Crowdfunding ist eigentlich etwas sehr nettes, so in der Theorie. Leute, die spannende Ideen haben, aber von den üblichen Financiers kein oder zu wenig Geld bekommen, um sie zu verwirklichen, wenden sich an die Allgemeinheit im Web. Diese springt als Investor ein und bekommt dafür meist die Gelegenheit, ein kommendes Produkt günstiger zu erhalten oder zumindest das gute Gefühl, ein nettes Projekt unterstützt zu haben.
Risiko
Bleiben wir bei Waren. Hier ist das ganze mit einem gewissen Risiko verbunden. Egal ob Elektronik, Brettspiele oder Videogames – es besteht immer ein gewisses Risiko, dass etwas nicht klappt und das Investment dahin ist. Anspruch auf Rückerstattung gibt es nicht. Und neben vielen tollen verwirklichten Dingen gibt es auch eine beachtliche Liste an Projekten, die nie fertig gestellt wurden.
Als Vermittler zwischen Projektteam und Online-Geldgebern tragen Crowdfundingplattformen daher eine gewisse Verantwortung. Im Consumer-Bereich ist das größte Portal Kickstarter, das seit wenigen Wochen auch eine Deutschland-Abteilung hat. Hier wurden schon schräge Dinge wie der Coolest Cooler geboren und es ermöglichte die Produktion von Spielen wie Elite: Dangerous oder Broken Age.
Comet, das Highend-Smartphone
Während bei manchen Projekten die Abschätzung des Realisierungspotenzials schwierig ist, gibt es aber auch Kampagnen, die sich sehr offensichtlich als Blödsinn erkennen lassen. Das neueste Crowdfunding-Projekt aus der Bullshit-Riege ist „Comet“, ein wasserdichtes Smartphone mit Highend-Hardware, das schwimmen können soll.
https://www.youtube.com/watch?v=wK3U_JuRxB0
Grundsätzlich müsste es eigentlich jeden Menschen mit ein wenig technischem Verstand vor Lachen vom Stuhl werfen, wenn er die Rendergrafik des Mobiltelefons betrachtet. Aus dem flachen Gerät in etwas seltsamer Form ragen nämlich drei Flossen. Laut Beschreibung klappen diese sich aus, sobald das Handy mit Wasser bedeckt ist, und sorgen für Auftrieb. Abgesehen davon, dass diese Flossen sich nicht glaubwürdig in dem Gehäuse unterbringen lassen, ergibt das physikalisch keinen Sinn.
Unrealistische Hardware-Angaben
Das wäre aber längst nicht die einzige Ungereimtheit. Im Vorstellungsvideo, das übrigens im Original am 1. April *hinthint* auf Youtube online ging, wird viel darüber geredet, welche tollen Techniker man an Board habe, aber keine Namen oder Backgrounds verraten. Recht eindeutig scherzhaft gemeint sind dann auch Beschreibungen der Kamera wie „We have time-lapse, slo-mo, pano and whatnot“ („Wie haben Zeitraffer, Zeitlupe, Panorama und was auch immer“).
Mit einem Snapdragon-810, vier GB Arbeitsspeicher, zwei Kameras mit 16 Megapixel und einem 2K-Display (2.560 x 1.440) hätte das Gerät, das abseits der Early Bird-Angebote ab ca. 350 Dollar (315 Euro) angeboten wird, absolute Highend-Hardware verbaut. Die Fertigung soll laut Fake-Roadmap im Januar beginnen, selbst bei optimistischen Annahmen für den Preisverfall der Komponenten geht die Rechnung nicht auf. Von exotischen Zusatzkomponenten, wie einem Sensor, der die Laune des Users erkennen soll, ganz zu schweigen.
Seltsamer „Prototyp“
Zudem wäre es für den Fertiger eine Bestellung mit niedrigem Volumen, die nur gegen zusätzliches Entgelt ausgeführt werden (ein Grund, warum die Fairphone-Macher bei ihrem ersten Gerät auf ein generisches Grunddesign zurückgegriffen haben). Und Hardware und Software entwickeln sich ebenfalls nicht gratis. Immerhin soll ja auch ein Messenger (Bubble) vorinstalliert sein, der exklusiv Comet-Nutzern vorbehalten sein soll.
Dann gibt es auch noch Fotos eines angeblichen Prototypen, die natürlich allesamt extrem verwaschen sind. In einem Video, das die Wasserdichtigkeit belegen soll, taucht außerdem ab Sekunde 14 ein Handy auf, dass dem „Comet“-Rendering nicht im geringsten ähnelt, dafür aber äußerlich und auch – soweit erkennbar – in puncto Systemoberfläche dem ersten Sony Xperia Z ausgesprochen ähnlich sieht. Die Xperia Z-Reihe ist bekannt für Wasserdichtigkeit.
Zu erwähnen sei auch noch der unrealistische Zielbetrag von 100.000 Dollar. Für die Entwicklung eines Smartphones ist dieser Betrag nicht einmal ein Tropfen auf den heißen Stein. Fairphone hat damals 5.000 Vorbestellungen benötigt, um das eigene Handy produzieren zu können. In Geld ausgedrückt waren das 1.625.000 Euro (vor Steuern).
Scherz oder Betrugsversuch?
Unklar ist, in welchem Zusammenhang die Videomacher mit der Kickstarter-Kampagne stehen. Der Werbeclip kam ursprünglich von einem Account namens CAT Entertainments und wurde einen Tag später auch vom Comet-Konto hochgeladen. Dazu gibt es auch eine halbwegs professionelle Website und ein paar Social Media-Profile angeblicher Mitarbeiter.
In ein paar Techmedien ist das Projekt bereits aufgeschlagen, wobei positiver Weise fast alle vor dem Hoax warnen. Einzelne haben die Angaben von der Comet-Website (die halbwegs professionell gestaltet ist und ein paar einigermaßen glaubhafte Social Media-Profile der Firmenleitung präsentiert) und dem Kickstarter allerdings komplett unkritisch übernommen. Insgesamt steht die Kampagne bei 20.000 Dollar und läuft noch einen Monat – der Zielbetrag könnte also durchaus erreicht werden.
Schweres Versagen
Natürlich bleibt zu hoffen, dass Kickstarter vorher einschreitet oder die Betreiber den Scherz selber enttarnen (sofern sie keine bösen Absichten hegen und hier wirklich ahnungslose Internetnutzer abzocken wollen).
Zu beantworten bleibt aber die Frage, ob es bei Kickstarter überhaupt so etwas wie einen Glaubwürdigkeits-Check für neue Projekte gibt. Zwar müssen die Initiatoren einer Crowdfunding-Kampagne selbst Angaben zu etwaigen Risiken machen (die bei Comet ziemlich nichtssagend sind), trotzdem sollte es aber auch ein Mindestmaß an manueller Kontrolle geben.
Das ist offenbar nicht der Fall. Denn sonst hätte das Aprilscherz-Smartphone dort niemals an den Start gehen dürfen. Mit der Freischaltung solcher Projekte schadet Kickstarter seiner eigenen Glaubwürdigkeit massiv.