Wer ein Spiel wie ’Spellforce’ entwickelt, der muss eigentlich sehr schlau sein. Denn wenn ein Titel gleich zwei an sich sehr unterschiedliche Genres vereint, dann spricht er doch praktisch zwei Zielgruppen an. Irgendwie hat das damals bei dem ersten Teil aber nicht so recht klappen wollen. Ob das jetzt ’Spellforce 2: Shadow Wars’ besser macht?
Derzeit bin ich im Hinblick auf meine Genrevorlieben ein sehr glücklicher Spieler – ganz im Gegensatz zum vergangenen Jahr. Eigentlich bin ich gerade noch immer dabei, die ’Obllivion’-Welt von allen Bösewichten zu befreien, da brennt es schon wieder in einem anderen Land an allen Ecken und Enden. Ein unheiliges Bündnis der Schatten und Dunkelelfen bedroht diesmal das Märchenreich in ’Spellforce 2: Shadow Wars’ – und der Spieler soll es wieder richten. Entwickler Phenomic schickt uns also im Sequel erneut in einen Mix aus Action-Rollenspiel und Echtzeitstrategie. Wie das in der Praxis funktioniert? Nun als Grundlage dienen dazu die aus dem Strategiebereich gemeinhin bekannten Karten; im Falle von ’Spellforce 2’ zusätzlich gespickt mit NPCs, Quests und Schätzen. Abwechselnd hangelt man sich entweder mit seiner Heldentruppe über Aufträge durch die insgesamt durchaus spannend erzählte und üppige Hintergrundgeschichte oder stellt eine Streitmacht gegen die anderen Völker oder sonstige Monsterbrut im Strategiepart auf.
Das ist Rollenspiel
Nehmen wir uns zuerst einmal die Rollenspielseite vor: Wer sich schon ein wenig in der Landschaft herumgetrieben hat oder gerne unterwegs NPCs nach lukrativen Aufträgen ausfragt, bekommt beim Aufschlagen des Abenteurerhandbuchs gleich den ersten Schock versetzt. Die Entwickler glaubten wohl, dass der Durchschnittsmensch sich nicht den drei Meter langen Weg von einer Person zur nächsten merken kann. Deshalb werden für solche „Aufgaben“ bei unzähligen weiteren Gelegenheiten glatt eigene Questes eröffnet und nach drei Sekunden als erledigt signalisiert. Das Buch ist dementsprechend bis zum Platzen mit sinnlosen Einträgen gefüllt. Ebenso trägt die Unterteilung in Akte, Kapitel und was weiß ich noch alles bis ins kleinste Detail der Hintergrundstory zu einem Verlorenheitsgefühl bei, das Seinesgleichen sucht. Sorry, aber so viele kleine Erfolgserlebnisse müssen dann auch nicht sein.
Ansonsten bietet der Rollenspielteil im Prinzip genau das, was man sich von einem herkömmlichen Action-Rollenspiel erwartet: Schnell ablaufende und mit diversen grafischen Effekten verzierte Kämpfe. Das ermöglicht ein erfreulich einfach gehaltenes Fertigkeitensystem, mit dem auch ein Anfänger überhaupt nicht viel falsch machen kann. Die zur Party stoßenden Mitglieder geben grundsätzlich vor, ob sie den Weg des Kampfes oder der Magie einzuschlagen gedenken und der Spieler verhilft ihnen auf Wunsch bei der Verfeinerung ihrer Karriere. Auch der dritte Punkt beliebter Action-Rollenspiele ist durch die zahlreichen vorkommenden Gegenstände im Spiel in durchaus angemessener Weise vertreten: Die Befriedigung des gemeinen Jäger- und Sammlertriebs.
Auf der anderen Seite wird man jedoch keine bahnbrechenden neuen Elemente für dieses Genre finden und ausbrechen aus dem vorgezeichneten Charakterschicksal kann man schon gar nicht. Verfechter klassischer Rollenspiele werden unabhängig von der mittelprächtigen Qualität des hier gebotenen Action-Rollenspiels mit ‚Spellforce 2‘ wenig anfangen können. Da hilft auch die kosmetische Option der Schulterperspektive, mit Hilfe derer man sich von einer Schrägansicht in die Ego-Perspektive schalten kann.
Das ist Strategie
An manchen Stellen der Story reicht einfach der heldenhafte Einsatz einiger weniger nicht mehr aus, um der Bedrohung der Schatten Herr zu werden. Dann sind ausgewachsene Streitmächte gefragt. Im Gegensatz zum durchschnittlich gut ausgefallenen Rollenspielteil, muss man bei den Echtzeitstrategie-Missionen schon erhebliche Abstriche im Vergleich zu den Genrevorreitern hinnehmen: Das Spektrum der unterscheidbaren Einheiten ist ziemlich dürftig, langweilig gestaltete Gebäude, keine Formationen, kein Einsatz von Physik-Effekten, ein heilloses Durcheinander der Truppen in der Schlacht. Was den Strategiepart von anno dazumal jedoch wieder interessanter macht, ist, wenn sich Missionen mit kleinen Nebenquests auf der gespielten Karte vermischen. Dennoch ist das Strategiegameplay im Großen und Ganzen nicht mehr zeitgemäß.
Immerhin trifft das nicht auf die Technik zu. Während die schöne Optik der Spielwelt den Spieler glaubhaft vergessen lässt, dass er sich eigentlich „nur“ auf auswechselbaren Karten fortbewegt, weckt die Musik aber stellenweise Abwehrreaktionen in mir. Langsam kann ich die so typischen Geigenmelodien einer ’Der Herr der Ringe’-Interpretation eines Peter Jacksons nicht mehr hören. Nichtsdestotrotz wäre es ungerecht, zu behaupten, der komplette Soundtrack von ’Spellforce 2’ wäre schlecht. Das ist er wahrlich nicht, denn der Rest zeugt von gelungenen Kompositionen.
Und was bringt der ganze Brei?
Um die Frage von vorhin zu beantworten, ob der Genre-Mix von ’Spellforce 2: Shadow Wars’ als gelungen zu bezeichnen ist, beschreibe ich hier einmal das Endprodukt: Wer sich ’Spellforce 2’ zulegt, der bekommt einen mittelmäßig schmeckenden Brei aus zwei höchstens durchschnittlich schmackhaften Einzelzutaten. Erfahrene Spieler, die mit diesem Spiel nicht schon wieder das sehen wollen, was sie schon in zig anderen Action-Rollenspielen und Strategiespielen sowieso schon weitaus besser gesehen haben, sollten sich den Kauf des Titels mindestens dreimal überlegen. Punkten können vor allem die Präsentation und die Story, die eine lange Beschäftigung garantiert. Jemand, der nicht die allerhöchsten Ansprüche stellen muss, bekommt mit ’Spellforce 2: Shadow Wars’ jedoch zwei Spiele zum Preis von einem inklusive eines schnell zu überschauenden Gameplay und wird sicher seinen Spaß daran haben.