel Freiheit setzen und gigantisch große Welten erschaffen, haben sie wiederum das Problem diese riesige Welt mit Leben zu füllen. Letztendlich entstehen dann ein Haufen Zufallselemente und es fehlt die wirklich überzeugende Handlung. Das machen wir anders. Lieber einige Features weniger, aber diese dafür auch wirklich mit dem optimalen Spielspaß designen.
Ach ja und wo ihr das Thema Frauen erwähnt. Bei uns sind weibliche Charaktere ein wichtiger Bestandteil des Spiels. Felja , Bodyguard des hochelfischen General Tharolas und die Dame aus dem aktuellen Screenshot, ist z.B. eine gewandte Kriegerin. Sie gehört zu den „Liebschaften“, ein Gameplay-Element, dass vielleicht an die Romanzen aus Baldurs Gate 2 erinnert, bei uns allerdings noch vertieft wird. Die Frauen haben bei uns, wie alle anderen NPCs, auch eine ausgefeilte Persönlichkeit und stehen nicht nur rum, um eines Tages auf der Packung einer Spielebox zu landen.
?: Bei uns in der Redaktion gibt es einige eingefleischte RPG-Fans, ich zähle auch dazu. Planescape Torment hat mich damals, trotz gelungener Dialoge mit seinen Textwüsten abgeschreckt. Was mich daher besonders interessiert ist, ob ihr alle Dialoge im Spiel vertonen werdet und ob ihr euch dafür vielleicht ein paar bekannte Synchronstimmen an Land holt?
Planescape Torment ist in einigen Punkten sicherlich ein Vorbild für uns und wir vergleichen uns auch gerne mit diesem RPG, da wir ähnliche Schwerpunkte im Gameplay setzen. Neben der etwas hakeligen Steuerung waren die Textwüsten von Planescape Torment nicht gerade Massenmarkttauglich, aber wer sich darauf einließ, konnte dadurch extrem viel Atmosphäre erleben, wie bei einem guten Buch.
Man kann aber diese intensive Atmosphäre auch anders erzeugen. Unsere Dialoge sind z.B. darauf abgestimmt nicht zu lang zu sein, sondern möglichst „unterhaltsam“. Es gibt viele Kamerawechsel, die für zusätzliche Abwechslung sorgen. Das funktioniert sehr gut, wie ich finde, und die Tiefgründigkeit der Charaktere bleibt nicht aus.
Die Dialoge werden alle vertont, keine Frage. Die Dialoge sind ein Schwerpunkt unseres Spiels, also müssen sie auch möglichst gut rüberkommen. Es gibt schon einen sehr prominenten Synchronsprecher bei uns, der die Erzählerstimme in Grotesque spricht. Dabei handelt es sich um Till Hagen – die Stimme von Kevin Spacey. Vielleicht erinnert Ihr Euch an seine ironische Art in American Beauty – genau deshalb wollten wir ihn haben. Diese Sprachaufnahmen werden wir in den nächsten Wochen vielleicht mal vorstellen, die sind nämlich verdammt gut geworden. *euphorisch werd*
?: In eurem Interview mit Working-Title (R.I.P. – siehe unser Archiv in der rechten Leiste) gesteht ihr im Schlusssatz ein, dass ihr trotz aller Innovationen doch auf bekannte Genre-Elemente zurückgreift, damit ihr nicht komplett am Massenmarkt vorbei produziert. Glaubt ihr, dass sich dadurch eure neuartigen Ansätze nicht verwässern könnten?
Trotz aller Innovationen, die wir haben, wollen wir natürlich schon viele Käufer ansprechen und machen uns Gedanken über Einsteigerfreundlichkeit, Bedienung und frustfreien Spielspaß. Es wäre doch schlimm, wenn viele Spieler ein gelungenes Rollenspiel verpassen würden, weil sie in den ersten Minuten mit dem Handling nicht klar kommen, an einem schweren Rätsel hängen bleiben oder sich in Textwüsten verlieren.
Da denke ich sind wir auf einem guten Weg, um Hardcore-RPGler und Einsteiger zufrieden zu stellen. So ganz nebenbei denken wir ja auch noch, dass wir die weibliche Zielgruppe ansprechen – mal sehen was draus wird. Ein paar weibliche Fans haben wir ja schon ;)
?: Zu guter letzt fragt sich ein gewisser Herr aus unserer Redaktion übrigens immer noch, was es genau mit diesem Hühnchen da (Anm. d. Red.: <a href="http://www.rebell.at/rebell.shared/gfx/screenshots/grotesque/screenwt06.jpg" target="_blank">Hier drauf drücken, dann gehts zum Bild</a>) auf sich hat. Um Aufklärung wird an dieser Stelle dringend gebeten, der Gute kann kaum noch vernünftig durchschlafen.
Viele Tiere und Wildtiere in Grotesque dienen realen Vorbildern, aber wir wollten schon versuchen einige Fantasy-Elemente einzubauen. Ein weiteres Feature ist es Tiere zähmen zu können, ich bin ein großer Freund von Pets – hab ja selbst ein Hund, das musste also unbedingt rein. ;)
Wir möchten dir zu guter Letzt noch einmal für deine Zeit und Geduld danken und hoffen, dich nicht zu sehr mit unseren Fragen gelöchert zu haben.
Ach was, gerne in ein paar Monaten wieder. Noch ist ja etwas Zeit bis zu unserem Release 2008. Und ich würde mich freuen den Einen oder Anderen Leser mal in unserer Community zu sehen.
Es wird sicherlich interessant für Euch sein, zu sehen wie Grotesque wächst und gedeiht.