Lange hat’s gedauert, oft wurde es verschoben: Peter Molyneux ließ sich reichlich Zeit, um The Movies bis ins Detail auszuarbeiten. So lässt es zumindest die Entwicklungszeit von mehr als drei Jahren hoffen. Ob The Movies dabei wirklich der Traum kreativer Freiheit geworden ist, den Molyneux oft genug herbeibeschworen hat, wird unser ausführlicher Test offenbaren.
Hollywood in den Kinderschuhen
Wir schreiben das Jahr 1920, die Filmbranche steckt noch in den Kinderschuhen, Hollywood heißt noch nicht Hollywood und ihr seid mitten drin in diesen Pioniertagen. Mit einem kleinen Haufen Geld, etwas Wagemut und einer gehörigen Portion von wildem Entdeckergeist macht ihr euch auf den Weg dafür zu sorgen, dass die Bilder nie das Laufen verlernen.
Eure Kreativität könnt ihr zu Beginn eurer Karriere als Studioboss jedoch gleich erst mal auf Urlaub schicken. Ihr habt schließlich wichtigere Dinge zu tun, als ein komplexes Drehbuch zu entwickeln. Damit ihr auch erst gar nicht auf die Idee kommt, euch selbst künstlerisch zu betätigen, habt ihr am Anfang nicht die Möglichkeit ein eigenes Skript zu entwerfen. Keine Panik, Langeweile kommt trotzdem nicht auf. Einigermaßen talentierte Schauspieler wollen erst einmal gefunden werden, dann muss ein vorgefertigtes Drehbuch her und der Mann hinter der Kamera darf natürlich auch nicht fehlen. Habt ihr diese Hürden erst einmal genommen, geht’s auf zum Casting, danach wird gedreht.
Zu Beginn müsst ihr euch noch mit einer spärlichen Bühne als Ort der Handlung begnügen. Auch vom Drehbuch dürft ihr euch nicht zu viel erwarten. Mehr als zwei eher unsinnig aneinander gereihte Szenen samt einem stümperhaft agierenden Schauspieler bieten weder Drehbuch noch euer erster Film. Trotzdem kommt so erst mal genug Geld in die leeren Kassen, um weitere Kulissen zu bauen und unsere Darsteller besser zu fördern.
The Sims lässt grüßen
Eben diese stellen mit fortschreitendem Karriereverlauf immer höhere Ansprüche. Ist das Greenhorn anfangs überhaupt froh in einem Film mitspielen zu dürfen und dafür ein kleines Entgelt zu bekommen, mutiert ein ausgewachsener Star bald zu einem richtigen Stück Arbeit. Unsere Diva will sich schließlich ihren Magen nicht mit billigem Fastfood verderben, man pflegt in edlen Restaurants und Bars abzusteigen. Wenn man dann mit dickem Magen zum Set erscheint, hat man natürlich keine große Lust mehr sich um Kleinigkeiten zu kümmern. Wofür gibt es schließlich willfährige Assistenten? Ganz nebenbei bettet sich unser Star natürlich nur im momentan besten Wohnwagen, bei angemessener Bezahlung versteht sich.
Geht man diesen Wünschen nicht nach, sinkt zum einen die Arbeitslaune, zum anderen wird euer Sternchen nie übers Laienniveau hinaus kommen. Schließlich bestimmen genau diese Punkte die eigentliche Sternchen-Wertung. Wer hier nur ein bis zwei der möglichen fünf Sterne erreicht, zieht kaum Publikum an und trägt somit wenig zum Erfolg des Films bei.
Dieses Mikromanagement ist also erforderlich um überhaupt einen guten und finanziell erfolgreichen Film auf die Beine stellen zu können. Außerdem bestimmen die Anzahl der Stars sowie deren Können einen Teil eurer Studionote. Je mehr berühmte Stars ihr unter Dach und Fach halten könnt, um so bekannter und hoch dotierter wird auch euer Studio.
Hektischer Alltag
Haben wir unsere Stars gut versorgt kümmern wir uns um einen anderen wichtigen Zweig von The Movies: eurem Gelände. Nur wer dieses mit ordentlich Grünzeugs bestückt, durch ein ausgeklügeltes Netz an Wegen gut erschließt und seinen Angestellten oft genug die Möglichkeit gibt, ihre Notdurft zu verrichten, wird mit einer guten Bewertung belohnt. Dies geht, wie auch die Stars, wiederum in die Studionote ein.
Wir haben also genug zu tun. Das Gelände muss nett bepflanzt werden, nebenbei wollen die Stars bei Laune gehalten werden und man darf natürlich nicht die aktuellen Produktionen außer Acht lassen. Dies sorgt meistens für Hektik auf dem Screen. Zum Glück kann man das Spiel jederzeit pausieren um neue Kulissen oder Studioeinrichtungen zu bauen. Unverständlich ist es da, dass man im Pause-Menü Gebäude nicht abreißen kann.
Aber genug gemeckert, meine neueste Produktion ist fertig. Darf ich vorstellen: „Die drei Rebellen vom Ösi-Tal“, eine dramatische Liebesgeschichte mit Besux, suit und gray in den Haupt- bzw. Nebenrollen. Erstmals übrigens mit neuestem Digitalsound und mit noch schärferem Bild, dank hochauflösender Kameras. Klar, dass bei so einem Meisterwerk gleich ein gutes Dutzend neuer Kulissen zum Einsatz kommt. Denn merke, für einen guten Film braucht es vor allem folgende Zutaten: neue Kulissen, gute Schauspieler, eine versierte Crew, einen erfahrenen Regisseur, die neueste Technik (muss per Labor immer wieder neu entdeckt werden), eine perfekt auf den Film abgestimmte PR und ein gutes Drehbuch.
Kreative Freiheit unnütz?
Letzteres muss übrigens nicht durch eine zusammenhängende und brillante Geschichte glänzen. Es reicht schon, dass möglichst viele Kulissen verwendet werden und alle Rollen gut besetzt sind. Wer sich dennoch die Mühe macht und ein eigenes Drehbuch entwickelt, wird recht schnell enttäuscht feststellen, dass seine Eigenkreation mit 23 Szenen und zig Komparsen nicht nur arg teuer geraten ist, sondern auch bei den Kritikern nicht mehr Anerkennung als sein letztes amateurhaft zusammengeschustertes Werk bekommen hat.
Solch ein Experiment kann weniger gut situierte Studiobosse übrigens auch in den Ruin stürzen. Um im Wettbewerb mit anderen Studios bestehen zu können, gilt es Filme wie am Fließband zu produzieren. Gerade neue Kulissen, sowie die später exorbitant hohen Gagen euer Filmdiven fressen einen großen Batzen euer Gewinne. Dennoch sollte man, eine gut geschmierte Kette an Neuveröffentlichungen vorausgesetzt, nicht unschuldig in finanzielle Engpässe geraten.
Schauspieler, wo seid ihr?
Finanziell kann euch so schnell also nichts aus der Bahn werfen und auch sonst läuft euer Studio wie am Schnürchen. Tja, dumm nur, dass eure Stars mit der Zeit altern und irgendwann in den Ruhestand gehen. Wer sich nicht früh genug um schauspielerischen Nachwuchs gekümmert hat wird somit bald Probleme haben, überhaupt noch einen Schauspieler oder Regisseur zu finden. Denn anders als im realen Leben, wo mehr oder weniger hoffnungsvolle Talente die Türen der Filmstudios einrennen, herrscht bei The Movies ein dauerhafter Personalmangel vor.
So verirren sich nur sehr selten neue Aspiranten vor die Tore eurer Schauspielschule. Umso wichtiger ist es da, die alten Haudegen immer bei guter Laune zu halten. Das hat auch den Vorteil, dass ältere Schauspieler in den einzelnen Genres besser ausgebildet sind als jüngere Kollegen und somit den Film besser unterstützen können.
And the Oscar goes to…
Wie erfolgreich euer Studio ist seht ihr nicht nur an der aktuellen Studiowertung, die sich, wie schon beschrieben, aus euren Filmen, eurem Studiogelände, eurem Budget, und euren Stars zusammensetzt, sondern auch an der alle fünf Jahre stattfindenden Preisverleihung.
Hier werden jedes Jahr das Studio mit dem besten Film, dem erfolgreichsten Star usw. ausgezeichnet. Dabei kommt jedes Jahr eine neue Kategorie dazu, in der euer Studio mit einem Preis geadelt werden kann. Auch die Anzahl eurer Preise fließt wieder in die Studiowertung ein.
Oscarreif – wenn wir schon einmal bei diesem Thema sind – ist übrigens auch die Präsentation von The Movies. Selten sah eine Wirtschaftssimulation so gut aus. Wer will kann bis ins kleinste Detail hineinzoomen und bekommt dabei jede Menge fürs Auge geboten. Da mixt der Kellner einen Longdrink, das Wasser in einer Lagune plätschert idyllisch vor sich hin, eine U-Bahn rast schnell durch eine Kulisse und ein Actionstar trainiert seinen Bizeps. Dazu dudelt die recht unauffällige Hintergrundmusik und fern am Horizont hört man vom hektischen Treiben beim Dreh zum neuesten Streifen „Die drei Rebellen vom Ösi-Tal – Heute wird zurückgeschossen“.
Pimp my Movie
Es gibt noch unendlich viele andere Dinge zu tun bei The Movies. So wollen trink- und esssüchtige Stars therapiert, etwas in die Jahre gekommene Sexsymbole via Schönheitsoperation attraktiver gemacht werden und einem Schauspieler sein hässliches 50er-Jahre-Dress gegen einen modernen 70er-Jahre Anzug getauscht werden. Und das ist bei Weitem noch nicht alles. Wer meint, dass seine neueste Produktion etwas fad ausgefallen ist, kann diese in der Postproduction noch nachhaltig verändern.
Ulkige Soundeffekte, selbst aufgenommene Sprechakte, teure Specialeffects und noch vieles mehr ist möglich. Dies alles aufzuzählen würde diesen eh schon verdammt langen Test noch länger machen, somit spare ich mir das an dieser Stelle einfach mal und verliere abschließend noch ein paar Worte zur Steuerung und zur Onlinefunktion.
Mit letzterer kann man seine Machwerke für jedermann einsehbar ins Internet stellen und vom Publikum eingehend beurteilen lassen. Auf dem Weg zu einem dieser hoffentlich grandiosen Machwerke greift einem die ungewöhnliche, ansatzweise aus Black & White bekannte Steuerung, gut unter die Arme. Will man einen Schauspieler einstellen, oder ihn irgendwo hin befördern, so grabscht man sich den guten Herr oder die gute Dame einfach und lässt sie da wieder runterplumsen, wo man sie hinhaben wollte. Nur das Baumenü bedient man nach wie vor nach der altmodischen Methode: Gebäude auswählen, Platz aussuchen, Gebäude platzieren, fertig. Ärgerlich nur, dass das Studiogelände nicht groß genug ist um alle Gebäude und Kulissen zu beherbergen. So wird man dazu gezwungen, lieb gewordene Szenerien einfach zu verkaufen. Naja, wenigstens gibt’s dafür Geld…
The Movies fesselt anfänglich ungemein. Man fühlt sich wie ein kleines Kind und probiert erstmal wild drauf los. Wenn man dann endlich das erste eigene Drehbuch schreiben kann und dann das Resultat sieht, freut man sich wie ein Schnitzel.
Aber genau an diesem Punkt fing The Movies an, mich zu enttäuschen. Klar, die Möglichkeit sein eigenes Drehbuch zu schreiben ist schön. Leider ist es egal, ob man sich damit viel Mühe gibt und eine interessante Geschichte entwickelt, oder einfach nur ein paar Szenen mit unterschiedlichen Kulissen aneinander klatscht. Warum Peter Molyneux hier nicht etwas mehr Realitätstreue walten ließ ist mir ein Rätsel.
Nervend finde ich zudem, dass ich mich um jedes Wehwehchen meiner Stars selbst kümmern muss. Das artet mit der Zeit einfach zu sehr in kompliziertes Mikomanagement aus. Dabei finde ich die Idee prinzipiell nicht schlecht, dass meine Stars Wünsche und Forderungen haben. Wenn ich jedoch die Dreharbeiten zu meinem aktuellen Projekt schon zum dritten Mal unterbrechen muss, weil einer meiner Darsteller sich mal wieder besäuft, dann reicht mir das mit der Realitätsnähe.
Trotzdem ist The Movies ein gutes Spiel geworden und für mich klar die Wirtschaftssimulation des Jahres. Es macht einfach Spaß, meinen Schauspielern und Regisseuren bei der Arbeit über die Schulter zu schauen und auch die Drehbuchfunktion ist trotz ihrer Beschränktheit ein witziges Gimmick. Schließlich kann ich so endlich meine eigenen Filme am PC drehen.
Insgesamt ist es einfach die dichte Atmosphäre, weswegen The Movies überzeugt. Da fallen die Mängel im Detail kaum auf.