Mit Civilization hat Sid Meier anno dazumal einen Meilenstein der Spielegeschichte geschaffen. Die Idee, den Spieler als umfassenden Herrscher eine Zivilisation aus dem Barbarentum in die Neuzeit führen zu lassen hat sich seither mit Civilization 2 und den diversen Variationen Test of Time, etc. zu einer erfolgreichen Serie ausgebaut, welche leider in Civilization 3– sowie den Call to Power-Teilen kleinere Einbrüche erleben musste. Der vierte Teil soll der Reihe nun sowohl präsentationsmässig als auch spieletechnisch wieder zu einem Höhepunkt verhelfen. Während man also einerseits Bewährtes behielt und aufbesserte, wurden auch diverse neue Ideen integriert.
Vorspiel
Zuerst einmal muss sich der angehende Herrscher um die Auswahl der umfangreichen Optionen kümmern, welche massig neue Weltformen anbieten, aus denen man sich seine gewünschte aussuchen kann. Darüber hinaus gibt es auch einen Epos Modus, welcher neben dem normalen für eine langsamere und damit auch längere Spielvariation sorgt. Die Wahl der Zivilisation sei gut überlegt, da sie, wie schon in Civ 3, alle eine eigene Spezialeinheit, sowie einen Herrscher mit Bonusfähigkeiten haben. Bevor es endlich losgeht, kann man natürlich auch noch die diversen möglichen Siegvariationen und noch einige weitere Einstellungen das Spiel betreffend abhaken.
Die Siedler von Rebell
Sobald man dann vor seinem ersten Siedler steht, kommt man nicht umhin das neue Gewand des Strategiekaisers wahrzunehmen. Dieser präsentiert sich nämlich in durchwegs schön animierten 3D. Dies kommt vor allem bei den Kämpfen sowie sonstigen Aktionen der Einheiten durch, aber auch die Landschaft kann überzeugen. Diese ist übrigens auch stufenlos zoombar, bis zu einer Satellitensicht, welche dann auch selbstständig „beschriftbar“ ist. Man kann in Civ 4 also nicht nur seinen Einheiten und Städten, sondern auch seinem Lieblingsberg oder einer Kriegsgrenze eigene Namen verleihen. Neben der schönen Grafik gibt es teilweise auch atmosphärische Umgebungsgeräusche, welche im Gegensatz zur großteils sehr gewöhnungsbedürftigen Musik äußerst gelungen sind.
Das ganze hat allerdings auch seinen Preis in Form von massivem Speicherverbrauch.. unter 512 MB braucht man nicht wirklich anzufangen und selbst mit einem Gigabyte wird es in späteren Runden manchmal sehr langwierig.
Unser kleines Rebellennest
Wenn man sich dann erst einmal sattgesehen hat und seine erste Stadt gegründet hat (dankbarerweise kann man sich die Ressourcen sowie die Nahrungseinheiten der Felder extra einblenden lassen, um den idealen Standort zu wählen) macht man sich wie gewohnt an die Forschung sowie die ersten Produktionen. Hierbei wird dem geneigten Zivspezialisten dann auch die eine oder andere erste Änderung auffallen. So hat der Stadtbildschirm nicht mehr allzu viel mit den früheren Versionen gemein, ebensowenig leider mit Übersichtlichkeit.. Vor allem ist recht nervig, dass man die genauen Ressourcen jedes bearbeitbaren Feldes nicht angezeigt bekommt. Weiters sind die zu zahlenden Kosten für jedes Gebäude verschwunden, in Civ 4 gibt es nur mehr eine allgemeine „Wartung“, die man pro Stadt zahlen muss und die sich nach Gebäuden sowie der Entfernung vom heimatlichen Palast zusammensetzt. Hierbei sei auch sehr davon abzuraten, zu Beginn des Spiels eine weit entfernte Stadt eines unliebsamen Konkurrenten zu übernehmen. Dies könnte sehr schnell den Konkurs der Zivilisation bedeuten.
Despotismus und REBELLion
Auch im Technologiebereich hat sich einiges getan: Man sollte nun durchaus bereits voraus planen, auf welche miteinander verbundenen Technologien man seinen Schwerpunkt legt. Vor allem durch die Aufsplittung der bisher gewohnten Regierungsmodalitäten in mehrere einzelne Bereiche der Staatsführung, sowie die neu hinzugekommenen Religionen machen die Entscheidung manchmal nicht so einfach. Während man durch die verschiedenen Staatsformen nun zum Beispiel eine heidnische feministische Sklaverei wählen kann, indem man die jeweiligen Kosten der Staatsformen deren Nutzen gegenüberstellt, muss man sich bei den Religionen auch noch auf die Verbreitung derselben unter möglichst vielen anderen Zivilisationen kümmern, sowie natürlich auch um die im eigenen Reich. Dabei kommt es natürlich auch darauf an, wer die jeweilige Religion als erstes erforscht hat, denn dadurch hat man die Möglichkeit, an allen Gläubigen kräftig abzucashen, außerdem kann man sich jederzeit über die Verbreitung der Religion in den diversen Städten erkundigen. Außerdem sehen es die Führer anderen Glaubens nicht allzu gerne, wenn man nicht deren "einzig wahren Religion" angehört, sondern eben beispielweise einer heidnischen Gruppierung – was sich demnach auch durchaus auf den Diplomatiebereich auswirkt.
Kleine Rebellen müssen mucken
Womit wir auch schon auf die AI zu sprechen kämen: Jene wirkt angenehm intelligent und so kommt es zum Beispiel kaum mehr vor, dass sich der Mongole mit nur einer Stadt noch immer zur Kriegserklärung gegenüber dem meilenweit überlegenen Spieler hinreißen lässt. Alles in allem verhalten sich die Zivilisationen passend danach, wie ihre jeweilige Stärke im Vergleich zu den anderen ist. So kann man sich gegen unterlegene Zivilisationen einiges leisten und sie werden trotzdem auch mal einen zähneknirschenden Tribut entrichten. Sollte man jedoch – vor allem militärisch – unterentwickelt sein, wird man sehr schnell Opfer eines kriegerischen Herrschers werden. Wie die Herrscher zum Spieler und gegenseitig zu sich stehen, unterliegt diversen Erfahrungen die man jederzeit abrufen kann.. Hat man zum Beispiel gute Handelsbeziehungen oder sonstige Verträge mit einer Zivilisation, so wirkt sich dies mit der Zeit zunehmend positiv aus, ebenso wie auf die Staatsformen und Religionen, die den jeweiligen Herrschern liegen. Zu enge Grenzen, das Ablehnen von Hilfsansuche oder Tributforderungen sowie das Aufwiegeln anderer Herrscher nehmen einem die Konkurrenten auf lange Zeit dennoch übel.
Dies ist vor allem dann wichtig, wenn man den diplomatischen Sieg mittels UN Wahlen anstrebt (eines der letzten Weltwunder), mittels dessen man sich zuerst zum Generalsekretär wählen lassen und dann diverse Sanktionen beschließen lassen kann – für die man jedoch immer eine gewisse Mehrheit benötigt. Vor allem für den schon erwähnten Sieg muss man sich in der Zeit davor bereits einige Herrscher als Freunde etabliert haben.
Sollte dies nicht der Fall sein und man sich vorzugsweise durch den Einsatz von Gewalt verbreitet hat, kommt es einem entgegen, dass nun auch die Militäreinheiten endlich über ein Erfahrungssystem verfügen, durch welches diese erstens stärker und zweitens etwas leichter individualisierbar werden.
Jedoch ist dies nur eines von vielen Details, auf die sich ein erfolgreicher Herrscher konzentrieren muss. Denn ebenso muss er sich auf die Gesundheit, den Zufriedenheitsstatus und vor allem auf die Kultur seiner Städte konzentrieren. Vor allem Letztere ist bei Platznot dafür ausschlaggebend, wieviel Grund der eigenen und wieviel der nachbarlichen Zivilisation zusteht. Im Idealfall kann man so auch auf friedlichem Weg eine Stadt einnehmen. Auch die Gesundheit/Verschmutzung wurde erweitert: So kommt es nun nicht mehr ausschließlich auf die Produktion in den Städten bzw. der eventuellen Fabriken an, sondern auch auf das jeweilige Umfeld. So macht auch hier ein grüner Wald mitunter einen besseren Eindruck, als ein mückenverseuchter Sumpf.
Perestroijka
Überhaupt sind die Bautrupps einer der Hauptbestandteile einer erfolgreichen Zivilisation. Denn nicht nur jede Spezialressource muss erst einmal passend domestiziert werden, sondern auch für die normalen Felder stehen so viele Verbesserungen und Bearbeitungsweisen wie noch nie zur Verfügung. Jedoch stellt man diese spätestens bei der zwanzigsten Stadt auf Automatik, was natürlich auch für die jeweiligen Produktionen in den Städten möglich ist.
Dies bewirkt mitunter, dass in einem nichtkriegerischen Spiel zum Ende des 20. Jahrhunderts eine gewisse Automatition auftritt, welche gemeinsam mit den langen Ladezeiten einen der wenigen Negativpunkte darstellt.
Allerdings besteht auch bei den noch nicht so perfekt gelungenen Sachen die Aussicht auf den in Kürze anstehenden ersten Patch (auch für die vielerorts beklagten Bugs, die uns beim Test allerdings nicht aufgefallen sind), und darüber hinaus auch auf diverse Spielermodifikationen, da Civilization 4 im Großen und Ganzen fast komplett editierbar ist.
Vor allem Letzteres verspricht, neben der sowieso schon vorhandenen Komplexität und dem nun endlich funktionierenden und gut integrierten Multiplayermodus, unzählige Stunden der Zivilisationsgründungen.
Als Fan der Civilization Reihe seit dem Orginalspiel, freut es mich sehr zu sehen, dass der Suchtfaktor der ersten Teile wieder vollkommen wiedererweckt wurde.
Vor allem die Erneuerungen die Einheiten betreffend, welche einen Panzer endlich in 99% der Fälle über einen Speermann gewinnen lassen, als auch die Religion samt den verschiedenen Staatsformen tragen wesentlich zur Abwechslung bei. Natürlich gibt es bei solch komplexen Spielen immer wieder Dinge, die man noch gerne anders hätte. So zum Beispiel noch mehr Diplomatie-Optionen oder eine stärkere Involvierung der UN-Funktion, aber summa summarum ist Civ 4 schon relativ nahe am „perfekten“ Spiel.
Wer Strategiefan ist und genug Zeit hat, soll sich also ranhalten – so wie ich es nun auch wieder tu.