Manchmal nenne ich Rollenspiele als das Genre, mit dem ich – mit Ausnahme von Simulationen – am wenigsten anfangen kann. Aber das stimmt nicht ganz, denn während man mich mit ‚Diablo‘ oder ‚Gothic‘ tatsächlich jagen kann, begeistern mich ‚Knights of the Old Republic‘, ‚Baldur’s Gate‘ und vor allem japanische Titel wie ‚Final Fantasy‘. Was lag da näher, als Square Enix‘ ‚Dragon Quest 8‘ mal eine Chance zu geben, das vor kurzem in Nordamerika für die PlayStation 2 erschienen ist. Die Metapher „sich zu Tode langweilen“ bekam dabei aber eine ganz neue Bedeutung.
Das erste, was wahrscheinlich fast jedem an ‚Dragon Quest 8‘ auffallen wird, ist das – freundlich formuliert – ungewöhnliche Design. Die weitläufigen, dicht besiedelten und vielseitigen Umgebungen hinterlassen zwar einen gute Eindruck, doch die Charaktere zählen zu dem hässlichsten, was ich jemals in einem Spiel ertragen musste. „Monster“ mit riesigen, vollen Lippen, halbnackt umhertanzende Schweine und siamesische Zwillinge in Koboldsgestalt waren für mich schon nach den ersten Minuten zuviel. Wie kann ich die Geschichte des Spiels ernstnehmen, wenn ich bei den Gegnern nicht weiß, ob ich besser lachen oder weinen soll? Auch die menschlichen Figuren, welche ihr selbst steuert, hinterlassen einen seltsamen Eindruck: Auf gewisse Weise tragen alle die gleichen Gesichtszüge und wirken dadurch zumindest unsympathisch, wenn nicht gar leicht debil. Das mag der Stil von ‚Dragonball‘-Designer Akira Toriyama sein, doch bei ‚Dragon Quest 8‘ wirkt es vollkommen unpassend.
Ein Spiel „für Profis“
Da man über die Grafik nicht hinwegsehen kann, mögen meine weiteren Einschätzungen negativ beeinflusst sein, doch das Spiel strotzt auch bei versuchter objektiver Betrachtung geradezu vor Schwächen. Die zahllosen Zufallskämpfe, in die ihr beim Durchstreifen der Welt nahezu alle zehn Sekunden stolpert, sind ein Relikt aus alten Rollenspieltagen, um die Spielzeit zu strecken. Weitaus schlimmer noch als die hohe Anzahl der Kämpfe ist ihr Schwierigkeitsgrad: Passt ihr nicht auf, segnet ihr schon vor der ersten Quest mehrmals das Zeitliche. Überhaupt dürft ihr kaum von den vorgegebenen Wegen abkommen – andernfalls trefft ihr auf Widersacher, denen ihr schlichtweg nicht gewachsen seid. Besonders ärgerlich, weil das eigentlich sehr interessante Erkunden der großen Spielwelt dadurch extrem eingeschränkt wird. Zumal ihr nur in der Kirche einer Stadt ein Savegame anlegen könnt.
Konkurrenz aus eigener Verpackung
Was mich jedoch am meisten stört, ist, wie altmodisch sich ‚Dragon Quest 8‘ gibt. Das rundenbasierte Kampfsystem fühlt sich so träge an, dass es an alte SNES-Zeiten erinnert, und die Quests sind so einfallslos wie bei nur wenigen Rollenspielen der letzten Zeit. Fast wie ein Hohn erscheint es da schon, dass dem Spiel eine Demo-Version von ‚Final Fantasy 12‘ beiliegt, die so frisch und wagemutig ist, dass ich ‚Dragon Quest‘ am liebsten sofort auf irgendeine Art entsorgt hätte. ‚Final Fantasy 12‘ verwendet, soweit sich das anhand der Demo erschließen lässt, kleine Levels für seine Quests, die sich in mehrere Aufgaben unterteilen: Zunächst müsst ihr beispielsweise eine bestimmte Zahl an kleinen Gegnern töten, dann einen Schlüssel finden, um eine Tür in den nächsten Abschnitt zu öffnen und schließlich den Boss der Mission zu besiegen. Klingt auf den ersten Blick auch nicht sonderlich einfallsreich, spielt sich aber erfrischender als jedes andere japanische Rollenspiel der jüngsten Vergangenheit.
Action in Ivalice
Interessant ist insbesondere, wie sehr sich Square Enix für ‚Final Fantasy 12‘ bei westlichen Titeln bedient hat. Das Kampfsystem etwa erinnert an eine Mischung aus ‚Final Fantasy 8‘ sowie ‚Knights of the Old Republic‘: In Echtzeit lauft ihr auf die Gegner zu, wählt eine Aktion und verfolgt den Kampf. Jeder Charakter verfügt über eine Aktionsleiste, die sich nach jedem Angriff, Zauberspruch oder Einsatz eines Items neu aufladen muss.
Pausieren könnt ihr auf Wunsch lediglich beim Auswählen der nächsten Aktion. Der größte Unterschied ist aber, dass die Kämpfe nicht mehr in gesonderten „Arenen“ stattfinden, sondern direkt im Level ausgetragen werden – Zufallskämpfe gibt es daher wohl nicht.
Nicht für jedermann
Um zurück zum ursprünglichen Thema zu kommen: ‚Dragon Quest 8‘ ist kein richtig schlechtes Spiel. Ob man das Design mag, ist Geschmackssache, und wer nur ein ‚Dragon Quest 7‘ in neuer Verpackung erwartet, wird letztendlich nicht enttäuscht sein. Aber: Wenn ihr ein modernes, nicht zu langatmiges und zugängliches Rollenspiel sucht, ist Square Enix neuestes Werk eine ganz schlechte Wahl. Wartet auf ‚Final Fantasy 12‘, spielt ‚Shadow Hearts: Covenant‘ oder ‚Jade Empire‘ – aber lasst die Finger von ‚Dragon Quest 8‘!