„We believe that everyone, no matter what gender, sexual orientation, ethnicity, or religion has the right to play games, criticize games and make games without getting harassed or threatened. It is the diversity of our community that allows games to flourish.
If you see threats of violence or harm in comments on Steam, YouTube, Twitch, Twitter, Facebook or reddit, please take a minute to report them on the respective sites.
If you see hateful, harassing speech, take a public stand against it and make the gaming community a more enjoyable space to be in.“ Übersetzung nach dem Klick!
Als Anita Sarkeesian auf kickstarter Geld für eine Video-Serie über weibliche Stereotype in Computerspielen sammelte, sorgte das in manchen Teilen der Spielerwelt für große Empörung. Natürlich hätte für diese Reaktion schon das Wort „Feminismus“ gereicht, von dem sich so mancher aus diversen Gründen bereits angegriffen fühlt. Aber ohne genau zu wissen, wie die Serie später eigentlich aussehen würde, fühlten viele Spieler fühlten nicht nur sich sondern auch ihr Hobby angegriffen und da tendieren Menschen emotional zu werden. Mittlerweile sind zwei der drei Teile dieser Serie erschienen und jeder kann sich selbst ein Bild über deren Qualität machen und darüber diskutieren.
Während man über einzelne Fälle ihrer Kritik vermutlich hervorragend streiten kann, sind die Informationen gut recherchiert. Teilweise ist der Vortrag in Sachen Game-History auch hochinteressant. Wer wusste schon, dass Starfox Adventures ursprünglich ein Spiel mit einer weiblichen Hauptfigur sein sollte (die dann kurzfristig zum Opfer degradiert wurde)?
Update: Der dritte Teil erschien am 1.8.2013:
Sarkeesian bereitet ihre Argumente schlüssig und verständlich auf. Sie wird zwischendurch dezent ironisch, beleidigt aber niemanden. Dementsprechend muss man nicht gleich zu hundert Prozent ihrer Meinung sein, aber es ist praktisch alles was sie sagt auch zumindest bedenkenswert – und vor allem eine völlig legitime, unaggressive Meinung, für die niemand beschimpft werden sollte. Auch wer ihr nicht zustimmt (und das muss man ja nicht). Wer glaubt die gesamte Kritik nicht mit einem dümmstmöglichen Reflex weggewischen zu können, stellt sich selbst kein gutes Zeugnis aus. Und genau das tun viele Gegner der Serie, indem sie despektierlich über Sarkeesian lachen und sich bei der Gegenargumentation an nicht bis zur Spitze durchgedachte Strohhalme klammern.
Ein offensichtliches Problem
Dass die Computerspieleindustrie sich sehr oft immer noch an der Käuferschicht der pubertierenden Buben orientiert, halte ich für eine ziemlich offensichtliche Sache. Es ist überraschend, dass eine Aufklärung darüber noch nötig ist, und geradezu abstrus, dass man für das Feststellen des Offensichtlichen auch noch auf Übelste beschimpft wird. Und die Problematik betrifft ja nicht nur Frauen. Auch Männer, die an befriedigerenden Geschichten interessiert sind, werden vom Mainstream-Status Quo häufig ignoriert und von frauenfeindlichen Müll abgestoßen.
Warum also diese bösartigen Reaktionen auf Sarkeesians Serie? Zum einen scheint mir, dass ei zu viel auf einmal versucht. Wenn man skeptische Menschen für ein Problem sensibilisieren möchte, sollte man sich einmal auf die eindeutigsten Fälle beschränken. Stattdessen mischt Sarkeesian unnötigerweise auch etwas gekünstelt konstruierte Fälle in ihre Argumente. Max Payne oder Psychonauts mit einen solchen Vorwurf zu belasten, wird kaum auf Verständnis stoßen, weil sie – wenn überhaupt – nicht wirklich eindeutig sexistisch sind, sondern plausible Geschichten auf legitime Weise erzählen.
Gute Argumente, klar aber unversöhnlich vorgetragen
Einen weiteren Grund vermute ich gerade in der ansonsten extrem stichfesten Beweisführung der Serie. Durch die Vielzahl an leicht variierenden Fällen, die sie kritisiert, entsteht irgendwann der Eindruck, dass man eine Geschichte über eine hilflose Frau gar nicht mehr erzählen könne, was sowohl der künstlerischen Freiheit widerspricht als auch einen unschönen Beigeschmack hinterlässt. Nun ist die Sache aber so: Die Kritikerin selbst sagt gegen Ende des zweiten Videos ausdrücklich, dass sie damit gar nicht erreichen möchte. Es geht ihr um die Summe der Fälle, das auffallende Muster.
Ich für meinen Teil glaube Sarkeesian, dass sie gerade Spiele wie Max Payne weder verbieten noch verhindern will und auch bei Super Marios nächster Prinzessinnenrettung ihre Contenance bewahren kann. Sie will wohl einfach nur ein Umdenken erzwingen, weil man vom Bild der machtlosen, hilfsbedürftigen Frau halt quer über die Spielebranche geradezu erschlagen wird. Und das ist unnötig und bedenklich.
Aber ich bin zwar nicht der größte Fan aller Erkenntnisse der Gender-Studies, aber auch niemand, der diese Themen in Bausch und Bogen als Blödsinn abstempelt. Ich bin von Beginn weg bereit, Sarkeesian zu glauben. Man muss davon ausgehen, dass die Offenheit gegenüber dem Thema nicht bei allen so lange reicht, sich eine halbe oder dreiviertel Stunde überzeugen zu lassen, ehe sie ihren Disclaimer hören. Bei vielen Menschen gilt in den meisten Diskussionen ja: Einmal empört, immer verbohrt.
Das ist zwar eigentlich ein Fehler des lernresistenten Zusehers, gleichzeitig sollte man derartiges als Autorin oder Autor aber antizipieren. Natürlich kann man Sarkeesian nicht dazu zwingen, ihre unangenehme aber sehr sachliche Message auch noch in Watte zu packen. Aber wenn man neue Menschen für ein Thema sensibilisieren möchte, würde sich ein nicht nur sachlicher sondern auch unzweifelhaft versöhnlicher Ton empfehlen. Damit überzeugt man zwar die größten Sturschädel auch nicht, aber gibt immerhin doch moderat skeptischen Menschen mehr Chancen, das Argument anzuerkennen.
Frauen werden anders dargestellt
Denn im Grunde können selbst überzeugteste Kritiker das Argument kaum bestreiten, dass es auffällige Muster in der Gaming-Welt gibt, was die Darstellung von Frauen betrifft. Dabei geht es gar nicht erst darum, dass man Frauen immer erstmal eine „sexy“ statt eine sinnvolle Rüstung anzieht (oder überhaupt so wenig wie möglich). Weibliche Charaktere haben als Akteure ganz grundsätzlich seltener die Kraft, etwas in der Spielwelt zu verändern. Allein die Tatsache, dass man in Spielen, in denen das Geschlecht der Hauptfigur durch die Entwickler festgelegt wird, viel seltener eine Heldin als einen Helden steuern darf, ist ziemlich eindeutig. Überrascht es wirklich jemanden, dass es Frauen gibt, die das stört und die das auch einfach mal sagen und aufzeigen möchten?
Tatsächlich ist dieses Helden-Heldinnen-Ungleichgewicht schon ein großer Teil des Problems. Weniger Frauen als Hauptfiguren bedeutet ganz automatisch weniger Frauen als handelnde Figur, denn in Spielen agiert vor allem der Spieler und die restliche Welt reagiert nur darauf. Dementsprechend kommen Frauen ganz automatisch öfter als Objekt vor. Das ist nicht gut, denn Spiele sollten für alle Menschen gleichermaßen da sein, so wie auch Filme, Musik und Bücher gleichermaßen für alle da sein sollte. Wir Spieler und Spielerinnen wollen die gesamte Bandbreite der interessanten Geschichten, nicht nur einen kleinen Ausschnitt. Auch bei simpel gestrickten Spielen muss man nicht die einfachstmögliche Narration akzeptieren. Eigentlich sollte es ja gerade für ein Spiele ohne berauschende Story einfach sein, ohne komplett bedenkliche Klischees auszukommen, sonder die 25 Zeilen des Storyskripts wenigstens etwas kreativer zu gestalten.
Frauen müssen Spiele machen
Dazu müssen sich die Entwickler aber dem Problem der Frauendarstellung bewusst sein. Eine wesentliche Ursache dafür, warum das oft nicht der Fall ist, ist die Männerdominanz der Branche. Wenn wenige Frauen bei der Entwicklung von Spielen federführend beteiligt sind, werden auch weniger Spiele von einer weiblichen Perspektive beeinflusst. Die Zusammensetzung der Entwicklungsstudios erschwert einen Ausbruch aus dem antiquierten Trott.
Nun: Dass Frauen seltener in technische Beruf gehen, ist jetzt nicht unbedingt die alleinige Schuld der meisten Männer. Aber gerade Männer in dieser Branche müssten besonders sensibel für Gender- und Sexismusthemen sein, wenn sich das ändern soll. Für eine Frau ist es eine Hürde, in eine Sparte zu gehen, wo sie mit ihrer Sicht alleingelassen (oder möglicherweise sogar dafür ausgelacht wird).
Wer das nicht versteht oder mit einem pauschalen „selbst schuld“ wegwischen möchte: Stellt euch vor als Mann vor der Wahl zu stehen, in einer Firma mit vor allem weiblichen Angestellten zu arbeiten, die Schreibtische herstellt. Dort wird den ganzen Tag neben der Arbeit nur (Vorsicht, Klischee!) über Kleider geredet und die Verantwortlichen entscheiden, alle Produkte werden (noch ein Klischee!) blassrosa eingefärbt. Und jetzt stellt euch vor, nicht nur diese eine Firma, sondern die ganze Schreibtisch-Branche ist so. Wenn ihr jetzt nicht gerade auf Kleider und blassorsa steht, wäre es unattraktiv dort zu arbeiten, oder? (Und jetzt stellt euch mal kurz vor, ihr wäret nur ein Konsument in dieser Welt, und hättet gerne einen schönen Schreibtisch, aber fast alle Modelle sind blassrosa und hätten zwar keine Tastaturablage aber einen integrierten Kleiderbügel.)
Heldinnen sind anders
Zurück zu den Spielen und den Bildern, die sie von Frauen vermitteln. Wenn sich eine Geschichte doch um eine Protagonistin dreht, muss diese praktisch nie dazu übergehen, einen ihr nahestehenden Mann zu retten. Jade aus dem Action-Adventure Beyond Good & Evil, die ihren Onkel Pey’j retten muss, ist eine der wenigen Ausnahmen (allerdings ist Pey’j ein Schwein, kein Mensch). Lara Croft aus Tomb Raider, Samus Maran aus der Actionserie Metroid, Kate Archer aus dem Adventure Syberia oder April Walker bzw aus dem Adventure The Longest Journey haben stets andere Aufgaben im Sinn. Faith aus dem Action-Runner Mirror’s Edge muss sogar ihre Schwester retten – also wiederum eine andere Frau.
Wenn man das aufzeigt, muss man sich einer wichtigen Sache bewusst sein: Dass das völlig ok ist. Zwar zeigt dieser Unterschied eine Ungleichbehandlung der Geschlechter auf, aber diese „Gut rettet Hilflos“-Plots sind ja in Wahrheit grottenöde. Nicht zufällig stehen Spiele, die eine Geschichte mit weiblichen Hauptfiguren erzählen, storytechnisch meist eher auf der interessanteren Seite, während die meisten von Sarkeesian genannten Spiele eher Geschichten-Ödland sind. Aber bitteschön nicht deshalb, weil Frauen oder weibliche Heldinnen grundsätzlich besser sind, sondern weil sich das aus dieser ganz speziellen Konstellation so ergibt. Die Perspektive von Männern fehlt bei der Spieleentwicklung und im Spielemarketing praktisch nie.
Zum Abschluss ein paar Fragen, die sich angesichts all dieser Beobachtungen stellen:
Warum glauben so viele Entwickler, Männer würden sich durch das Retten von Frauen ausreichend motiviert fühlen, sehen das umgekehrt aber nicht so?
Sind wir Männer so viel einfacher gestrickt oder werden wir nur für weniger anspruchsvoll gehalten?
Müssen wir diese subtile Geringschätzung unseres Verstandes wirklich hinnehmen und gut finden?
Warum bestehen so viele Spieler darauf, dass diese Schmalspurstorys auch so bleiben?
Würde es nicht sowohl für Frauen als auch auch für uns Männer bessere Storys bedeuten, wenn Sarkeesians Kritik unterstützt oder zumidnest gehört und akzeptiert würde?
Wäre das wirklich eine Veränderung, die es sich zu bekämpfen lohnt?
Haben wir nicht bereits genügend Frauen vermeintlich gerettet?
Die Frau, offensichtlich eine mächtige und böse Kriegerin liegt nach einem harten Quick-Time-Eventkampf am Boden. Der Held packt sie, wirft sie gegen einen steinernen Vorsprung. Er würgt sie aus POV-Perspektive, drischt ihren Hinterkopf gegen den Stein. Blut spritzt. Er erhebt sich über ihren spärlich bekleideten Körper, tritt ihr in Nahaufnahme ins Gesicht. Blut spritzt. Sie windet sich, vermeidet dabei gerade so, ihr Höschen zu zeigen, als ihr nacktes, schlankes Bein unter der Robe hervogleitet. Ihr großzügiges Dekolletee zeigt erstaunliche Haltbarkeit. Der Held reisst die fast regungslose Kriegerin hoch und rammt sie in einen spitzen Stein, der in ihren Rücken dringt und sich durch eine blutspritzende Wunde über ihren Bauch wieder herausbohrt. God of War: Ascension – „Bros before hos“? Was an der Aufregung darüber falsch ist weiterlesen →