Postmortem

Postmortem – Nur eine Person stirbt

Es ist das späte 19. Jahrhundert im bürgerkriegsgebeutelten Galicia. Die Richtung, in die sich das Land entwickeln wird, entscheidet sich an einem Abend auf einer Cocktailparty. Ihr seid ein Sensenmann ohne Sense, der diese Gala besucht. Und euer Auftrag ist simpel: Ihr müsst ein Leben nehmen.

Postmorten ist kein kompliziertes Spiel. Theoretisch kann es nach Sekunden vorbei sein. Ihr könnt das Haus betreten, die erstbeste Person ausradieren und das Spiel endet. Aber – und das ist der wesentlich unterhaltsamere Weg – es kann auch eine gute Stunde dauern, bis ihr eure Wahl trefft, wenn ihr die Räume des Anwesens und Jackentaschen durchsucht, Zeitungsartikel lest und mit den zwei handvoll Besuchern dieser elitären Veranstaltung sprecht. Ihr lernt dabei etwas über deren politische Einstellungen, diskutiert auch darüber und beeinflusst ihre Haltungen je nachdem, was ihr ihnen sagt. Sie erzählen euch von ihrem Leben und am Ende müsst ihr eines davon auslöschen – und dann erfahrt ihr die Konsequenzen davon. Wie geht es mit dem Land weiter? Welche Auswirkungen haben eure Entscheidungen? Welchen Unterschied macht ein einzelnes Leben auf das aller anderen im Land?

Allzu leicht macht euch Postmortem die Entscheidung nicht, denn die sympathischen und unsympathischen Eigenschaften der Charaktere halten sich in der Waage. Auch die politischen Argumente werden geschickt auf eine Weise präsentiert, die nur radikalisierte Menschen einfach in Gut und Böse einordnen können werden. Im Wesentlichen geht es in Galicias Bürgerkrieg um den Kampf zwischen Tradition und Modernität, zwischen wirtschaftlichem Fortschritt mit Ungewissheiten über ihre Auswirkungen und dem Bewahren des Verstaubten, das aber irgendwie funktioniert. Sollen Frauen arbeiten dürfen? Soll man Migration zulassen? Sollen Reformer Gewalt anwenden? Es ist ein herrliches Spiel für politisch Interessierte oder Spieler, die es einfach gerne mögen, wenn ihnen die Konsequenzen ihres Handelns aufgezeigt werden. Ich werde es definitiv noch ein zweites und drittes Mal durchspielen.

Natürlich merkt man Postmortem an, das es von einem kleinen Indie-Team entwickelt wurde. Es ist grafisch zweckmäßig präsentiert aber musikalisch würdig untermalt und gibt euch am Ende die Möglichkeit, eure Entscheidungen mit dem Rest der Welt zu vergleichen. Auf der Postmortem-Webseite bekommt ihr das Spiel dafür auch gratis. Eine etwas aufgebohrte Version mit einem zusätzlichen Charakter könnt ihr gegen eine freie Spende erstehen – und ein paar Kröten ist das Spiel von Jakub Kasztalski, bei dem auch der gelegentliche Schmäh nicht zu kurz kommt, auf jeden Fall wert. Wer es so wie ich mag, kann ihm ja auch helfen, das Spiel auf Steam zu greenlighten (Update 10.12.: Postmortem ist jetzt auf Steam). Und sei es nur, damit das hervorragende kleine Konzept auch eine Fortsetzung findet,

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