John Cooper kehrt zurück.

Wenn man mich fragen würde, was denn für mich der beste Echtzeit-Taktiktitel sei, dann wäre ohne langes Zögern ‚Desperados‘ die Antwort. Das ist nämlich nicht nur ein Bier-Mix-Getränk und eine Dortmunder Ultra-Vereinigung, sondern auch ein im Jahre 2001 erschienenes PC-Spiel von Spellbound, welches das aus ‚Commandos‘ bekannte Gameplay verfeinerte und in den Wilden Westen übertrug. Mit ‚Robin Hood‘ und ‚Chicago 1930‘ versuchte Spellbound in den folgenden Jahren an den Erfolg des Original anzuknüpfen, was aber nicht so recht gelang – weshalb jetzt ‚Desperados 2‘ in den Läden steht.

Coopers Rückkehr
Das Spielprinzip des Vorgängers ist dabei im Wesentlichen erhalten geblieben: Ihr steuert bis zu sechs Charaktere durch recht weitläufige Umgebungen wie etwa eine Stadt, eine Festung oder einen Canyon. Es gilt, verschiedene Missionen zu erfüllen; beispielsweise einen Gefangenen zu befreien oder auch einen bestimmten Gegner aus dem Verkehr zu ziehen. Klingt simpel, ist es aber nicht. Denn zum einen wimmelt es in den Levels nur so von schießwütigen Widersachern, zum anderen segnet ein Charakter schon nach zwei, drei Treffern das Zeitliche – und dann ist die ganze Mission gelaufen, da jeder am Ende überleben muss.

Also ist bedachtes, taktisches Vorgehen gefragt und da kommt es euch zu Gute, dass jede der sechs Figuren über besondere Fähigkeiten verfügt. Hauptcharakter John Cooper ist ein Revolverheld wie er im Buche steht, Kate O’Hara, das einzige weibliche Mitglied der Gruppe, kann Männer mit einem kleinen Flirt ablenken und betäuben, der Doc wirft „Schlafbomben“, Sanchez stellt Fallen und so weiter und so fort. Mit dem Indianer Hawkeye gibt es sogar einen ganz neuen Charakter, was an der guten Balance der Figuren untereinander aber nichts ändert: Alle Spezialfähigkeiten werden irgendwann mal gebraucht und ohne Nachdenken vor dem Handeln geht taktisch schon mal gar nichts.

Wer sucht, der findet
Auch die verschiedenen Umgebungen sind Spellbound sehr schön gelungen. ‚Desperados 2‘ vermittelt echtes Western-Feeling und der faire Levelaufbau zwingt bzw. verleitet euch nur ganz, ganz selten zu offenen, unkontrollierten Schusswechseln. Mit ein wenig Geduld findet sich für fast jeden Gegner ein Weg, ihn zu umgehen oder lautlos und unauffällig zu beseitigen. Leider orientiert sich die künstliche Intelligenz allerdings ein bisschen zu sehr an albernen Western-Filmen. So kann es schonmal vorkommen, dass euch ein Gegner nach dem anderen vor die Flinte läuft, weil sie die Bedrohung stellenweise selbst dann nicht wahrnehmen, wenn bereits ein halbes dutzend Kollegen an dieser Stelle ausgeschaltet wurden. Wozu also noch ruhig und bedacht agieren, wenn es gar nicht nötig ist?

Oh weh, 3D
Das größte Problem von ‚Desperedos 2‘ ist jedoch ein anderes: Die 3D-Grafik und die damit verbundenen „Innovationen“. In der aus dem Vorgänger bekannten isometrischen Ansicht, schlagt ihr euch lange mit der problematischen Kamera herum, was das Spielen mitunter zur Qual macht, weil ihr Gegner überseht oder die Kamera nicht schnell genug in den richtigen Winkel drehen könnt, um den Überblick zu behalten.

Noch schlimmer ist, dass es als Alternative zur isometrischen Ansicht nun eine Schulterperspektive gibt, welche euch die Charaktere wie in einem Stealth-Shooter steuern lässt – nur erreicht ‚Desperados 2‘ mit diesem „Bonus-Feature“ logischerweise nicht die Qualität eines ‚Splinter Cell‘, es macht das Spiel damit sogar eher kaputt. Denn im Prinzip könnt ihr häufig mit einem einzigen Helden durch das Level rennen, einen Gegner nach dem anderen auf’s Kreuz legen und dann die anderen nachholen. Taktisches Vorgehen? Zeitverschwendung! Jetzt könnte man natürlich sagen, man müsse die Schulterperspektive ja nicht benutzen, wenn man das nicht wolle. Völlig richtig. Aber mal ehrlich: Wenn es die Möglichkeit gibt, dann verwendet man sie auch. Und wenn es nur dazu ist, um an einer einzigen schwierigen Stelle vorbeizukommen.

Zu viele Schwächen
Ich könnte noch viel mehr Negatives über ‚Desperados 2‘ schreiben; dass das Budget offenbar nicht für echte Zwischensequenzen sondern nur für miese Standbilder ausgereicht hat, dass vor allem das Sichtkegel-System inkonsequent und veraltet ist, dass es einige Bugs hat… Aber das würde dem Spiel nicht gerecht werden, dann es hat auch die bereits erwähnten guten Seiten. Die Sache ist einfach, dass Spellbound im Grunde nur eine große Neuerung für ‚Desperados 2‘ entwickelt hat: 3D-Grafik. Und genau die funktioniert eben nicht so, wie man es sich vielleicht vorgestellt und gewünscht hat. Kann das Spiel dennoch Spaß machen? Ja, zweifellos: Wenn man auf die Schulterperspektive verzichtet, sich an die Kamera gewöhnen und über eine schwache KI hinwegsehen kann, dann ist ‚Desperados 2‘ nicht so viel schlechter als sein Vorgänger. Aber eine Enttäuschung ist es allemal.

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