Spiele mit Physikengine liegen derzeit im Trend. Valve hat vor nicht all zu langer Zeit mit Portal bewiesen, wie man das in Hightech und 3D umsetzt, doch auch Indie Entwickler haben die Vorzüge der Schwerkraftspielerein für sich entdeckt. Vor wenigen Monaten verzauberte 2D Boy uns mit World of Goo und veranlasste den Kollegen, Chefred und Sklaventreiber Tom höchstselbst, in pathosschwangeren Kindheitserinnerungen zu schwelgen.
Was uns in World of Goo dereinst ans lieblich-infantile Matschburgenwettbauen erinnerte, erinnert uns heute in Kloonigames‘ Crayon Physics Deluxe irgendwie an unsere ersten Experimente mit Buntstiften. Genau so und nicht anders sieht es nämlich aus und man mag auf den ersten Blick nicht erkennen, dass es sich um eine Art höchst spielerisches Sequel der altehrwürdigen „Incredible Machine“ handelt. Und so gesehen war diese wohl die Urmutter aller Physikspielchen.
Das Spiel verlangt von mir in insgesamt 80 Levels eine Kugel zu einem Stern zu befördern. Das ist freilich nicht ganz einfach, denn ständig fordern mich neue Ausganskonstellationen und Hindernisse und wecken den kreativen Geist. Obwohl Crayon Physics keine Geschichte erzählt waren die wackeligen Türme aus der Welt des Gatschs schnell vergessen und die pure Experimentierlust brandete auf. Wippen, Kugeln, Schanzen, Stricke – das alles braucht man nicht mehr. Man zeichnet es sich einfach.
In zwei Tagen hatte ich es durch, einfach weil mich die Experimentierwut gepackt hatte. Jedes Level ist nach Lust, Laune und kreativer Kapazität sicherlich auf zig denkbare Varianten lösbar. Und während ich so vor mich hinkritzelte und den Ball mit einer gigantischen Wippe auf die Spitze eines Turms schoss, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: World of Goo hat einen Makel.
Er wäre mir damals nie aufgefallen, doch angesichts von Crayon Physics fängt man auf einmal an, der Freiheit plötzlich nachzutrauern. Weil das Spiel von 2D Boy einen einlullt in seinen Bombast-Soundtrack, die wunderschönen Kulissen und die liebliche Geschichte der kleinen Schlammküglein, vergisst man völlig, dass es eigentlich keine Lösungsvielfalt gibt. Es kann immer nur der gleiche Weg zum Ziel beschritten werden, und im besten Falle verbraucht man möglichst wenige Goos bis dort hin.
Aber ist das ein Makel? Nein, meine ich, es ist keiner, aber es wäre trotzdem ein Pluspunkt für Crayon Physics Deluxe, könnte man die beiden Spiele auch nur annähernd vergleichen. Kann man aber nicht.
Hier gibt es keinen Bombast-Soundtrack, keine wunderschönen Kulissen und auch der Ball schippert geschichts- und gesichtslos von Insel zu Insel. Und trotzdem fesselt sie einen, die pure Lust am Experiment.