I took the blue pill … D’OH!

Was ist die Matrix? Diese Frage sollte bereits weitestgehend geklärt sein – zumindest für all jene unter euch, die den Film bzw. die Filme gesehen haben. Aber wie sagt man so schön in Bayern: "Hätt‘ da Hund net g’schissn …" usw. – worauf ich hinaus will: Was wäre passiert, wenn Thomas Anderson die blaue anstatt der roten Pille geschluckt hätte? Klar: er wäre aufgewacht, hätte alles nur für einen Traum gehalten und am nächsten Morgen in die Arbeit spatziert. Nicht falsch verstehen, Path of Neo ist nicht der Deckname für "Sim-Bürohengst" und bietet auch nicht die Möglichtkeit, dieses Szenario lang und breit nachzuspielen …

Denn genau hier hätte das Spiel ein jähes Ende – damals wurden Scherze darüber gemacht, was bei einem interaktiven Matrix-Film passiert, wenn das Publikum die blaue Pille wählt – die Jungs von Shiny haben diese Idee nun hammerhart im Spiel umgesetzt. Der Übergang zwischen "Matrix 4" und "umfangreicher, interaktiver Zusammenfassung" ist fließend – das Spiel erzählt die volle Geschichte neu – und zwar einzig und allein aus der Sicht von Neo, dem Auserwählten. Über eine Stunde Filmmaterial aus den bisherigen Streifen wurde von den Wachowski Brüdern neu zusammengeschnitten – viele Szenen wurde neu gedreht, Regie führen auch hierbei selbstredend Larry und Andy Wachowski.

Dem Spieler steht übrigens nicht nur die Wahl zwischen den beiden Pillen frei, wenngleich die blaue Pille eine eher dumme Wahl wäre, er kann Neos Weg selbst beschreiten – an vielen Stellen des Spiels kann man selbstredend die Handlung der drei Matrix-Filme so nachspielen, wie man sie gewohnt ist – alternativ aber lassen sich auch andere, veränderte Handlungsstränge spielen.

Ihr kennt das: Thomas Anderson döst vor seinem Rechner und wird durch "Wake up Neo …" aus dem Schlaf gerissen, er schlägt sich die Nacht um die Ohren, geht spät ins Bett und bekommt am nächsten Tag von seinem Vorgesetzten eins auf die Nuss, weil er mal wieder verpennt hat. Zurück an seinem Arbeitsplatz erhält der Protagonist ein ominöses Paket mit einem Mobiltelefon als Inhalt – kaum hat er es geöffnet, meldet sich Morpheus und gibt ihm die Anweisung, sich zu ducken – ab hier beginnt das eigentliche Spiel. Der Spieler hat die Aufgabe den noch recht schwächlichen Neo aus den Blickfeldern der Agenten und Polizisten zu steuern – im leerstehenden Büro angekommen steht Neo wie auch im Film vor der Entscheidung, ob er nun über das Dach klettern oder das Gebäude in Handschellen verlassen will – hier obliegt dem Spieler eine wirklich interessante Entscheidung.

Wenn ihr auch zur den Leuten gehört, die damals im Kino gehofft haben, Neo würde übers Dach abhauen und sich nicht feige verhaften lassen: in Path of Neo habt ihr die Chance dazu.

Diese Auswahlmöglichkeiten hat man, wie uns David Perry in einem persönlichen Gespräch mitteilte, vorwiegend gemacht, um alle Spielerkategorien zufrieden zu stellen. Viele Fans sehen Matrix als abgeschlossen und wollen einfach nur die Handlung nachspielen – genauso wie in den Filmen. Das andere Extrem sind hingegen diejenigen, die sich gerne mehr wünschen oder über verschiedene Handlungen nachgedacht haben. Wie gesagt, die alternierenden Handlungen und die zusätzlichen Schauplätze (mehr dazu später) wurden von den Wachowskis persönlich geschrieben – es ist also alles originär. David Perry betonte uns gegenüber ausdrücklich, dass Shiny Entertainment des Spiel nicht als einfachen Lizenztitel sieht, sondern als intensive Zusammenarbeit zwischen Hollywood und der Spieleindustrie. Als Grundlage stehen dafür übrigens nicht nur die Filme, sondern auch die Matrix-Comics, Animatrix und ein paar andere Kleinigkeiten zur Verfügung.

Besonders Szenen, die aus massivem Zeitmangel im Film nicht zu sehen sind, werden stark hervorgehoben. Das Kampftraining spielt auch hierbei eine größere Rolle, das Dojo-Training wurde für diverse Kampfsportarten und einfache Hiebwaffen aufgewertet – zudem darf man sich in einigen anderen Trainingssimulationen aufhalten und so z.B. den Schwertkampf erlernen bzw. unter Beweis stellen.

Gesteuert wird auf dem Matrix-Presseevent übrigens vorerst mit einem PlayStation 2 Controller – hierbei werden sogut wie alle Tasten irgendwie verwendet oder belegt. Für mich als PC-Spieler ist die radikale Umgewöhung sehr schwierig, nach etwa ein bis zwei Stunden hat man dank umfangreicher Ingame-Hilfe in Form von Tooltips usw. die wichtigesten Schläge und Combos gelernt. Zur Zeit sind laut einer wagen Schätzung über 100 verschiedene Moves, Combos und sonstige Dinge ins Spiel integriert – im Vergleich zu Mortal Combat wirkt das vielleicht wenig, man muss aber bedenken, dass man alles mit nur EINER Spielfigur machen kann. Die Steuerung ist für mich auf einem PS2 Controller schon schwierig genug, darum fällt mir die Vorstellung einer vernünftigen Tastatur+Maus Steuerung sehr schwer. Auf unsere Frage hin, wie Shiny dieses Problem lösen wird, konnte uns David Perry versichern, dass bereits ein eigener Mitarbeiter nur für die Erarbeitung eines Konzepts abkommandiert bzw. eingestellt wurde. Zur Zeit tendiert man eher zu einem Interface, das dem von Max Payne ähnelt – die Frage über einen möglichen Verlust an Spielinhalt (weniger Combos und Schläge) bei einer solchen Tastatur und Maus-Steuerung beantwortete unser Gesprächspartner entschieden mit "Nein" – für ihn käme es garnicht in Frage, die selben Fehler wie bei Enter the Matrix noch einmal zu machen.

Klar, man war damals über die schlechten Wertungen betroffen und enttäuscht, auch wertet man das Ganze gewissermaßen als persönlichen Angriff – aber das würde jedem so gehen, wenn er jahrelang seine komplett Energie in ein Projekt steckt, welches dann innerhalb weniger Tage und Wochen von der Fachpresse förmlich zerrissen wird.

David Perry ist zudem davon überzeugt, dass die Pressewertungen nicht so ausschlaggebend für den Erfolg des Produktes sind – vielmehr sind es die Verkaufszahlen, die eine deutliche Sprache sprechen – an Enter the Matrix wurden Dinge bemängelt, die einem Redaktuer – also gewissermaßen einem Hardcore Gamer – stören und im Vergleich zu anderen Spielen einfach "schlecht" sind. Der normale Matrix-Fan, also der Typ der einfach nur Spaß haben will, spielt einfach nur das Spiel und erfreut sich an der Geschichte – er findet es cool, Neo zu sein – sonst nichts.

Diese Kategorie von Spielern ist auch mit einer 50 bis 100 Euro teurern Grafikkarte zufrieden. Damit hat er aber auch recht – wenn man bedenkt, dass ein eine Playstation 2 von der Grafikleistung etwa mit einer GeForce FX 5500 oder einer Radeon 9600 mithalten kann (wohlgemerkt Unterstützen diese Karten bereits DirectX 9.0 – die Playstation 2 ist noch nichtmal in der Lage einfache Bumpmaps zu verwenden obwohl diese seit 1999 eigentlich zum Standard gehören), sollte die Leistung für den Normalspieler völlig ausreichen. Apropos Bumpmapping: laut Sony ist die Playstation 2 nicht in der Lage dazu. Allerdings unterstützt Matrix: Path of Neo dieses Feature trotzdem, selbstredend unter Einsatz einiger Tricks. Damit hinterlässt das Aussehen der Spielumgebung sogar auf der PS2 einen sehr guten Eindruck.

Wie auch bei der optischen Aufmachung (welche wir zur Zeit nur anhand der PS2 Version beurteilen können) bietet das Spiel auch soundtechnisch wieder einiges. Einige bekannte Namen der Branche, darunter z.B. auch Junkie XL, haben es sich nicht nehmen lassen, etwas zum Spiel beizutragen.

Fast jeder wichtige Charakter wurde in sehr hoher Qualität digitalisiert und mit entsprechenden Bewegungsabläufen (per Motioncapturing) ausgestattet – fast jede nur erdenkliche Bewegungskombinantion sieht flüssig aus – wie gesagt, es gibt verdammt viele verschiedene Combos/Schlage/Moves – wie auch immer.

Einen Gegner in der Luft zu packen, ihn gegen die Wand zu schleudern und dann die Waffen zu ziehen, um ihn ein bisschen zu durchsieben ist kein Problem.

Den Gegner zuerst wegzustoßen, hinterherzuspringen, ein paar Mal auf ihn schießen und ihm anschließend das Genick zu brechen – ebenfalls kein Thema, die Möglichkeiten sind schier grenzenlos.

Als ich muss ehrlich sagen, ich bin begeistert – da ich eigentlich ein notorischer Konsolenhasser bin (nein, eigentlich nicht), bin ich mit etwas Vorbehalt an die Beta von Path of Neo herangegangen. Insbesondere das Joypad (es wird übrigens ein Dualshock 2 zwingend verlangt) hat mich von vorne herein etwas abgeschreckt – aber nach etwa 30 Minuten herumprobieren hat man den Dreh raus.

Insbesondere durch die variable Story hat das Spiel einen recht hohen Wiederspielwert – man kann Dinge ausprobieren, die man im Film nicht konnte bzw eine andere und/oder erweiterte Geschichte erleben. Das Spiel verfügt übrigens über ein alternatives Ende, welches von den Wachowski Brüdern speziell fürs Spiel geschrieben wurde. Ein Video-Interview mit den kamerascheuen Typen ist nach dem Beenden des Spiels übrigens auch zu sehen (Andy und Larry sprechen normalerweise nicht vor der Kamera!) – man darf also auf jeden Fall gespannt sein.

Bis zum 17. November 2005 müssen wir uns für die Vollversion noch gedulden.

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