Die Frau, offensichtlich eine mächtige und böse Kriegerin liegt nach einem harten Quick-Time-Eventkampf am Boden. Der Held packt sie, wirft sie gegen einen steinernen Vorsprung. Er würgt sie aus POV-Perspektive, drischt ihren Hinterkopf gegen den Stein. Blut spritzt. Er erhebt sich über ihren spärlich bekleideten Körper, tritt ihr in Nahaufnahme ins Gesicht. Blut spritzt. Sie windet sich, vermeidet dabei gerade so, ihr Höschen zu zeigen, als ihr nacktes, schlankes Bein unter der Robe hervogleitet. Ihr großzügiges Dekolletee zeigt erstaunliche Haltbarkeit. Der Held reisst die fast regungslose Kriegerin hoch und rammt sie in einen spitzen Stein, der in ihren Rücken dringt und sich durch eine blutspritzende Wunde über ihren Bauch wieder herausbohrt.
Die Cutscene geht weiter. Die Frau ist nicht tot und wird schlussendlich von zwei weiteren ähnlich ausgestatteten Frauen unterstützt. Der Held wird seinerseits von einem Mann gerettet. Am Ende der Szene blinkt eine Achievement-Meldung fast unscheinbar rechts oben im Eck: „Bros before hos“ freigeschaltet (~ „Kumpels vor Schlampen“).
Darüber, über dieses Insert, beschweren sich irgendwelche Spielerinnen oder Spieler. Sony entscheidet daraufhin, das Achievement aus God of War: Ascension umzubenennen und in Foren wird gegen angebliche Political Correctness gewettert. Anscheinend ist das Abendland in Gefahr, wenn man jetzt nicht mal mehr mehr „Schlampen“ sagen darf.
Aber … Moment. Wirklich? Das Achievement ist das Problem?! Nicht die komplett sinnlos übersexualisierte Darstellung der Frauen oder die vollkommen unnötige Gewaltdarstellung davor? Nun versteht mich bitte nicht falsch. Ich bin nicht empfindlich. Ich spiele Computerspiele, seit ich fünf Jahre alt bin. Ich habe hunderte Frauen in Spielen gesehen, die ohne Grund halbnackt sind. Das ist zwar ein Thema für sich, aber wäre für sich genommen noch nicht außergewöhnlich. Gewaltdarstellung stört mich nicht besonders. Ich habe mich mit durch Shooter geschossen, durch Metzelspiele geklickt, mich in Prüglern verdreschen lassen, bin in Horrorspielen über hunderte digitale Leichen gestiegen. Manchmal erzeugen diese Szenen das Schaudern, das die Entwickler an diesen Stellen erzeugen wollen.
Es ginge auch anders, aber es soll ja so sein
Aber ich habe offensichtlich nicht genug Schund gespielt, denn ich war selten so angewidert von Gewaltdarstellung, wie in dieser Szene von God of War: Ascension. Warum? Weil sie das Spiel nicht weiterbringen, die Handlungen von Kratos nicht besser erklären und nicht alternativlos sind. Sie sind so, weil die Entwickler genau sowas einfach darstellen wollten. Und das nicht beiläufig, nicht überspitzt ironisch, sondern peinlichst genau inszeniert und in trockener Ernsthaftigkeit.
Da ist einmal die Darstellung der Gegnerin. Die Szene wäre heftig genug, wenn sich die Gewalt gegen einen Mann mit passender Rüstung richten würde. Oder auch gegen eine Frau, die sich noch wehren kann. Aber das tun sie ja nicht. Und das ist – obwohl GoW natürlich grundsätzlich in vielen Szenen ein heftiges Spiel ist – kein Zufall. Designern eines AAA-Titels passieren keine zufällig inszenierten Bosskämpfe. Was hier zu sehen ist, ist genau durchdacht und bis ins Detail voll beabsichtigt.
Zu sehen ist eine gut gebaute, halb-leblose Frau, die da aus POV-Perspektive malträtiert wird. Für Kriegerinnen, die dem Gott des Krieges entgegen treten, ergäbe alles andere mehr Sinn, als möglichst wenig Rüstung zu tragen und möglichst viel Bein zu zeigen. Das ist im besten Fall grauenvolles Charakterdesign, weil die Figur nicht logisch handelt, sondern als willenloses Szenenobjekt. Im Endeffekt ist es purer Sexismus.
Gewaltverherrlichung
Es geht auch um die Darstellung der Gewalt selbst, die auch ganz ohne die Frauenkomponente fragwürdig wäre. Der „Held“ müsste die Antagonistin nicht würgen. Es gibt keinen Grund, ihr den Schädel zu brechen und ihr ins Gesicht zu treten. Im Gegenteil: Der schwer bewaffnete Kratos hat ganz andere Möglichkeiten, um einen Kampf schneller zu beenden. Aber er zelebriert die Gewalt für den Spieler. Und ein Spiel das normalerweise aus der Third Person-Perspektive gespielt wird, schaltet dafür in die Großaufnahme, um das alles nur möglichst genau zu zeigen. Auch das ist kein Zufall, sondern Kalkül.
Und zu allerletzt zum Drüberstreuen: Natürlich müsste das Achievement auch nicht „Bros before Hos“ heißen. Im Gegenteil: Andere Bezeichnungen ergäben in einem mythologisch inszenierten Spiel mehr atmosphärischen Sinn, als dieser Spruch.
Diese Szenen sind einzig deshalb im Spiel, weil sie als spektakulär gesehen werden sollen. Das ist alles, was God of War vermitteln soll: ein provokantes Spektakel. Und so stellen sich die Entwickler anscheinend ein cool inszeniertes Spektakel in der neuesten Ausgabe einer Serie vor, die weltweit deutlich über 20 Millionen Exemplare verkauft hat. Und das ist das eigentliche Problem.