Bereits 1994 wurde die USK (Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle) gegründet, doch ins Rampenlicht rückte sie erst im Frühling vorletzten Jahres, als aus den vormals nett gemeinten Altersempfehlungen gesetzlich bindende Altersfreigaben wurden. Seitdem hat die USK die Macht darüber, was in Deutschland an wen verkauft werden darf – und was besser gar nicht erst veröffentlicht werden sollte. Denn wenn die USK einem Spiel die Kennzeichnung verweigert, droht die altbekannte Indizierung durch die BPjM (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien). Und dieses Risiko wollen nur die wenigsten Publisher in Kauf nehmen.
GTA für Jugendliche
Die neue Gestaltung des Jugendschutzgesetzes sorgte natürlich vor allem für eines: Planungssicherheit. Unvorhersehbare Indizierungen wie etwa im Falle von ‚Command & Conquer: Generals‘ sind nicht mehr möglich. Angesichts der Entscheidungsgewalt der USK lohnt es sich vielleicht, ihr ein bisschen auf die Finger zu schauen: Wie unabhängig ist die USK tatsächlich und wie genau werden die Spiele eigentlich getestet? Man denke an ein Spiel wie ‚GTA: San Andreas‘, für Publisher Take 2 das Zugpferd schlechthin, der Titel des letztjährigen Weihnachtsgeschäfts. Hätte ‚GTA: San Andreas‘ damals eine ‚ab 18‘-Freigabe bekommen, wären die finanziellen Einbußen für Take 2 enorm gewesen. Wie schon der Vorgänger ‚GTA: Vice City‘ (aber nicht wie ‚GTA 3‘) durfte ‚GTA: San Andreas‘ letztendlich aber an Spieler ab 16 Jahren verkauft werden.
Mit zweierlei Maß?<br />
Nachvollziehbar? Oder doch eher fragwürdig? Schließlich simuliert ‚GTA: San Andreas‘ eine reale Welt wie kein zweites Spiel. Töten ist in vielen Missionen der einzige Weg zum Erfolg, zudem kann der Spieler unschuldige Menschen jederzeit erschießen oder überfahren, ohne bestraft zu werden. Prostitution, Drogenhandel, der harte Slang der Protagonisten – das alles macht ‚GTA: San Andreas‘ zu einem Spiel, welches sich eindeutig an Erwachsene richtet. Aber dann doch an Jugendliche verkauft werden darf. Auf der andere Seite stehen Titel wie Eidos ‚Total Overdose‘, die keinen so großen Namen tragen, sich inhaltlich aber nur geringfügig von ‚GTA: San Andreas‘ unterscheiden. Oder ‚Leisure Suit Larry: Magna Cum Laude‘, dessen Humor zweifelsfrei unter die Gürtellinie abzielt, das davon abgesehen aber nur ein mäßig aufreizendes Comic-Sex-Spielchen ist. Begründet? Zufall? Zweierlei Maß?
Zeit ist Geld
Finanziell ist die USK spätestens seit der Änderung des Jugendschutzgesetzes nicht mehr von den Publishern abhängig. Zwar bezieht die Institution ihre Einnahmen aus den Prüfungsgebühren für die vorgelegten Spiele, doch da realistisch betrachtet kein Weg an einer Prüfung vorbeiführt, kann die USK bei „nicht zufriedenstellenden“ Ergebnissen in dieser Hinsicht nicht unter Druck gesetzt werden.
Ähnlich kritisch wie die Gleichheit der Spielebewertungen lässt sich der Aufwand sehen, mit dem die Spiele getestet werden. Während offiziell von fünf bis zehn Tagen pro Spiel die Rede ist, ließ sich vor rund einem Jahr bei Bungie lesen, dass ‚Halo 2‘ innerhalb weniger Stunden bewertet wurde – und noch dazu nur anhand der Präsentation eines Entwicklers.
Wie wird geprüft?
Laut USK-Prüfordnung werden die im Spiel „realisierten Ideen und Themen“ sowie „deren Umsetzung in Spieldynamik und Handlungsmuster“ auf eine „mögliche Entwicklungsbeeinträchtigung für minderjährige Nutzer und Nutzerinnen“ begutachtet. Die Natur des Mediums erfordert „eine Beurteilung des Prüfgegenstandes in ihrer Gesamtheit“. Vor allem die Verherrlichung des Kriegs ist dabei ein Dorn im Auge – das erklärt auch warum ein vergleichsweise harmloses Spiel wie LucasArts ‚Mercenaries‘ nur an volljährige Spieler verkauft werden darf. Geprüft wird ein Spiel im Normalfall von fünf Personen, darunter neben vier wechselnden Gutachtern ein ständiger Vertreter. Einer der Tester der USK bereitet eine Präsentation des Spiels vor, die Gutachter können jedoch auch selbst spielen. Das Ergebnis wird dann mit einer einfachen Mehrheit getroffen. Von Bedeutung sind dabei natürlich vor allem ‚Freigegeben ab 16 Jahren‘ und ‚Keine Jugendfreigabe‘ – alles darunter ist als Empfehlung für Eltern anzusehen.
Im Gespräch
Grund genug für uns, mal bei der USK selbst anzuklopfen: Wir sprachen mit Dr. Klaus-Peter Gerstenberger, dem Leiter der USK, über zweifelhafte Prüfungsentscheidungen, die Rolle der USK sowie die aktuelle Killerspielediskussion. Alles weitere entnehmt ihr unserem Interview auf der folgenden Seite.
Dr. Klaus-Peter Gesternberger ist seit 1998 Leiter der USK. Bei rund 2000 neuen Titeln, die pro Jahr in Deutschland erscheinen, muss der Soziologe den Überblick behalten und die USK glaubwürdig nach außen repräsentieren. Nur die wenigsten Spiele erhalten von der USK übrigens keine Jugendfreigabe: Im Vorjahr waren das gerade einmal 4 Prozent der geprüften Titel – während fast die Hälfte hingegen ganz ohne Altersbeschränkung erscheinen durfte.
Guten Tag, Herr Gerstenberger! Haben Sie eigentlich selbst noch heranwachsende Kinder und spielen diese Videospiele?
Ich habe drei Kinder, ein Junge ist auch dabei. Mit ihm spiele ich hin und wieder eine schöne Partie ‚Counter-Strike‘ – wenn er nicht gerade klettert. Mein Genre ist ansonsten eher das Adventure.
Wie beurteilen sie als Vater denn die Rolle der Eltern beim Thema Jugendliche und Videospiele?
Viele Eltern haben die Wunderwelt des digitalen Spiels noch nicht für sich entdeckt. Das wird sich ändern. Computerspiele sind über 30 Jahre alt. Die erste Generation der Gamer kommt jetzt selbst in die Elternrolle.
Spielen ist eines der ältesten Kulturgüter in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit. Sehen Sie auch das Spielen am Computer und Konsolen in dieser Tradition?
Unbedingt. Aber wir wissen noch gar nicht genau, was das Besondere am digitalen Spiel ist, wenn wir es als Kulturtechnik verstehen und in die Tradition anderer Spielarten stellen.
Die stärksten Kritiker von Titeln mit realer Darstellung von Gewalt sehen nach wie vor einen Zusammenhang von tragischen Katastrophen und Spielen als ursächlich an. Glauben Sie, dass Spiele aus normalen Menschen böse Menschen machen können?
Wer in digitalen Welten spielt, ist fasziniert von Problemkonstruktionen und Regelverabredungen. Die sind nur rudimentär moralisch. Teile den Ball auf keinen Fall mit denen aus der anderen Gruppe, schlage erst dann nicht weiter, wenn der andere zu Boden geht, wirf jeden aus der Bahn, wann immer du die Chance dazu hast. Da geht es um Fußball, Boxen, Mensch-ärgere-Dich-nicht. Das sind handgreifliche Spielewelten. Auch die machen uns weder „böse“ noch „gut“. Sie sind immer Teil einer bestimmten Biographie.
Aktuell werden in der politischen Diskussion Forderungen nach einem Verbot so genannter „Killerspiele“ immer lauter. Ist denn die Arbeit der USK mit ihrer Alterskennzeichnung auf einmal nicht mehr ausreichend genug zum Schutz junger Menschen?
Der zuständige Jugendminister, Armin Laschet, aus NRW sieht das anders. Sein aktuelles Statement findet sich unter www.usk.de.
Aber Sie sehen in dieser Diskussion um Spielverbote keine Gefährdung der Existenzberechtigung der USK?
Nein, das USK-System ist sehr wirksam und die Zusammenarbeit mit den deutschen Ländern klappt sehr gut. Das sehen die Länder auch so.
Trägt ihre Institution mit ihren Prüfergebnissen denn nicht selbst manchmal zu Irritationen bei? Man denke dabei an ein nicht gerade zimperliches ’GTA: San Andreas’, das ab 16 Jahren geeignet sein soll, während nur Erwachsene ein ’Leisure Suit Larry: Magna Cum Laude’ spielen dürfen?
Es wird immer Grenzfälle der Beurteilung geben. Die genannten Fälle sind aber meiner Ansicht nach nicht gut vergleichbar. Beim letzteren Titel ging es den Gutachtenden um die deutsche Übersetzung im Kontext eines Humors, der offenbar in Amerika anders ankommt. („Schindlers Luder“ findet sich unter anderem im Original.)
Verstehe. Können Sie sich erklären, warum nicht wenige Hersteller bei einer drohenden Ablehnung der Alterskennzeichnung vor einer Veröffentlichung in Deutschland lieber ganz zurückschrecken?
Seit 01.04.2003, also mit dem neuen Jugendschutzrecht, wurden über 6.900 Titel gekennzeichnet. 71 Mal wurde eine Kennzeichnung abgelehnt. In 19 Fällen wurden Titel dennoch auf den Markt gebracht. Die dürfen dann nur an Erwachsene abgegeben werden, sonst drohen Ordnungsstrafen bis 50.000 Euro. Zudem sind diese Titel nicht vor der Indizierung durch die Bundeseinrichtung BPjM geschützt. Das ist der wirksamste Jugendschutz weltweit, wenn wir auf demokratisch verfasste Gesellschaften schauen.
Kommen wir zu einem anderen Thema. Wie lange kann sich ein USK-Prüfer eigentlich mit einem Titel beschäftigen?
Wir garantieren fünf Werktage für die Eilprüfung, zehn Werktage für die Normalprüfung. Jeder Titel braucht unterschiedlich viel Zeit, bis er präsentiert werden kann. Dann hat unser Tester aber auch alle Lösungshilfen, das Handbuch und viele Zusatzinformationen des Publishers.
Gibt es regelmäßige Nachprüfungen von Titeln, von denen Sie bisher nur einen Teil sehen konnten? Oder handelt es sich bei Nachprüfungen nur um Stichproben?
Es gibt die vereinfachte Prüfung bei Umsetzungen auf andere Plattformen. Jeder Titel einer Reihe ist im Sinne des Gesetzgebers aber ein neuer Titel.
Ich meinte damit, ob es Nachprüfungen für Titel gibt, von denen Sie
aufgrund des Produktionsprozesses zum Prüfzeitpunkt nur eine Vorabversion
und noch nicht die finale Verkaufsversion sehen konnten. Finden also bei
unterschiedlichen Versionen (bei gleicher Plattform) abschließende
Nachtests statt?
Es gibt regelmäßig nur eine Prüfung, keine „Prozessbegleitung“, keine Wiederholungen. Der Publisher reicht gemäß Grundsätzen die Beta-Version ein, also die geplante Verkaufsversion. Das Final hinterlegt er nach der Veröffentlichung anschließend in Europas größtem Archiv für digitale Produktionen bei der USK. Erst dann ist der Prüfvorgang abgeschlossen.
Die USK bezeichnet sich als Agentur der Öffentlichkeit. Wie genau funktioniert die Öffentlichkeitsarbeit der USK?
Durch unsere Website, unsere Fair-Play-Plakate, unsere Zusammenarbeit mit der www.zavatar.de – der Datenbank für Unterhaltungssoftware, durch die [email protected] mit hunderten Anfragen im Monat, durch die GC-Auftritte der USK und die enge Zusammenarbeit mit dem Computerspielemuseum (www.computerspielemuseum.de) und durch Interviews für working-title.
Herr Dr. Gerstenberger, ich möchte mich recht herzlich für das Gespräch sowie die Beantwortung meiner Fragen bedanken!