Ein Spiel und sein Konzept entstehen beileibe nicht in fünf Minuten und im Gehirn nur eines Einzelnen. Teamarbeit wird besonders in der täglichen Arbeit von Entwicklerstudios groß geschrieben. Spezialisten verschiedenster Bereiche arbeiten zusammen an der Konzeption und Entwicklung eines neuen Titels. Und über dem ganzen Projekt steht in der Regel ein Publisher, der teilweise Unsummen in die Entwicklung investiert. Wir sind einmal der Frage nachgegangen, was alles passieren muss, bis eine Spielidee erste konkrete Formen annimmt.
Planung und Konzeption
Bevor überhaupt von einem Konzept für ein Spiel gesprochen werden kann, muss sich die Idee für ein neues Spiel an grundlegenden Ansprüchen messen lassen: Ein ungestörter Spielablauf mit einem Anfang und einem Ende, Sieg- bzw. Niederlage-Bedingungen, Gameplay, physikalische Bedingungen der Umgebung, Kollisionsabfragen sowie Überlegungen zur künstlichen Intelligenz eventueller Gegner. Welcher Sound und welche Musik passen zu dieser Art von Spiel am Besten? Nicht zu vergessen natürlich die unbegrenzten Möglichkeiten bei der Entscheidung über das Aussehen des Spiels und der Präsentation seiner Inhalte in grafischer wie filmischer Hinsicht. Sobald an ein Ende des Spiels gedacht werden kann, stellt sich außerdem die Frage einer begleitenden Geschichte. Das ist die kreative Seite. Um auch auf dem Konto später einen finanziellen Erfolg zu erzielen, spielen daneben wirtschaftliche Überlegungen eine ebenso wichtige Rolle: Welche Trends bestimmen zur Zeit das Geschäft? Was will der Markt sehen? Und vor allem: Was will der Markt nicht mehr sehen? Kosten spielen verständlicherweise auch bei der Entwicklung von Spielen eine große Rolle. So werden in Zusammenarbeit mit dem Publisher erste Kalkulationen erstellt, die in der Konzeptionsphase eine Einschätzung über den mittelfristig zu erwartenden personellen Aufwand geben sollen.
Am Anfang war das Wort
Ein gutes Spielkonzept wird deshalb die Punkte Vorstellung und Beschreibung der Idee, die Key-Features, das Genre und die angepeilten Plattformen enthalten. Tausend Dinge und noch viel mehr, über die sich Entwickler noch vor dem ersten sichtbaren Pixel auf dem Monitor also im Klaren sein müssen, denn sie werden vom zahlenden Spieler als Selbstverständlichkeit erwartet. Um da noch den Durchblick zu behalten und damit die Einfälle und Prozesse festgehalten werden können, setzen Entwickler die so genannten Design Documents ein. Ähnlich wie ein Skript in anderen Branchen wie Verlagen, Film- und TV-Produktionen stehen hier getreu der Idee genaue Anweisungen für jeden an der Entwicklung eines Spiels Beteiligten. Manche Entwickler vergleichen dieses Dokument gerne mit der Bibel. Der Produzent hält darin seine Vorstellungen über das neue Spiel fest. Der Lead-Designer sorgt für die kreative Umsetzung der Vorstellungen und pflegt die Ergebnisse seines Teams in das Design Document ein, damit der Rest der Mannschaft immer auf dem Laufenden bleibt, was gerade zu tun ist.
Unter der Regie der Design Documents
Im Idealfall handelt es sich dabei also um ein feingegliedertes Textdokument, das alle Beteiligten mit Informationen und dem Stand der Dinge versorgt. Außerdem geht daraus hervor, was noch in Angriff genommen werden muss. Im Design Document sind so beispielsweise die großen Kapitel wie Spielkonzept, Story, KI, Kollisionsabfrage, Leveldesign, Musik, verwendete Steuerungsperipherie und die Art des Spieler-Interfaces beschrieben. Diese Kapitel werden in der Regel mit den gleichen Fragestellungen untergliedert: Wer ist dafür zuständig? Was sind die Ziele? Welche Probleme könnten bei der Realisierung des betreffenden Features entstehen? Welche Lösungsvorschläge stehen dafür schon zur Verfügung? Wie soll es überhaupt aussehen und umgesetzt werden?
Und nicht zuletzt wie sich dieses bestimmte Feature auf alle anderen Bestandteile der Entwicklung auswirken könnte. „Im Falle von ’Paraworld’ waren das Farbstudien zu den Landschaften, Völkern usw., die ganz zu Beginn des Projekts in der Pre-Production durch den Art-Director angefertigt worden waren“, so der Lead 3D-Artist Steffen Unger vom Berliner Spieleentwicklungskombinat (SEK) über die im Design Document festgelegten grafischen Vorgaben.
Vor der Produktion
Steht das Team fest und weiß jedes Mitglied, was es zu tun hat, steht dem Produktionsprozess fast nichts mehr im Weg. Mögliche auftretende Entwicklungsverzögerungen oder zukünftige Kürzungen der Featureliste aus Zeitgründen sind zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingerechnet, da es sich nach wie vor um ein niedergeschriebenes aber schon arbeitsfähiges Konzept handelt. Nimmt das neue Spiel langsam Gestalt an, werden erste Ergebnisse sichtbar, ergibt sich wieder eine unglaubliche Fülle an neuen Fragen und Problemen: Stimmt die sich abzeichnende Spielzeit oder wird sie möglicherweise zu kurz oder zu lang? Die Spielzeit ist für die Akzeptanz bei Spielern ein nicht unerheblicher Faktor, da diese hier sehr kritisch den Wert des ausgegebenen Geldes mit der Spielzeit des Produkts in Beziehung setzen. Ganz zu schweigen von der Einschätzung des Wiederspielbarkeitsfaktors und Wartezeiten etwa beim Ladevorgang. Ebenso wirkt sich der angepeilte Schwierigkeitsgrad auf die verbrachte Zeit und den Spaß mit dem Titel direkt aus: Ist das Spiel zu schwierig oder zu einfach? Benötigt der Spieler Minuten, Stunden oder Tage zum Erreichen des Ziels? Einen ersten in die Produktion einrechenbaren Wert liefern dazu die Tester der Qualitätssicherungsabteilung.
Vom Entwurf bis zum Polieren
Jedes an der Entwicklung eines Spiels beteiligte Mitglied greift auf für seinen Fachbereich spezifische Werkzeuge zur Realisierung der vom jeweils verantwortlichen Chef-Entwickler festgelegten Vorstellungen zurück. Die Grafiker versuchen, den angestrebten Look des Spiels zu erschaffen.
Das Gameplay nimmt dabei Entscheidenden Einfluss auf den grafischen Stil: „Eine Figur in einem Ego-Shooter wird anders gestaltet werden als eine Einheit in einem RTS, wobei nicht etwa nur die Anzahl der Polygone eine Rolle spielt, sondern auch die visuelle Lesbarkeit der Form bei starker Verkleinerung etc.“, wie der Lead-Artist Daniel Lieske von Ascaron die Überlegungen dazu erklärt. Obwohl Artworks als eine entscheidende Hilfe zur Entwicklung der grafischen Präsentation des Titels dienen, wird besonders aus Kostengründen an den Konzeptzeichnungen als erstes gespart, was Daniel Lieske sehr bedauert.
Der Lead-Skripter von Phenomic Game Development, Jochen Peketz, der bei Titeln wie ’Spellforce’, den dazugehörigen Add-ons sowie ’Spellforce 2: Shadow of Wars’ die Missionen und Kampagnenabläufe umsetzte, stellt wieder ganz andere, auf seinen Bereich bezogene Überlegungen zum Konzept an: „Was soll auf den Maps passieren? Wie lange sollen sie dauern? Welche Gegner sind zu erwarten? Welche Dinge sind mit der Skriptsprache und ihren Befehlen überhaupt umsetzbar?“ An anderer Stelle im Studio schreiben Autoren dazu an der Story, die den Spieler während des Voranschreitens nach erfolgreich absolvierten Missionen die Veränderungen plausibel erscheinen lässt. Dabei achten sie während der Entwicklung jedoch darauf, dass beispielsweise nicht unnötig lange Dialoge den Spielspaß bremsen. Ein Leveldesigner wiederum lässt sich anfangs hingegen oft von Konzeptzeichnungen inspirieren, denn jedes Setting und Genre erfordert verständlicherweise ein eigenes Design der Spielwelt, wie der Level-Designer und Programmierer Thomas Seufert diesen Entscheidungsprozess erklärt. Komponisten wie Jason Hayes (’World of WarCraft’) suchen schon sehr früh das Gespräch mit allen beteiligten Entwicklern. Bevor sie auch nur die erste Note aufgeschrieben haben, können sie so schon im Voraus Entscheidungen darüber treffen, wie die Musik in das Spiel später eingebunden werden soll.
Die Insider
Man sieht, dass vor der eigentlichen Entwicklungsarbeit eine Vielzahl an Überlegungen in das große Spielkonzept einfließt. Was daraus praktisch gemacht wird und wie die Arbeit der beteiligten Entwickler in ihren unterschiedlichen Disziplinen aussieht, davon können natürlich am Besten die Eingeweihten selbst erzählen. Deshalb haben wir verschiedene Vertreter deutscher Entwicklerstudios befragt.